Das Baurecht ist bereit für BIM

Alle (Bau)Welt spricht von BIM. Befürworter sehen darin eine Revolution, Skeptiker halten das für unrealistisch. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Die Initiative buildingSMART beschäftigt sich intensiv mit dem Thema. Bereits zum zweiten Mal richtete sie den BIM Thementag Recht aus, der dieses Jahr am 18. September in Berlin stattfand. Über die Themen der Veranstaltung sprachen wir mit Rechtsanwalt Eduard Dischke, Vorstandsmitglied der Initiative und Rechtsanwältin Jennifer Essig, die als offizielle Vertreterin der ARGE Baurecht dabei war. Gemeinsam ordnen sie das Thema BIM in Deutschland ein, sprechen klare Empfehlungen im Umgang damit aus und wagen einen Blick in die nähere Zukunft.

Herr Dischke, Frau Essig, einige Mitglieder der ARGE Baurecht waren beim 2. BIM Thementag Recht in Berlin dabei, aber eben nicht alle. Können Sie uns kurz die Highlights der Veranstaltung skizzieren?

Dischke: Neben dem Vortrag des Justitiars der Bundesarchitektenkammer, Dr. Volker Schnepel, der hochaktuell zum Urteil des EUGH vom 4. Juli 2019 zur HOAI referierte, war aus meiner Sicht auf jeden Fall die Keynote von May Winfield ein Highlight. Die britische Kollegin hat die Vertragspraxis bei BIM-Projekten in Großbritannien vorgestellt. May Winfield ist bereits sehr erfahren im Umgang mit BIM und hat zahlreiche Projekte damit realisiert, nicht nur in UK, sondern in ganz Europa und auch im mittleren Osten, wo man mit der Methode auch schon viel weiter ist. Das war einerseits sehr beeindruckend, andererseits aber durchaus auch beruhigend, da man auch noch nicht das Ei des Kolumbus gefunden hat.
Essig: Ja, das kann ich nur bestätigen. Der Vortrag der Kollegin Winfield war sehr spannend. Die Briten sind zwar deutlich früher dran, aber die Probleme und Fragestellungen sind im Prinzip dieselben wie hierzulande. In Deutschland sind die Berührungsängste deutlich größer.

Wie groß schätzen Sie denn den Vorsprung der Briten bei der Umsetzung von BIM ein?

Dischke: Die Kollegen im Vereinigten Königreich sind uns in Sachen BIM sicher vier bis fünf Jahre voraus. Allerdings nach dem Motto "Wir machen das jetzt mal und die rechtlichen Fragen stellen sich erst nach und nach“. Das liegt uns Deutschen nicht so (lacht) - wir haben gerne erstmal alles abgesichert. Die Kollegen drüben fragen also aus der Praxis heraus und wir klären das erstmal aus der theoretischen Warte.
Essig: Hinzukommt eine ganz andere Marktsituation. In UK gibt es nur wenige große Planer, die alle eigene BIM-Abteilungen aufgebaut haben. Wir haben viele kleine Planungsbüros. Da ist die Furcht, dass BIM auch mit zusätzlichen Kosten verbunden ist, deutlich größer. Mein Eindruck ist, dass viele erst einmal abwarten, wie die Großen, die gut ausgestattet sind, das machen.
Dischke: Interessant ist, dass die rechtlichen Fragen, die man sich in Großbritannien stellt, fast die gleichen sind, wie hierzulande, natürlich den britischen Rechtsgrundlagen entsprechend. Aber die Fragestellungen zum Umgang mit Daten und Vergaberechten sowie generell vertragsrechtliche Gestaltungen sind doch sehr ähnlich.

Befürworter sprechen im Zusammenhang mit BIM von einer Revolution. Skeptiker halten dagegen, das sei völlig unrealistisch. Wie sehen Sie das?

