Bedenken können immer an angestellten Bauleiter gerichtet werden!

OLG Köln, Beschluss vom 05.10.2021 - 16 U 55/21 BGB §§ 633, 634 Nr. 2, § 637; VOB/B § 4 Abs. 3, § 13 Abs. 3

Der Grundsatz, dass dann, wenn der Bauleiter sich den vorgetragenen Bedenken des Werkunternehmers verschließt, der Bauherr selbst informiert werden muss, betrifft die Fälle, in denen der Bauleiter außerhalb der Sphäre des Bauherrn steht, insbesondere weil er mit dem Bauherrn durch einen Werkvertrag verbunden ist. Steht der Bauleiter in einem Arbeitsverhältnis mit dem Bauherrn, so gelangt der Bedenkenhinweis unmittelbar in die Sphäre des Bauherrn. Die den Hinweis missachtende Anweisung ist dann ebenfalls der Sphäre des Bauherrn zuzurechnen.*) 

 

OLG Köln, Beschluss vom 05.10.2021 - 16 U 55/21 

BGB §§ 633, 634 Nr. 2, § 637; VOB/B § 4 Abs. 3, § 13 Abs. 3 

 

Problem/Sachverhalt

Der Bauträger errichtet drei fünfgeschossige Häuser. Er beauftragt einen Architekten mit der Planung der Treppenhäuser und den Unternehmer mit der Verlegung der Natursteinplatten. Die VOB/B ist vereinbart. In einem vom Bauträger eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren stellt der Sachverständige fest, dass die Treppenstufen zu geringe Auftrittsbreiten haben, die bereits in den Plänen angelegt sind. Er geht deshalb von Ausführungs-, Planungs- und Bauleitungsfehlern aus. Die Beseitigungskosten i.H.v. 90.000 Euro verlangt der Bauträger vom Unternehmer als Kostenvorschuss. Der verteidigt sich damit, dass er mündlich gegenüber der Bauleitung des Bauträgers wegen zu geringer Auftrittsbreiten Bedenken angezeigt und diese ihn angewiesen habe, die Verlegearbeiten trotzdem auszuführen. Der Bauträger bestreitet einen korrekten Bedenkenhinweis. 

Entscheidung 

Das OLG spricht dem Bauträger einen Anspruch auf Vorschuss gem. §§ 633, 634 Nr. 2, § 637 BGB i.V.m. § 13 VOB/B ab. Der Unternehmer hat bewiesen, dass er dem als Bauleiter angestellten Mitarbeiter des Bauträgers einen mündlichen Hinweis auf die zu geringe Auftrittsbreite der Treppenstufen erteilt und dieser ihn zur Fortsetzung der Arbeiten angewiesen hat. Obwohl der Bauleiter den Bedenkenhinweis missachtet, muss der Unternehmer sich nicht zusätzlich direkt an den Bauträger wenden. Aus den in den Leitsätzen genannten Erwägungen gibt es keinen Anlass, den Bauträger als Bauherrn vor einer Untätigkeit des von ihm betriebsintern mit den Aufgaben der Bauleitung betrauten Mitarbeiters zu schützen. Der Hinweis des Unternehmers auf die zu geringe Auftrittsbreite ist eindeutig. Er bedarf daher in Bezug auf die Mangelhaftigkeit keiner weiteren Ausführung und befreit den Unternehmer von seiner Haftung. 

Praxishinweis 

Wegen der besonderen Nähe des Mitarbeiters zum Bauträger mag ein direkter Hinweis des Unternehmers an diesen entbehrlich sein. Das OLG bemüht zur Begründung eine "Sphärentheorie", unterlässt aber die Prüfung einer wirksamen Stellvertretung nach § 164 BGB. Auch für rechtsgeschäftliche Erklärungen des sachkundigen Mitarbeiters einer Bauvertragspartei gelten die Stellvertreterregeln (BGH, IBR 2011, 189; OLG Düsseldorf, IBR 2016, 94; OLG München, IBR 2013, 457; OLG Zweibrücken, IBR 2020, 288). Bei dem Bedenkenhinweis an den Mitarbeiter geht es um die Vermittlung des Zugangs einer Willenserklärung des Unternehmers an den Bauträger (§ 164 Abs. 3 BGB), bei der Anordnung zur Fortsetzung der Arbeiten um die Frage, ob die Willenserklärung dem Bauträger zugerechnet werden kann (§ 164 Abs. 1 BGB). Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass der Mitarbeiter des Bauträgers ein Stellvertreter mit Vertretungsmacht ist. Das OLG hätte daher die Voraussetzungen einer (Anscheins-/Duldungs-)Vollmacht prüfen müssen. 

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Prof. Thomas Karczewski, Hamburg  

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