BIM als Kostenfalle?

Handelt es sich bei Leistungen, die im Wege der 3-D- oder 4-D-Gebäudemodellbearbeitung (Building Information Modeling, BIM) erbracht werden, um Grundleistungen der HOAI mit der Folge, dass ihre Abrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI erfolgen muss und zu vergüten ist? ARGE Baurecht-Mitglied Heiko Pleines räumt in seinem Kurzaufsatz mit Vorurteilen gegenüber der digitalen Planungsmethodik auf, geht auf aktuelle Gerichtsentscheidungen ein und befasst sich mit der Frage, welche Leistungsphasen der Grundleistungen der HOAI der Planer mittels der Erstellung des BIM-Modell ausführt und welche Vergütung der Auftraggeber dann nach den Mindestsätzen der HOAI hierfür zu bezahlen hat.

1. Vorbemerkung

BIM ist eine computergestützte Methode der vernetzten Datenmodellierung, aber kein Computerprogramm und vor allem kein verbindlich geklärter Begriff. Ein einfaches BIM umfasst die CAD-Planung in 3-D. Die Entwicklungsrichtung des BIM geht hin zur umfassenden Gebäudedatenmodellierung mit Abläufen und Terminen (4-D) und Kosten (5-D) unter Nutzung eines gemeinsamen elektronischen Kommunikationsraums aller Planungs- und Baubeteiligten.

2. Anwendung von BIM

BIM wird bereits in zahlreichen Ländern angewandt. In Deutschland ist eine zwingende Anwendung im Rahmen der Durchführung von öffentlichen Infrastrukturprojekten ab dem Jahr 2020 vorgesehen. Einen wichtigen Anstoß zur Nutzung von BIM in Deutschland sind Termine kostenseitig als gescheitert zu betrachtende Großprojekte wie die Philharmonie in Hamburg oder der BER in Berlin. Die Befürworter halten BIM für die „nächste technische Revolution in der Planung und Abwicklung von Projekten“ und eine Erscheinungsform des unaufhaltsamen technischen Fortschritts.

3. Kritiker von BIM

Die Kritiker halten zum einen die mit BIM verbundenen Erwartungen für überzogen und äußern andererseits Bedenken gegen die Realisierbarkeit sowie erhebliche Befürchtungen betreffend die unmittelbaren und  mittelbaren Folgen eines Einsatzes von BIM. Zum anderen ist noch nicht rechtssicher geklärt, welch Kosten durch BIM anfallen und wer diese zu tragen hat.

4. Frage der vergütungsrechtlichen Einordung in das System der HOAI

Die spannendste Frage auf der Vergütungsebene ist allerdings die, ob die HOAI der Nutzung von BIM entgegensteht, denn die HOAI ist reines Preisrecht. Insbesondere ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob BIM eine Grundleistung der HOAI darstellt oder stattdessen eine völlige Abkehr von der  Systematik, Abfolge und Schwerpunktsetzung der Leistungsbilder, ja sogar der Trennung der Fachdisziplinen. Diskutiert wird daneben, dass BIM jedenfalls nicht nur eine Besondere Leistung in Leistungsphase 2 der Objektplanung-Gebäude, sondern eine Methode darstellt, die das gesamte Bauvorhaben, das heißt alle Leistungsphasen, erfassen soll. Einzige Erwähnung der BIM in der HOAI findet sich in § 3 Abs. 3 S. 2 HOAI 2013 i.V.m. Anl. 10.1. Danach soll BIM eine Besondere Leistung darstellen mit der Folge, dass hierüber eine freie Preisvereinbarung möglich ist, da nur die Grundleistungen der Leistungsbilder der HOAI zwingend das Preisrecht der HOAI bewirken und Vereinbarungen unterhalb dieser Mindestsätze unwirksam sind und schriftlich getroffen werden müssen.

