Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist und bleibt Erwerbersache!

OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.04.2018 - 12 U 197/16; BGH, Beschluss vom 02.12.2020 - VII ZR 113/18 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB §§ 170, 307, 640; WEG § 10 Abs. 2

Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrags verwendete Klausel ist nicht nur dann unwirksam, wenn die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Bauträger selbst als Erstverwalter erfolgen kann, sondern auch dann, wenn die Abnahme durch einen Sachverständigen ermöglicht wird, der durch den Bauträger selbst oder eine in seinem Lager stehende Person benannt und beauftragt wird.

Problem/Sachverhalt

Entscheidungen über die (Un-)Wirksamkeit von Klauseln zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Bauträger als Erstverwalter, einen Sachverständigen, den TÜV oder einen Abnahmeausschuss in von Bauträgern gestellten Erwerbsverträgen gehören zu den "Klassikern" des Bauträgerrechts. In der Regel werden derartige Klauseln wegen unangemessener Benachteiligung der Erwerber von den Gerichten "gekippt" (z. B. OLG Frankfurt, IBR 2020, 593). In dem vom OLG Brandenburg zu entscheidenden Rechtsstreit war in § 10 Abs. 1 der Erwerbsverträge vorgesehen, dass die Abnahme sämtlicher Leistungen durch die Erwerber erfolgt. In § 10 Abs. 2 war geregelt, dass das Gemeinschaftseigentum durch einen (vom Bauträger) beauftragten Bausachverständigen abgenommen wird.

Entscheidung

Die Klausel des § 10 Abs. 2 des Erwerbsvertrags ist aus den im Leitsatz genannten Gründen unwirksam. Hinzu kommt, dass Abs. 1 und Abs. 2 des § 10 der Bauträgerverträge für die Erwerber widersprüchlichen Inhalt haben. Obwohl Abs. 1 noch eine Abnahme durch die Erwerber selbst vorsieht, ist in Abs. 2 - dem Wortlaut nach alternativlos - geregelt, dass die Abnahme durch einen beauftragten Bausachverständigen erfolgt. Schließlich fehlt es auch an einer Aufnahme der Widerruflichkeit der Abnahmevollmacht. Die Klausel greift in das originäre Abnahmerecht der Erwerber ein, weil sie suggeriert, dass sie im Verhältnis zum Bauträger nicht die Möglichkeit des § 170 BGB haben, die Abnahme durch den Bausachverständigen durch einen Widerruf der Vollmacht zu verhindern und jederzeit selbst die Abnahme zu erklären. Hierzu hätte es an dieser Stelle einer eindeutigen Regelung bedurft.

Praxishinweis

Jeder einzelne (Nachzügler-)Erwerber hat einen individuellen Anspruch auf insgesamt mangelfreies Gemeinschaftseigentum. Dementsprechend obliegt es ihm zu entscheiden, ob er das Gemeinschaftseigentum abnehmen will oder nicht. Dieser Anspruch ist auch nicht "vergemeinschaftungsfähig", weil der Wohnungseigentümergemeinschaft hierzu die Beschlusskompetenz fehlt (BGH, IBR 2016, 399). Daran hat sich durch die WEG-Reform 2020 nichts geändert. Der Bauträger kann deshalb nach wie vor nur versuchen, die sog. Nachzügler-Problematik durch eine wirksame Abnahmeklausel zu lösen. Dabei ist "entscheidend (...), dass dem Erwerber im Bauträgervertrag das eigene Abnahmerecht nicht entzogen wird, er transparent und ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass ihm ein eigenes Recht zur Abnahme zusteht und er die Möglichkeit erhält, die Abnahme auch selbst zu erklären, weshalb ihm der Abnahmetermin rechtzeitig bekannt gegeben werden muss. Er ist selbst dann ausreichend geschützt, wenn der Bauträgervertrag bestimmt, dass ein vom Bauträger ausgewählter Sachverständiger eine Abnahmebegehung durchführt und der Verwalter auf dessen Empfehlung die Abnahme stellvertretend für die Erwerber erklären soll. Der Erwerber kann die erteilte Vollmacht widerrufen, an der Begehung selbst teilnehmen und über die Abnahme entscheiden" (Karczewski, NZBau 2020, 349, 354).

RA Dr. Stephan Bolz, Mannheim