SOBau 2020 - schöner schlichten

Mit der Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten schuf die ARGE Baurecht bereits 2004 eine praxisorientierte Grundlage für außergerichtliche Einigungen. Nun liegt ein neuer Entwurf vor, ausführlicher, ausgefeilter und mit gänzlich neuen Aspekten. „Die außergerichtliche Streitbeilegung wird dadurch neue Impulse erhalten“, sagt Dr. Birgit Franz, die gemeinsam mit Dr. Petra Sterner, Dr. Ulrich Böttger und Christian Meier den rund zwei Jahre währenden Überarbeitungsprozess der neuen SOBau gestaltete. Wir sprachen mit dem „Team SOBau“ des Geschäftsführenden Ausschusses (GfA) der ARGE Baurecht über die Besonderheiten der SOBau 2020 und den Weg dahin.

Was ist die SOBau und inwiefern unterscheidet sich die neue von der alten Fassung? 

Rechtsanwalt Christian Meier: Es handelt sich um einen „Werkzeugkasten“, der unterschiedliche Instrumente für die Streitbeilegung am Bau enthält, nämlich Regelungspakete für Schlichtung, Mediation, Schiedsgutachter und Schiedsgericht. Diese können unabhängig voneinander oder auch in Kombination vereinbart werden. Bislang macht die Baurechtspraxis nur sehr zögerlich von der Möglichkeit Gebrauch, eine Schiedsabrede zu treffen. Dies liegt häufig daran, dass an Streitigkeiten mehrere unterschiedliche Parteien (Bauunternehmer, Planer, Bauherr) beteiligt sind. Durch die im Vergleich zur Vorgängerfassung noch präziser gefassten Regelungen zur Streitverkündung in der Schiedsgerichtsordnung hoffen wir, dass entsprechende Vorbehalte wegfallen. Neu ist auch die Möglichkeit eines beschleunigten Streitbeilegungs- und Feststellungsverfahren.

Was ist das Besondere an den Regelungen zum beschleunigten Streitbeilegungs- und Feststellungsverfahren?

Meier: Schiedsgerichtsverfahren sind im Vergleich zu Verfahren vor den staatlichen Gerichten deutliche schneller. Dennoch ist das traditionelle Schiedsgerichtsverfahren in der Regel nicht dazu geeignet, bei laufenden Bauvorhaben die Parteien kurzfristig davor zu bewahren, Streitigkeiten eskalieren zu lassen. Die Folge sind häufig Baueinstellungen oder gar Vertragskündigungen. Dies ist mit hohen Risiken für die Beteiligten verbunden. Erst viel später wird gerichtlich oder schiedsgerichtlich festgestellt, ob die Arbeitseinstellung oder Kündigung zu Recht erfolgte. Die unterlegene Partei ist dann oft mit enormen Schadensersatzansprüchen konfrontiert. Schon bislang enthielt die SOBau mit der Schlichtungsordnung die Möglichkeit, dass die Parteien kurzfristig eine einvernehmliche Einigung bereits während der laufenden Baumaßnahme treffen. Dies setzt aber tatsächlich eine Einigung voraus. Mit dem beschleunigten Streitbeilegungs- und Feststellungsverfahren wird nunmehr eine Möglichkeit eröffnet, dass der Feststellungsschiedsrichter eine vorläufige Regelung trifft, an die die Parteien gebunden sind, bis das Schiedsgericht die Regelung abändert. Die Regelung kann aber auch endgültig werden, wenn die Parteien keinen Widerspruch dagegen einlegen oder das Schiedsgericht sie bestätigt. So wird schnellstmöglich Rechtsklarheit geschaffen. Die Parteien, die sich an den vorläufigen Schiedsspruch halten, verhalten sich – so die Logik des Verfahrens – vertragskonform.

Neu sind die Regelungen zum Schieds- und Schlichtungsgutachtenverfahren. Warum haben sie diese in die SOBau 2020 aufgenommen und inwiefern können sie zu besseren Ergebnissen beitragen?

