Architekt muss auf nur "grob" geschätzte Baukosten hinweisen!

OLG Nürnberg, Urteil vom 24.09.2019 - 6 U 521/17; BGH, Beschluss vom 08.12.2021 - VII ZR 224/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB a.F. §§ 282, 633, 634, 635; BGB § 276; HOAI 1996 § 15

1. Eine Überschreitung der Baukosten kann als Mangel der Architektenleistung einzustufen sein, wenn die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung dahin getroffen haben, dass die Baukosten ein bestimmtes Limit nicht überschreiten dürfen. 
2. Der Architekt ist verpflichtet, im Rahmen der Grundlagenermittlung den wirtschaftlichen Rahmen eines privaten Bauherrn abzustecken und ihn dazu nach seinen Vorstellungen zu fragen. 
3. Nimmt der Architekt eine Kostenschätzung vor, muss die Schätzung zutreffend sein. Handelt es sich nur um eine grobe Schätzung, muss er über die Schwächen der Kostenangaben aufklären. 

OLG Nürnberg, Urteil vom 24.09.2019 -6 U 521/17; BGH, Beschluss vom 08.12.2021 - VII ZR 224/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) 

BGB a.F. §§ 282, 633, 634, 635; BGB § 276; HOAI 1996 § 15 

 

Problem/Sachverhalt 

Die Bauherren verlangen vom beklagten Architekten, seinerzeit mit der Vollarchitektur nach § 15 HOAI 1996 beauftragt, Schadensersatz wegen einer pflichtwidrigen Überschreitung der Bausumme und fehlerhafter Kostenschätzung. Die erste Kostenschätzung wies Kosten von 386.400 DM aus; schließlich stoppten die Bauherren die weitere Bauausführung und Vergabe von Bauaufträgen, weil die Kosten weit mehr als 400.000 DM betrugen. Zur Fertigstellung des Bauvorhabens mussten die Bauherren zur Nachfinanzierung weitere Darlehen aufnehmen. Nach der erstinstanzlichen Entscheidung sind zur Fertigstellung des geplanten Bauvorhabens mindestens brutto 555.489 Euro aufzuwenden. Das Landgericht nahm ein maximales Budget von 420.000 DM an und sprach den Bauherren einen Schadensersatz i.H.v. ca. 58.000 Euro zu. Gegen dieses Urteil legte der Architekt Berufung ein. 

Entscheidung 

Die Berufung ist (weitestgehend) unbegründet. Allerdings konnte eine Baukostenobergrenze im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung nicht bewiesen werden. Dem Architekten ist jedoch eine Pflichtverletzung anzulasten, dass er die Kostenvorstellungen der Bauherren schon nach seinem eigenen Vorbringen nicht erfragte und die Bauherren bezüglich der behauptet nur groben Kostenschätzung nicht über die Schwächen seiner Berechnung aufklärte. Auch nach dem alten Schuldrecht vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes trafen den Architekten die (Neben-)Pflichten, im Rahmen der Grundlagenermittlung den wirtschaftlichen Rahmen eines privaten Bauherrn abzustecken und den Bauherrn dazu gegebenenfalls nach seinen Vorstellungen zu fragen. Nimmt der Architekt in diesem Zusammenhang eine Kostenschätzung vor, muss die Schätzung zutreffend sein. Handelt es sich nur um eine grobe Schätzung, muss der Architekt über die Schwächen der Kostenangaben aufklären (vgl. BGH, IBR 2013, 284). Mit lnkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes haben sich nur die Anspruchsgrundlagen geändert, nicht die tatsächlichen Voraussetzungen der Haftung des Architekten, so dass seither nicht mehr nach einer Verletzung von Haupt- und Nebenpflichten zu differenzieren ist 

Praxishinweis 

Auch wenn eine Kostenobergrenze als Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien nicht angenommen werden kann, droht eine Haftung des Architekten, wenn dieser nicht aktiv nach dem Budget des Bauherrn fragt (vgl. OLG München, IBR 2015, 265). Nach der nunmehr im BGB (§ 650p Abs. 2) verankerten "Zielfindungsphase" hat der Planer dem Bauherrn frühzeitig eine Kosteinschätzung - in der Systematik der DIN 276 nicht vorgesehen - zur Abstimmung vorzulegen, die Basis für die Fortführung der Planung sein soll. 

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Janis Heiliger, Düsseldorf  

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