Neues Bauvertragsrecht: Reform gelungen?

Rechtsanwalt Olaf Lenkeit weiß, wovon er redet, wenn er über das neue Bauvertragsrecht spricht. Zwischen 2010 und 2013 nahm der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht an insgesamt 45 Sitzungen der Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht beim Bundesministerium der Justiz teil und entwickelte den Gesetzesentwurf mit. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde er zudem als Sachverständiger im Rechtsausschuss des Bundestages offiziell angehört. Wir sprachen mit ihm über die wichtigsten Neuerungen der Novelle und welche Details es nicht in die finale Fassung geschafft haben.

Herr Lenkeit, das neue Bauvertragsrecht soll noch im März verabschiedet werden und zum 1. Januar 2018 in Kraft treten. Halten Sie die Reform für gelungen?

Nun, es war das vorrangige Ziel, eine möglichst ausgewogene gesetzliche Regelung für einen volkswirtschaftlich bedeutsamen Vertragstyp zu schaffen. Bisher waren weder Bauvertrag noch etwa der Architekten- bzw. Ingenieurvertrag im BGB als eigenständige Verträge geregelt. Stattdessen mussten und müssen wir uns mit einem allgemeinen Werksvertragsrecht von 1890 behelfen, das die Anfertigung von Schuhen auf gleiche Weise zu regeln versucht, wie den Bau eines Bahnhofs. Wir alle kennen die Unzulänglichkeiten, die sich daraus ergeben, denn komplexe Bauvorhaben mit langen Laufzeiten lassen sich damit kaum angemessen regeln. Genau diesen bauspezifischen Anforderungen will das neue Gesetzt nun gerecht werden – und das scheint mir in weiten Teilen gelungen.

Was sind die wichtigsten Neuerungen?

Die wichtigste Neuerung ist erst einmal, dass wir überhaupt ein eigenes Bauvertragsrecht haben werden, das baubezogene Verträge eigenständig regelt. Ganz wesentlich ist auch, dass es zukünftig eigene Abschnitte für Bauverträge mit Verbrauchern und deren Schutzrechte sowie für Architekten- bzw. Ingenieurverträge sowie Bauträgerverträge geben wird. Das ist sehr zu begrüßen, da so den jeweiligen Eigenheiten dieser Verträge besser Rechnung getragen werden kann. Das ist ein großer Fortschritt.

Was sind die wichtigsten Neuerungen für Verbraucher? Wird der Eigenheimbau leichter?

Der Eigenheimbau hängt von vielen Faktoren ab. Aber es wird sicherlich transparenter für den Verbraucher. Und er ist deutlich besser geschützt. Die erleichterten Widerrufsmöglichkeiten etwa schützen ihn vor Übereilung. Auch die Verpflichtung des Auftragnehmers, künftig vor Beginn der Bauarbeiten eine verbindliche Leistungsbeschreibung mit definierten Mindestinhalten und verbindlichem Fertigstellungstermin bereitstellen zu müssen, ist ganz im Sinne des Verbrauchers. Zumal die Baubeschreibung automatisch Bestandteil des Bauvertrags wird und Zweifel bei dessen Auslegung zu Lasten des Unternehmers gehen sollen. Zudem werden Obergrenzen für die Zahlung von Abschlägen durch den Verbraucher und für die Absicherung des Vergütungsanspruchs des Unternehmers eingeführt. Last but not least ist noch das Anordungsrecht zu nennen, durch das Bauherren Änderungen der vereinbarten Leistungen begehren können, im Zweifelsfall auch einseitig. Verbraucher profitieren von der dadurch verbesserten Planungssicherheit und erreichen durch die bessere Vergleichbarkeit von Angeboten möglicherweise auch noch bessere Preise.

Auch für gewerbliche Bauprofis ergeben sich eine Reihe von Änderungen. Welches sind die Wichtigsten und wie wirken sie sich auf die Praxis aus?

Auch dem ausführenden Gewerbe wird deutlich mehr Schutz eingeräumt. Wenn etwa ein Handwerker unwissentlich fehlerhaftes Material eingekauft und verbaut hat, kann er seinen Lieferanten in Regress nehmen und den Ersatz seiner Aufwendungen geltend machen, und zwar nicht nur für das Baumaterial, sondern, ganz wichtig, auch für dessen Ein- und Ausbau. Richtig ist sicher auch, dass der Lieferant das mangelhafte Material nicht selbst ausbauen darf. Neu geregelt wird etwa auch die fiktive Abnahme. Künftig soll sie möglich sein, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werkes eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Insgesamt folgt aus dem neuen Bauvertragsrecht ein neues Leitbild für AGB. Dadurch wird sich das Kräfteverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ausgewogener als bisher gestalten und es wird hoffentlich weniger Konflikte geben. Beides muss sich in der Praxis jedoch erst noch erweisen.

Sie haben den ursprünglichen Entwurf des Bauvertragsrechts intensiv begleitet. Gibt es Details, die im Zuge des anschließenden Gesetzgebungsverfahrens verloren oder verwässert worden sind?

Ja, mir fallen schon ein paar Dinge ein, z. B die Regelung der Mängelrechte von der Abnahme und Regelungen zur Äußerung von Bedenken durch Auftraggeber bzw. Reaktion auf Bedenken durch Auftragnehmer. Komplett fehlten auch die spezifischen Regelungen zum Bauträgervertrag. Diese sind derzeit nur Platzhalter. Und es ist sicherlich zu überlegen ob bestimmte Regelungen zum Verbraucherschutz zu kurz springen. Dazu gehört etwa die Verpflichtung der gesetzlichen Sicherheitsleistungen durch den Verbraucher, wie sie jetzt in Paragraph 648a Absatz 6 geregelt sind, die in der Neuregelung nur noch für die sogenannten Verbraucherbauverträge eine Befreiung mit sich bringen. Beim Anordnungsrecht wurde im Laufe der Beratungen von vielen Seiten eingegriffen, sodass die ursprüngliche geplante Fassung nicht umgesetzt wurde. Diese hätte zu noch mehr Klarheit geführt.

Das klingt ja fast so, als wäre das neue Bauvertragsrecht ein Fehlschlag, oder?

Auch wenn ich einige Details kritisch sehe (lacht), halte ich das Gesetz insgesamt für gelungen. Es wird für deutlich klarere Verhältnisse sorgen und viele der bisherigen Defizite der Gesetzeslage nach BGB wirkungsvoll ausgleichen. Mit dem voraussichtlichen Inkrafttreten Anfang 2018 müssen sich alle Beteiligten erst einmal umstellen. In der Beratungspraxis wird es jedoch kaum Änderungen geben, da wir über die gleichen Probleme sprechen werden, wie vor der Reform. Aber wir werden uns an neue Begriffe und Abläufe gewöhnen müssen und hoffentlich von der Neuregelung profitieren.

Herr Lenkeit, wir danken Ihnen für das Gespräch.