Sitzungssaal im Gerichtshof der Euroäischen Union

Trotz EuGH-Urteil: HOAI ist notwendig und sollte erhalten bleiben

Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) kann bestehen bleiben, wenn die Ermächtigungsgrundlage und die Regelungen selbst geändert werden. Dies sagt Rechtsanwältin Diercks-Oppler, Vorsitzende des Gesetzgebungsausschusses für privates Bau- und Architektenrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), anlässlich des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der durch die HOAI die Dienstleistungsfreiheit verletzt sieht (Rs.: C-377/17).

„Wir brauchen die HOAI auf jeden Fall auch weiterhin“, sagt Diercks-Oppler. Welch wichtige Funktion die HOAI beim Bauen habe, könne man aus den Argumenten ablesen, die Deutschland in dem Verfahren vorgetragen und die der EuGH in großen Teilen akzeptiert hat. „Die HOAI ist längst mehr als eine reine Honorarordnung“, fügt die Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht hinzu.

Argumente des Europäischen Gerichtshofs

Der EuGH hat drei Voraussetzungen aufgestellt, an denen er die Zulässigkeit der HOAI misst. Das Vorliegen zweier Voraussetzungen hat er bejaht.  Demnach ist die HOAI ist nicht diskriminierend. Zudem ist sie erforderlich, insbesondere um die Qualität der Dienstleistung zu wahren, die Baukultur zu erhalten, ökologisches Bauen zu fördern und die Verbraucher zu schützen.

Die dritte Voraussetzung, dass die vom Mitgliedstaat getroffene Maßnahme verhältnismäßig ist, gliedert der Europäische Gerichtshof wiederum in drei Untervoraussetzungen: Eignung der Maßnahme für das Ziel, nicht mehr Maßnahmen, als zur Erreichung des Ziels erforderlich sind und das Fehlen weniger einschneidender Maßnahmen zur Erreichung des Ziels.

Die HOAI scheitert hier bereits an der ersten Voraussetzung, der Eignung. Zwar bestätigt der EuGH, dass die HOAI geeignet sein könnte, einen Preiskampf zu vermeiden, der langfristig die Qualität der Leistung bedroht. Den Luxemburger Richtern fehlten mit Blick auf die Mindestsätze jedoch die Kohärenz und die systematische Verfolgung der Ziele. Denn in Deutschland kann jeder Planungsleistungen erbringen, nicht nur Architekten und Ingenieure. Für die Zulässigkeit der Höchstsätze fehlt es dem EuGH zufolge an der Verhältnismäßigkeit, weil Deutschland keine Gründe vorgetragen hat, aus denen die Vorgabe einer Preisorientierung für die Kunden nicht zur Erreichung der mit der HOAI verfolgten Ziele  geeignet sei.

Planen will gelernt sein

„An der Entscheidung des EuGH lässt sich ablesen: Dienstleistungsfreiheit bedeutet eben nicht, dass es jedem erlaubt sein muss, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben“, sagt Rechtsanwältin Diercks-Oppler. Der EuGH habe in Bezug auf die Mindestsätze genau das kritisiert. „Der Gesetzgeber darf Tätigkeiten kanalisieren, er muss allerdings deutlich machen, dass es ihm damit ernst ist“, fügt die Rechtsanwältin hinzu. Dann könne man von kohärentem und systematischem Anstreben des Ziels sprechen.

Die Planung – das Herzstück des Bauens

„Die HOAI ist weit mehr als eine bloße Preisliste, weil Planungen nicht nur Bauwerke konzipieren, sondern auch Lebensräume und Lebensqualität“, erklärt Anwältin Diercks-Oppler. Das habe der DAV bereits in seiner Stellungnahme zur Neufassung der HOAI ihm Jahr 2011 betont. Eine neue HOAI sollte dem Planer mehr Raum geben, um die Herausforderungen der Zukunft, insbesondere in den Bereichen Klimaschutz, Umwelt und Digitalisierung, zu lösen, weil Planungen unsere Zukunft gestalten.

„Vorstellbar ist auch, dass der Gesetzgeber sich zu einem wirklich mutigen Schritt durchringt und für Planung und Bau wieder eine einheitliche ministerielle Zuständigkeit schafft, weil sich gezeigt hat, dass die Zersplitterung der Zuständigkeiten dem Bauen schadet“, sagt Diercks-Oppler.