Rechtsanwältin Dr. Petra Sterner: Diese Regelungen haben wir aufgenommen, weil sie im Rahmen einer außergerichtlichen Streitbeilegung eine erhebliche Rolle spielen können. Ein Schiedsgutachterverfahren kann völlig unabhängig von den anderen „Werkzeugen“ der SOBau durchgeführt werden, andererseits aber natürlich auch im Rahmen eines Schlichtungs- oder Schiedsgerichtsverfahrens. Auch bei diesem Gutachterverfahren versprechen wir uns ein wesentlich schnelleres Ergebnis als in den Beweisverfahren beziehungsweise Beweisaufnahmen der ordentlichen Gerichte und gegebenenfalls auch eine gute technische Grundlage für eine außergerichtliche Lösung.
Rechtsanwalt Dr. Ulrich Böttger: Zudem können die Parteien wählen, ob sie eine verbindliche Feststellung durch das Schiedsgutachten anstreben oder aber ein Schlichtungsgutachten, das mit der gleichen Gründlichkeit erarbeitet wird, jedoch keine zwingende Bindungswirkung entfaltet, sondern die Parteien fachlich überzeugen und damit bei der Streitbeilegung helfen soll.

Welche Rolle spielen die Regelungen zum Schieds- und Schlichtungsgutachtenverfahren für die baurechtliche Praxis?

Sterner: Oftmals sind technische Sachverhaltsfragen Anlass für eine streitige Auseinandersetzung. Durch Benennung von geeigneten Gutachtern sind die Parteien in der Lage, Auseinandersetzung über die Bewertung des technischen Sachverhalts zügig zu beenden und dann wieder „weiterzumachen“, ohne ein langwieriges Gerichtsverfahren oder selbständiges Beweisverfahren durchführen zu müssen.

Wie lange haben Sie an der neuen SOBau gearbeitet? Und wie kann man sich die gemeinsame Arbeit daran vorstellen?

Böttger: Es gab mehrere Treffen der Steuerungsgruppe des GfA („Team SOBau“, Anm. d. Red.), in der die Gesamtkonzeption erörtert und abgestimmt wurde. Dann haben wir das Pensum in zwei große Arbeitsblöcke aufgeteilt, nämlich einerseits das Schiedsrichterliche Verfahren mit beschleunigtem Streitbeilegungs- und Feststellungsverfahren einerseits (Franz und Meier zusammen mit Prof. Rolf Kniffka, Prof. Stefan Leupertz, Dr. Alfons Schulze-Hagen) und Mediation, Schlichtung, Schieds- und Schlichtungsgutachtenverfahren andererseits (Sterner und Böttger zusammen mit den Sachverständigen Herrn Schnaubelt und Dr. Mangold) andererseits

Sterner: Wir haben vor allem in diversen Diskussionen herausgearbeitet, welche Erfahrungen in der Praxis zu einem Regelungsbedürfnis in der SOBau geführt haben und dies dann anschließend in dem Text umgesetzt. Dann haben wir alles zusammengeführt und das Gesamtkonstrukt diskutiert, auch unter Einschaltung des gesamten GfA. Textzwischenstände wurden zirkuliert und im GfA schriftlich kommentiert, insbesondere von Dr. Claus Schmitz, und im Rahmen der GfA-Sitzungen diskutiert. In die Entwicklung der Regelungen zum Schiedsrichterlichen Verfahren mit beschleunigtem Streitbeilegungsverfahren wurde auch Prof. Dr. Wolfgang Voit von der Philipps-Universität Marburg eingebunden.

Ging die Arbeit, vor allem auch die kollegialen Diskussionen im engeren und weiteren Kreis, leicht von der Hand? Oder war es eher ein zähes Ringen?        
Böttger: Es gab kein zähes Ringen im Sinne von Streitigkeiten über inhaltliche Positionen oder Prinzipien, also keinen „Glaubenskrieg“. Keiner wollte gewinnen, einen anderen oder eine andere Meinung niederringen. Aber die intensive Diskussion im Kreis der Akteure und die Hinzuziehung der Expertise anderer Fachleute führte dazu, dass mitunter Lösungsansätze komplett über den Haufen geworfen und neue Ansätze eingeführt und diskutiert wurden. Es war ein langer, intensiver, aber immer sehr konstruktiver und kreativer Diskussionsprozess. Und das – davon sind wir überzeugt – hat sich gelohnt.