Mündlicher Bedenkenhinweis reicht aus!

OLG Brandenburg, Urteil vom 29.07.2021 - 12 U 230/20 BGB §§ 242, 254; VOB/B § 4 Abs. 3

1. Seiner Bedenkenhinweispflicht kommt der Auftragnehmer nur nach, wenn er die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren der unzureichenden Vorgaben konkret darlegt, damit dem Auftraggeber die Tragweite der Nichtbefolgung hinreichend verdeutlicht wird.
2. Der Bedenkenhinweis hat zwar nach § 4 Abs. 3 VOB/B schriftlich zu erfolgen. Das bedeutet aber nicht, dass ein mündlicher Hinweis unerheblich ist. Vielmehr reicht ein mündlicher Hinweis aus, wenn dieser eindeutig, inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend ist.

OLG Brandenburg, Urteil vom 29.07.2021 - 12 U 230/20

BGB §§ 242, 254; VOB/B § 4 Abs. 3

 

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG), ein Spezialbauunternehmen im Bereich Bodenbeschichtungen, Hoch- und Tiefbau, beauftragte unter Einbeziehung der VOB/B den Garten- und Landschaftsbauer als Nachunternehmer (NU) insbesondere mit Pflasterarbeiten im Gehwegbereich eines Parkdecks. Als der AG Fugenverschiebungen an der Pflasterfläche rügte und den NU auf Mängelbeseitigungskostenvorschuss verklagte, berief sich dieser darauf, dass er aufgrund der geringen Aufbauhöhe schriftlich Bedenken angemeldet und die Gewährleistung insoweit abgelehnt habe. Das LG Potsdam verurteilte den NU zur Zahlung des Kostenvorschusses, da die schriftliche Bedenkenanmeldung inhaltlich nicht ausreichend gewesen sei. Hiergegen richtet sich die Berufung des NU.

Entscheidung

Mit Erfolg! Das OLG Brandenburg hebt das erstinstanzliche Urteil auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Das OLG bestätigt zunächst, dass die schriftliche Bedenkenanmeldung nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 3 VOB/B genügt, da lediglich pauschal mitgeteilt wird, dass aufgrund der geringen Aufbauhöhe Bedenken angemeldet werden und eine Gewährleistung für die Arbeiten abgelehnt wird. Seiner Bedenkenhinweispflicht nach § 4 Abs. 3 VOB/B (2012) kommt der Unternehmer nur nach, wenn er die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren der unzureichenden Vorgaben konkret darlegt, damit dem Besteller die Tragweite der Nichtbefolgung hinreichend verdeutlicht wird. Das Landgericht hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der NU ergänzend vorgetragen hat, dass der Vater des NU den Geschäftsführer des AG in einer Besprechung eingehend, verständlich und technisch präzise über die grundsätzliche Problematik geringer Aufbauhöhen im Fall der Herstellung von Flächenbelägen aus Betonwerksteinpflaster auf unterbauten Flächen unterrichtet und auf die möglichen Folgen, insbesondere über die Gefahr von Fugenverschiebungen, hingewiesen hat. Da ein mündlicher Hinweis dann ausreicht, wenn er eindeutig, inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend ist, hätte das Landgericht den hierzu angebotenen Beweis durch Vernehmung des Vaters des NU erheben müssen.

Praxishinweis

Nach dem BGH (Urteil vom 10.04.1975 - VII ZR 183/74, NJW 1978, 1217) ist ein mündlicher Bedenkenhinweis nicht geeignet, die Mängelhaftung gem. § 4 Nr. 3 VOB/B auszuschließen, "denn die schon aus § 242 BGB folgende Hinweispflicht des Auftragnehmers ist in § 13 Nr. 4, § 4 Nr. 3 VOB/B dahin verstärkt, dass die Bedenken schriftlich mitzuteilen sind, damit sie dadurch das erforderliche Gewicht erhalten". Ignoriert der Auftraggeber die zuverlässigen mündlichen Bedenkenhinweise, kann sich der Auftragnehmer auf ein Mitverschulden des Auftraggebers gem. § 254 BGB berufen, das im Einzelfall sogar dazu führen kann, dass der Auftraggeber die Mängelkosten allein tragen muss.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Jürgen Ripke, Hannover

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