Honorarabrechnung des Tragwerkplaners: Dürfen anrechenbare Kosten geschätzt werden?

OLG Hamm, Urteil vom 06.03.2017 - 17 U 100/15

1. Erteilt der Auftraggeber dem Tragwerksplaner nicht die für die Mindestsatzabrechnung erforderlichen Informationen zu den anrechenbaren Kosten der Kostengruppen 300 und 400, ist die Abrechnung des Tragwerksplaners dennoch schlüssig, wenn er Kosten zu Grunde legt, die er sorgfältig geschätzt hat.

2. Der Auftraggeber kann der Abrechnung auf Schätzbasis nur wirksam entgegentreten, indem er die tatsächlichen Kosten so präzise darlegt, dass sie die Aufstellung einer Kostenberechnung ermöglichen und indem er zugleich die dazugehörigen Unterlagen vorlegt.

OLG Hamm, Urteil vom 06.03.2017 - 17 U 100/15

HOAI 2009 § 7 Abs. 1, 5, 7

Problem/Sachverhalt

Der klagende Tragwerksplaner rechnete seine Leistungen auf Basis geschätzter anrechenbarer Kosten nach Mindestsatz ab. Das Landgericht wies die Klage ab und verurteilte die Beklagte gemäß dem hilfsweise gestellten Auskunftsantrag. Die vom Auftraggeber im Rahmen der Auskunft vorgelegte Kostenberechnung wies deutlich geringere anrechenbare Kosten aus als vom Tragwerksplaner geschätzt. Mit der Berufung verfolgt der Tragwerksplaner dennoch seine Abrechnung auf Basis der Schätzkosten weiter.

Entscheidung

Zu Recht! Der Tragwerksplaner hat seiner Darlegungslast bereits dann genügt, wenn er aufgrund der ihm zugänglichen Unterlagen und Informationen den Anteil der anrechenbaren Kosten sorgfältig schätzt (BGH, IBR 1995, 64; OLG Düsseldorf, IBR 1996, 337; OLG Hamm, IBR 1991, 446; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 12. Teil Rz. 311). Ein einfaches Bestreiten des beklagten Auftraggebers hiergegen reicht nicht aus; er muss vielmehr hierzu unter Vorlage von Unterlagen konkret Stellung nehmen (BGH, IBR 1995, 64; OLG Düsseldorf, IBR 1999, 426). Erst wenn der Auftraggeber die Schätzung des Auftragnehmers auf diese Weise substanziiert bestritten hat, obliegt es dem Auftragnehmer, seinen Sachvortrag zu den Berechnungsgrundlagen gegebenenfalls zu ergänzen (BGH, IBR 1995, 64).

Praxishinweis

Die HOAI geht ganz selbstverständlich davon aus, dass der Planer seiner Abrechnung die Kostenberechnung (bzw. Kostenschätzung) zu Grunde legen kann. Beim Tragwerksplaner, der auf Basis der Kostengruppen 300 und 400 abrechnet, aber auch bei einem Architekten, der beispielsweise erst mit der Leistungsphase 5 beauftragt wird, ist das jedoch nicht ohne Weiteres der Fall. Die Rechtsprechung begegnet diesem Informationsgefälle damit, dass sie die Darlegungshürden des Planers senkt und des Auftraggebers anhebt. Dem Planer wird damit die Möglichkeit eröffnet, ohne den langen Weg der Stufenklage unmittelbar auf Leistung zu klagen. Einziger Wehrmutstropfen: Nur wenn der Planer die anrechenbaren Kosten und damit sein Honorar zu hoch schätzt, wird der Auftraggeber alle Karten auf den Tisch legen.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Alexander Hoffmann, Düsseldorf

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