Nachfolgender Architekt muss Vorplanung nicht ohne Anlass prüfen!

OLG Hamm, Urteil vom 31.01.2018 - 12 U 23/17 (nicht rechtskräftig)

1. Nach einem Wechsel des Planers in der Leistungsphase 3 muss der nachfolgende Planer eine im Rahmen des Leistungsphasen 1 und 2 getroffene Systementscheidung - hier: Einbau einer Befeuchtungsanlage - nicht infrage stellen und neu planen. 2. Der nachfolgend beauftragte Planer muss die Vorplanung nur dann auf Richtigkeit überprüfen, wenn es Anhaltspunkte für Fehler gibt.

OLG Hamm, Urteil vom 31.01.2018 - 12 U 23/17 (nicht rechtskräftig)

BGB §§ 631, 633, 634 Nr. 4; HOAI 2002 § 73

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) beauftragt zur Realisierung eines Bürohochhauses einen ersten TGA-Planer. Im Rahmen der Entwurfsplanung wurde ein Erläuterungsbericht erstellt. Dieser sieht eine unterstützende Lüftungsanlage vor, da eine jederzeitige Fensterbelüftung nicht möglich war. Eine Befeuchtung der Zuluft war nicht vorgesehen. Der Vertrag mit dem ersten TGA-Planer wird im Rahmen der Leistungsphase 3 beendet. Der AG beauftragt einen zweiter TGA-Planer mit den Leistungsphasen 3 bis 9. Bei der Leistungsphase 3 wird die Überarbeitung der vorhandenen Planung als geschuldete Planungsleistung vereinbart. Der AG überlässt dem zweiten TGA-Planer die vorhandene Entwurfsplanung, nicht aber die Vorplanung des Vorgängers. Nach Fertigstellung moniert der AG, dass die Mindestwerte für Feuchtigkeit nicht erreicht würden. Es fehle an einer Befeuchtungsanlage. Dies führe zu Einschränkungen bei der Nutzung. Der AG beansprucht für die Ertüchtigung Schadensersatz von 110.000 Euro vom zweiten TGA-Planer.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Die eigene Planung des Zweitplaners ist mangelfrei. Das Objekt kann auch ohne zusätzliche Befeuchtung als Büro genutzt werden, so dass der Vertragszweck erfüllt ist. Es gehörte nicht zu den Pflichten des zweiten TGA-Planers, eine Befeuchtungsanlage zu planen. Diese Aufgabe fällt in die Leistungsphasen 1 und 2. Diese Leistungen hatte der zweite TGA-Planer nicht zu erbringen. Er hatte die Leistungsphase 3 nur insoweit zu erbringen, als die vorliegende Planung überarbeitet werden sollte. Hieraus ergibt sich keine Pflicht, die Leistungsphasen 1 und 2 neu zu erbringen. Vielmehr war das vorhandene Konzept zu realisieren und zu überprüfen, ob das bisher richtig geschehen ist. Dies schließt Planungsleistungen in Bezug auf das "Ob" einer Befeuchtungsanlage nicht ein. Es besteht auch keine Verantwortlichkeit für etwaige Planungsfehler des Vorgängers. Ein nachfolgend beauftragter Planer muss die Vorplanung nicht ohne Anhaltspunkte für Fehler auf ihre Richtigkeit überprüfen. Es besteht lediglich eine Hinweispflicht: Der nachfolgende Planer muss Fehler des vorher tätigen Kollegen bei durchschnittlich zu erwartenden Kenntnissen eines Planers bemerken. Eine Befeuchtung von Raumluft ist aber regelmäßig nicht erforderlich. Es gibt keine anerkannte Regel der Technik, wonach bei Einbau einer Belüftungsanlage in Büroräumen zusätzlich eine Befeuchtungsanlage erforderlich ist. Es lag deshalb kein Planungsfehler des Erst-Planers vor, der vom Zweit-Planer hätte erkannt werden müssen.

Praxishinweis

Der Architekten- und Ingenieurvertrag ist ein Werkvertrag. Dieser ist nur dann erfüllt, wenn der geschuldete Erfolg eintritt. Wenn dies nicht der Fall ist, muss geprüft werden, ob die Leistung des Zweitplaners mangelhaft ist. Dies ist der Fall, wenn er selbst vertragliche Vereinbarungen oder die anerkannten Regeln der Technik nicht einhält. Dies ist aber auch dann der Fall, wenn die Vorleistung des Erstplaners fehlerhaft ist und er dies erkennen konnte. Dann muss er, um sich von der Mängelhaftung zu befreien, auf Bedenken zur Vorleistung hinweisen. Hat er nicht hingewiesen, liegt eine mangelhafte Leistung vor. Dies gilt bei ausführenden Unternehmen in gleicher Weise auf Grundlage von § 4 Abs. 3 VOB/B; beim Planervertrag wird dies aus § 242 BGB hergeleitet. Achtung: Erfolgt ein Hinweis des Planers, der gegebenenfalls nicht ausreicht, um die Mängelhaftung zu beseitigen, ist der Versicherungsschutz gefährdet, weil der Planer möglicherweise bewusst pflichtwidrig gehandelt hat.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Walter Klein, Köln

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