5. Erste gerichtliche Entscheidung LG Paderborn

Mit diesen Fragen befassten sich jetzt, soweit ersichtlich, erstmal die Gerichte. Dem Landgericht Paderborn (Urteil vom 06.07.2017 – 3 O 418/16) lag folgender Sachverhalt zugrunde:. Für ein aus mehreren Bürogebäuden und Logistikhallen bestehendes Bauvorhaben wurde der Architekt seitens des Auftraggebers, der ein größeres Projekt akquirieren wollte, damit beauftragt, die voraussichtlich anfallenden und benötigten Massen auf Grundlage von Planunterlagen des Auftraggebers zu ermitteln. Die ermittelten Massen sollten in ein BIM-Modell eingepflegt und dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Nachdem feststand, dass ein GU-Vertrag seitens des Auftraggebers nicht akquiriert werden konnte, einigten sich die Parteien auf eine pauschale Vergütung in Höhe von 4.629,10 €. Dieser Betrag wurde gezahlt. In der Folge kamen ursprünglich vom Architekten erwartete weitere Aufträge nicht zustande und er erstellte daraufhin eine weitere, diesmal unter Anwendung der Mindestsätze der HOAI berechnete Schlussrechnung über Teilleistungen der Leistungsphasen 3 und 6 in Höhe von 151.110,86 €. Der Auftraggeber verweigerte die Zahlung. Der Architekt klagte sein Honorar vor dem Landgericht Paderborn ein. Das Landgericht Paderborn wies die Klage nach durchgeführter Beweisaufnahme ab und begründete dies damit, dass der AN zwar unstreitig mit einer Massenberechnung beauftragt worden sei, jedoch nicht beweisen konnte, auch mit der Erstellung einer Entwurfsplanung nach Leistungsphase 3 bzw. eines Leistungsverzeichnisses nach Leistungsphase 6 der HOAI beauftragt worden zu sein. Die bei Berechnung der Massen im Rahmen der Anwendung der BIM-Methode durch den AN „quasi nebenbei“ „programmbedingt“ erstellte Entwurfsplanung sei zur Erfüllung des Auftrags nicht notwendig gewesen und „als Nebenprodukt“ daher auch nicht vergütungspflichtig.

6. Berufungsverfahren OLG Hamm

Hiergegen legte der Architekt Berufung vor dem OLG Hamm (Az.: I-24 U 103/17) ein. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem OLG Hamm am 02.07.2018 vertrat das Gericht folgende vorläufige Rechtsauffassung: Allein aus der Anwendung der BIM-Methode durch den Planer erwächst keine gesonderte Vergütungspflicht nach der HOAI. Allerdings können und sind diejenigen Leistungen, die für die Erarbeitung eines BIM-Modell erforderlich sind und zu den Grundleistungen der HOAI zählen, zwingend nach der HOAI abzurechnen und zu vergüten. Nur die besondere Art als Verwendung für ein BIM-Modell kann eine Besondere Leistung darstellen, die frei vereinbar und außerhalb der HOAI zu vergüten sei. Die übrigen  Leistungen, soweit Grundleistungen nach der HOAI, müssen zwingend nach der HOAI abgerechnet werden. Vorliegend mangelt es an einer wirksamen abweichenden Vereinbarung der Parteien und einem Ausnahmetatbestand in der HOAI, die es rechtfertigen, von den Mindestsätzen der HOAI abzuweichen. Daher sei dem Grunde nach die streitgegenständliche Honorarabrechnung nach der HOAI nicht zu beanstanden. Allerdings müsse weiter aufgeklärt werden, welche Vertragsleistungen denn tatsächlich beauftragt wurden, ob sie den Grundleistungen der HOAI zuzuordnen sind und ob diese Grundleistungen durch den Architekten im Rahmen des von ihm erstellten BIM-Modells auch tatsächlich erbracht worden sind. Nur dann greift das zwingende Preisrecht der HOAI auch für die BIM-Planungsmethode. Insoweit schließt sich das OLG Hamm der in der Literatur vertretenen Auffassung an, wonach die HOAI methodenneutral und daher grundsätzlich auch beim Einsatz von BIM anzuwenden ist. Da sich die Parteien dieses Rechtsstreits nach den Hinweisen des Gerichtes und durchgeführter Beweisaufnahme durch Einvernahme der Zeugen einigten, bleibt die oben gestellte Frage nach wie vor obergerichtlich nicht entschieden. Aufgrund der vorläufigen Rechtsauffassung des OLG Hamm dürfte sich allerdings die erstinstanzlich vertretene Auffassung des LG Paderborn nicht durchsetzen.

7. Schlussbemerkungen/Aussichten

Damit stellt sich für jeden Auftraggeber, der Architektenleistungen nach der BIM-Methode beauftragt, künftig das Problem, welche Leistungsphasen der Grundleistungen der HOAI der Planer mittels der Erstellung des BIM-Modell ausführt und welche Vergütung er dann nach den Mindestsätzen der HOAI hierfür zu bezahlen hat. Für den Planer bleibt es auch im Zeitalter von BIM: Er muss beweisen, was konkret beauftragt worden ist. Der Auftraggeber muss die beauftragten und erbrachten Leistungen bezahlen – und nur diese. Die Vertragspartner von Leistungen mit der BIM-Methode sind daher gut beraten, die Frage der Vergütung vor Ausführung der Leistungen im Rahmen eines schriftlichen Vertrages zu klären. 

 


Kurzaufsatz RA, FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Arbeitsrecht
Heiko Pleines, KPW Rechtsanwälte Essen
HOAI 2013 § 3 Abs. 3, § 34 Abs. 4, Anl. 10.1