In welchem Verhältnis haften Planer und Bauunternehmer für planungsbedingte Baumängel?

In welchem Verhältnis haften Planer und Bauunternehmer für planungsbedingte Baumängel?

OLG Stuttgart, Urteil vom 31.07.2018 - 10 U 150/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)

1. Ein Gesamtschuldverhältnis entsteht zwischen einem Architekten und einem Bauunternehmer, wenn beide zum Entstehen eines Mangels am Bauwerk beigetragen haben. Auf welche Weise der Mangel beseitigt wird, ist für das Entstehen einer Gesamtschuld unerheblich.*)

2. Beim Gesamtschuldner-Innenausgleich zwischen einem Architekten und einem Bauunternehmer richtet sich die Höhe nach den jeweiligen Verursachungsbeiträgen beider Gesamtschuldner, wobei jeweils diejenige Partei, die eine überwiegende Verursachung eines Mangels am Bauwerk durch die andere Partei behauptet, einen über den jeweiligen Kopfteil hinausgehenden Verursachungsanteil des anderen Gesamtschuldners zu beweisen hat.*)

3. Ein planerisches Mitverschulden ist im Gesamtschuldnerausgleich (nur dann) zu berücksichtigen, wenn der Unternehmer das planerische Mitverschulden gegenüber dem Bauherrn nicht mit Erfolg eingewendet hat.*)

4. Im Verhältnis zwischen einem planenden und/oder überwachenden Architekten und einem Bauunternehmer gibt es keine Vermutung für ein Übergewicht eines bestimmten Verursachungsanteils (Planungsverschulden, Überwachungsverschulden oder Ausführungsverschulden). Vielmehr hat die Gewichtung der Haftungs- und Verantwortungsanteile unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls individuell zu erfolgen.*)

5. Die Festlegung der Haftungsverteilungsquote und damit die Bewertung und Gewichtung der einzelnen festgestellten Verursachungsbeiträge ist als Rechtsfrage vom Gericht eigenständig zu entscheiden. Grundlage hierfür können Ausführungen eines Sachverständigen zur Bedeutung eines Mitverursachungsanteils aus (bau-)technischer Sicht sein.*)

6. Die Verursachungsanteile der einzelnen Gesamtschuldner können mit einem Punktesystem ermittelt werden, das die Bedeutung des Verursachungsbeitrags im Bauablauf und für die Höhe des Schadens sowie den Grad des Verschuldens berücksichtigt.*)

OLG Stuttgart, Urteil vom 31.07.2018 - 10 U 150/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)

BGB §§ 254, 280 Abs. 1, §§ 421, 426 Abs. 1, 2, § 631 Abs. 1, § 633 Abs. 1, 3, § 634 Nr. 4

Problem/Sachverhalt

Ein Bauträger beauftragt den Unternehmer (U) mit Außenputzarbeiten auf der Grundlage der Planung des Architekten (A), der auch mit der Objektüberwachung beauftragt ist. Wegen Rissen in der Fassade verklagt der Bauträger U und A als Gesamtschuldner erfolgreich auf Zahlung von rund 90.000 Euro, die A nach Aufforderung zu 50% an den Bauträger zahlt. A nimmt U im Wege des Innenregresses auf Erstattung dieser Zahlung in Anspruch.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Mustergültig dekliniert das OLG den Innenausgleich unter Gesamtschuldnern wegen Ausführungs-, Planungs- und Überwachungsmängeln durch (siehe Leitsätze). Im Ergebnis entspricht der von A im Außenverhältnis gezahlte Betrag auch seinem Verursachungsanteil im Innenverhältnis.

Praxishinweis

Unverständlich bleibt, warum sich die als Gesamtschuldner verklagten A und U im Erstprozess nicht wechselseitig den Streit verkündet haben. Dies hätte den Regressprozess deutlich vereinfacht.

RA und FA Bau- und Architektenrecht Prof. Dr. Heiko Fuchs, Mönchengladbach

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