Dischke: Revolution ist vielleicht etwas hochgegriffen (lacht). Aber BIM ist auf jeden Fall eine innovative Methode im Rahmen der Digitalisierung. Und da würde ich schon prognostizieren, dass sich auch in Deutschland im Planungs- und Bausektor Einiges verändert. Die großen Planungsbüros und Bauunternehmen werden mit ihren eigenen BIM-Abteilungen und -Managern vorpreschen. Öffentliche Auftraggeber sind laut ministeriellem Erlass bis Ende 2020 in geeigneten Projekten angehalten, BIM einzusetzen. Daher ist die Methode kaum mehr aufzuhalten.
Essig: Inzwischen wird eigentlich nur noch das WIE diskutiert. Potenzial hat die Methode allemal. Ob das dann tatsächlich in der Praxis alles so funktioniert, das ist eine andere Frage. Es wird sicher auch Probleme bei der Umsetzung geben, neue und alte. Denn egal wie schön das BIM-Modell auch ist, wenn die auf der Baustelle den falschen Beton einbauen, dann ist es und bleibt es immer noch der falsche Beton (lacht).

Insgesamt wird BIM also die Baubranche beeinflussen - aber welche Auswirkungen wird das aufs Baurecht haben? 

Essig: Die zentrale These in meinem Impulsvortrag zur Vertragsgestaltung im BIM-Planungs- und -Bauprozess lautete: Es ändert sich gar nichts (lacht). Ich dachte vorher, dass das bestimmt Depressionen auslösen würde, aber da auch meine Vorredner schon in eine ähnliche Richtung referiert hatten, war die Reaktion aus der Zuhörerschaft: Toll, dass das mal endlich jemand sagt, das sehen wir nämlich ähnlich.
Dischke: Ja genau, es liegt sicher nicht am Baurecht, dass BIM so zögerlich umgesetzt wird. Wir müssen natürlich die Verträge entsprechend gestalten, aber die rechtlichen Grundlagen im BGB, in der VOB werden erstmal so bestehen bleiben und da passt BIM auch rein. In der Hinsicht haben wir keine Probleme.

Demnach ist rechtlich eigentlich alles geregelt?

Dischke: Nein, ganz so ist es leider noch nicht. Worüber wir uns verschärft Gedanken machen müssen, ist der rechtliche Umgang mit digitalen Daten in einem BIM-Projekt. Wem gehören die Daten? Wie muss der Datentransfer funktionieren? Was muss an Daten weitergegeben werden? Auf was hat der Auftraggeber Anspruch? Dafür müssen Grundsätze her, die Datensicherheit, Datenschutz und Datensparsamkeit regeln.
Essig: Der Vortrag des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Sachsen-Anhalt hat vielen die Augen geöffnet. Offenbar haben nicht wenige Teilnehmer realisiert, dass sie da noch etwas nachzuarbeiten haben. Das zeigte auch die Abschlussdiskussion, wo das Thema Umgang mit Daten viel Raum einnahm. Das war auch für uns spannend!

Wie wird es mit BIM in Deutschland weitergehen?

Essig: BIM ist Teil der fortschreitenden Digitalisierung, die alle Branchen und Sektoren betrifft. Daher wird kein Weg an der digitalen Planungsmethode vorbeiführen. Meiner Meinung nach ist es klug, jetzt noch schnell auf den fahrenden Zug aufzuspringen und sich mit BIM in seinem Marktsegment vertraut zu machen. Leider mangelt es noch an einem einheitlichen Verständnis der Methode.
Dischke: Ich denke, dass es jetzt an der Zeit ist, die bestehenden Hürden abzubauen und BIM zügig in die Praxis zu bringen. Dabei geht es um nichts weniger als um einen Kulturwandel. Alle Beteiligten müssen lernen, miteinander zu kooperieren, sich auszutauschen, an einem Projekt gemeinsam zu arbeiten. Rechtlich glaube ich, dass wir vor allem im Bereich des Vergaberechts einiges zu bedenken haben. Vielleicht lohnt sich da auch am ehesten, mal auf rechtliche Reformen zu gucken. Wie kriegen wir das hin, dass beispielsweise das Thema Produktneutralität wirklich geklärt ist? Darf ein öffentlicher Auftraggeber eine bestimmte Software ausschreiben, vielleicht mit der Begründung, dass er mit dieser Software bereits arbeitet und sich für dieses Projekt entsprechend wünscht, dass auch Bieter/Bewerber mit dieser Software arbeiten? Darf er das, ist das rechtlich erlaubt? Ich denke, dazu werden in nächster Zeit vergaberechtliche Entscheidungen fallen. Da erwarte ich eigentlich eine größere Entwicklung als im forensischen und vertragsrechtlichen Bereich, wo die Voraussetzungen bereits jetzt gut sind.

Frau Essig, Herr Dischke, wir danken Ihnen für das Gespräch!