Vorunternehmer muss auf fehlende Eignung seiner Leistung hinweisen!

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.11.2019 - 23 U 208/18; BGH, Beschluss vom 17.06.2020 - VII ZR 272/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB §§ 242, 633, 634 Nr. 3, § 637 Abs. 3

1. Es ist nicht die Aufgabe des Vorunternehmers, auf eine hinreichende Koordinierung der Arbeiten hinzuwirken. Etwas anderes gilt, wenn er mit eventuellen Risiken rechnen muss, etwa weil seine Leistung als Grundlage für die auf ihr aufbauenden Nachfolgeleistungen nicht geeignet ist.
2. In einer nicht geeigneten Vorleistung kann ein Mangel in Form der Funktionsuntauglichkeit des Werks liegen.
3. Der Vorunternehmer ist bei einer ungeeigneten Vorleistung nach Treu und Glauben verpflichtet, den nachfolgenden Unternehmer oder den bauüberwachenden Architekten darauf hinzuweisen, wie bei den nachfolgenden Arbeiten verfahren werden muss.
4. Eine Hinweispflicht des Vorunternehmers ist immer dann anzunehmen, wenn erkennbar die Gefahr besteht, dass der Nachfolgeunternehmer auch bei Anwendung der anerkannten Regeln der Technik nicht zu erkennen vermag, ob die Vorleistung für ihn eine geeignete Arbeitsgrundlage ist und in welcher Weise er seine eigene Leistung fachgerecht der Vorleistung anzupassen hat, um Mängel zu vermeiden.

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) beauftragte bei einem Neubauvorhaben einen Auftragnehmer (AN 1) mit der Lieferung von Fenstern und deren Einbau und einen zweiten Auftragnehmer (AN 2) mit den Innenputzarbeiten. Nach der Fertigstellung moniert der AG, dass sich sechs Schrägfenster nur um ca. 50 Grad öffnen lassen. Ursächlich hierfür sei nach dem AG, dass der AN 1 Bänder mit versetztem Drehpunkt verwendet und die Winddichtigkeitsfolie entgegen der Planung auf die Blendrahmen der Fenster aufgeklebt habe, wodurch der Putzauftrag des AN 2 den Öffnungswinkel der Fenster zu sehr beeinträchtige. Der AN 1 wendet insbesondere ein, dass seine Leistung technisch keinen Mangel darstelle. Der AG klagt auf Vorschuss.

Entscheidung

Mit Erfolg! Es liege ein Mangel der Werkleistung des AN 1 vor. Zwar sei der Einbau der Fenster als solcher nicht zu beanstanden, da dem AN 1 weder zur Last zu legen sei, dass er Bänder mit versetztem Drehpunkt verwendet habe, noch, dass er die Winddichtigkeitsfolie auf die Blendrahmen der Fenster aufgeklebt habe. Es sei jedoch nach den obigen Leitsätzen 1 bis 4 eine Pflichtverletzung, dass der AN 1 weder den AN 2 als für das Folgegewerk zuständigen Werkunternehmer noch den bauleitenden Architekten darüber informiert habe, dass der erforderliche Öffnungswinkel nicht mehr erreicht werden würde, wenn die entgegen der ursprünglichen Planung außen auf den Rahmen angebrachten Folien verputzt und nicht lediglich mit einer Leiste abgedeckt werden würden. Schließlich hätten nach dem Ergebnis der Sachverständigenbegutachtung im Fall des entsprechenden Hinweises des AN 1 Ausführungsmöglichkeiten bestanden, die einen ausreichenden Öffnungswinkel gewährleistet hätten.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass der Unternehmer auf Gefahren für den Werkerfolg hinweist. Die Hinweispflicht des Auftragnehmers betrifft zwar grundsätzlich nur Vorleistungen, nicht auch etwaige Nachfolgearbeiten oder deren Koordinierung. Die Rechtsprechung hat aber auch schon früher entschieden, dass entsprechende Hinweise des Vorunternehmers ausnahmsweise zu erfolgen haben (vgl. OLG München, IBR 2012, 512: für Arbeiten an einem Wärmedämmverbundsystem, die dazu führten, dass ein regensicherer Anschluss nicht hergestellt werden konnte).

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Philipp Scharfenberg