Gemeinschaftseigentum nicht abgenommen: Erfüllungsansprüche nach 10 Jahren verjährt!

OLG Köln, Urteil vom 21.08.2020 - 19 U 5/20 BGB §§ 195, 199 Abs. 4, § 204 Abs. 1, §§ 214, 631, 633, 634a Abs. 1, 2

1. Der Bauträger ist zur Leistungsverweigerung berechtigt, wenn die Erfüllungsansprüche der Erwerber aus den Bauträgerverträgen, die der Errichtung des Objekts zu Grunde liegen, verjährt sind.

2. Ist eine Abnahme des Objekts nicht erfolgt, verjähren die Erfüllungsansprüche der Erwerber 10 Jahre nach Vertragsschluss.

Problem/Sachverhalt

Ein Bauträger (B) errichtete eine Wohnungseigentumsanlage. Die Kaufverträge sahen eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), vertreten durch den Verwalter unter Hinzuziehung eines Sachverständigen vor; eine entsprechende Abnahmehandlung erfolgte am 27.06.2006. Am 27.05.2011 leitete die WEG (nach vorangegangenem Beschluss zur Vergemeinschaftung der Mängelrechte) ein Beweisverfahren wegen Baumängeln gegen B ein. 2018 leitete die WEG wegen anderer Mängel ein weiteres Beweisverfahren ein. Dessen Ausgang wartete B nicht ab, sondern erhob 2019 Klage gegen die WEG auf Feststellung, dass Ansprüche auf mangelfreie Herstellung, soweit sie nicht schon im ersten Beweisverfahren rechtshängig sind, spätestens seit dem 31.05.2016 verjährt sind. Das LG Köln hielt die Klage für unzulässig und verwies B darauf, erst einmal den Abschluss des (zweiten) Beweisverfahrens abzuwarten.

Entscheidung

Nicht so das OLG Köln! Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Beweisverfahren und Hauptsacheverfahren können parallel betrieben werden, wie sich u. a. aus der Formulierung des § 485 Abs. 1 ZPO ("vor oder während") ergibt, weshalb B nicht den Ausgang des Beweisverfahrens abwarten musste. Die WEG ist infolge der Vergemeinschaftung der Mängelrechte auch passivlegitimiert; dass die einzelnen Miteigentümer Anspruchsinhaber bleiben, steht dem nicht entgegen, sondern entspricht dem Wesen der Prozessstandschaft. Begründet ist die Klage, weil die streitgegenständlichen (Mängel-)Ansprüche der Miteigentümer verjährt sind. Die vermeintliche Abnahme am 27.06.2006 kann dahinstehen, denn selbst wenn sie als Abnahmefiktion eine verjährungsfristauslösende Wirkung hätte, wäre die fünfjährige Verjährungsfrist (vgl. § 634a Abs. 1 Nr. 2, § 634a Abs. 2 BGB) bereits 2011 abgelaufen. Der bei nicht erfolgter Abnahme anzunehmende Primärleistungsanspruch ist gem. § 199 Abs. 4 BGB (10-jährige Verjährungshöchstfrist) verjährt. Entstanden ist der Erfüllungsanspruch mit Vertragsschluss, wobei man davon ausgehen kann, dass die Bauträgerverträge vor dem 26.06.2006 abgeschlossen wurden. Folglich war die 10-Jahres-Frist im Verlauf des Jahres 2016 abgelaufen, so dass das im Jahr 2017 eingeleitete Beweisverfahren keine Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB mehr bewirken konnte.

Praxishinweis

Die Abnahme war eine "vermeintliche", weil eine Delegation (auf die WEG) nach zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung (siehe nur OLG Hamburg, IBR 2020, 128) unwirksam ist. Nach dem OLG Köln ist der Bauträger in Fällen fehlender oder unwirksamer Abnahme spätestens nach 10 Jahren verjährungsrechtlich "aus dem Schneider". Diese Auffassung ist aber streitig. Zu bedenken ist nämlich, dass die Erwerber (bzw. die WEG in Ausübung der vergemeinschafteten Rechte ihrer Miteigentümer) jederzeit noch die Abnahme erklären und damit unverjährte Mängelansprüche entstehen lassen können. Vor diesem Hintergrund hat das OLG Hamm (IBR 2019, 425) zutreffend das Gegenteil der Auffassung des OLG Köln vertreten: "Eine Verjährung der Erfüllungsansprüche für Mängel des Werks tritt nicht ein, solange das Werk nicht abgenommen ist, weil das Gesetz die Verjährung der Gewährleistungsansprüche erst mit der Abnahme beginnen lässt." Der BGH hat die Frage in der vom OLG Hamm zugelassenen Revision offengelassen (BGH, IBR 2020, 387). Das OLG Köln hat dieses Problem nicht thematisiert.

 

RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, FA für Bau- und Architektenrecht Dr. David Greiner, Tübingen