Architektin arbeitet am Ausschreibungsentwurf

Wettbewerbssieger ist zu privilegieren!

OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.06.2020 - 11 Verg 2/20; GWB § 127 Abs. 4; RPW 2013 § 8 Abs. 2

Führt die Vergabestelle im Anschluss an einen Architektenwettbewerb ein Verhandlungsverfahren durch, ist das Ergebnis des Architektenwettbewerbs gem. § 8 Abs. 2 RPW 2013 bei der Gewichtung und Binnengewichtung der Auswahlkriterien zu berücksichtigen (Fortführung der Senatsrechtsprechung, IBR 2017, 392). *)

OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.06.2020 - 11 Verg 2/20

GWB § 127 Abs. 4; RPW 2013 § 8 Abs. 2

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) führt einen Realisierungswettbewerb für die Freianlagen betreffend die Neugestaltung eines Domplatzes mit anschließendem Verhandlungsverfahren durch. Bei der Wertung können maximal 500 Punkte erreicht werden. Gesetzt ist das Kriterium "Wettbewerbsergebnis", bei dem der Sieger 300 Punkte erhält. Für den zweiten Platz gibt es 240 Punkte. Als weiteres Kriterium berücksichtigt der AG die Stellungnahme der Preisträger zu den Anmerkungen des Preisgerichts bzw. die Konkretisierung der Wettbewerbsarbeit. Hierfür können 75 Punkte erreicht werden. Der Sieger des Wettbewerbs belegt bei der Wertung den zweiten Platz, der zweitbeste Entwurf kommt nach vorn. Der Wettbewerbssieger sieht darin einen Verstoß gegen § 8 Abs. 2 RPW, wonach der Sieger des Wettbewerbs im Regelfall auch beauftragt werden muss. Der AG hätte dem Ergebnis des Planungswettbewerbs daher einen größeren Stellenwert in der Wertung beimessen müssen.

Entscheidung

Nachdem die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag bereits zurückgewiesen hat (VK Hessen, IBR 2020, 609), unterliegt der Wettbewerbssieger auch vor dem OLG. Die in § 8 Abs. 2 RPW vorgesehene Regelbewertung verpflichtet nicht zur Beauftragung des ersten Preisträgers. Vielmehr muss der AG lediglich sicherstellen, dass der Wettbewerbssieger hinreichend privilegiert wird. Für die Zuschlagserteilung ist die Gesamtbewertung aller Leistungen entscheidend, also neben derjenigen aus dem Planungswettbewerb auch diejenigen im nachfolgenden Verhandlungsverfahren. Die hier vorgesehene Differenz von 60 Punkten, was 12% der Gesamtpunkte entspricht, wird dieser Vorgabe gerecht.

Praxishinweis

Die VK Südbayern hatte in ihrem Beschluss vom 13.10.2014 (IBR 2015, 222) entschieden, dass ein Wertungskriterium "Wie beabsichtigt der Bieter, seine Wettbewerbsarbeit hinsichtlich der Kritikpunkte des Preisgerichts zu überarbeiten?" rechtswidrig ist, weil völlig subjektiv und nicht objektivierbar. Ein solches Kriterium führe zu einer praktisch unbeschränkten Entscheidungsfreiheit des Auftraggebers, die nicht nachgeprüft werden kann. Das hier vom AG verwendete Kriterium "Stellungnahme zu den Anmerkungen des Preisgerichts/Konkretisierung" bewegt sich gefährlich nahe in diese Richtung. Dementsprechend hatte der Wettbewerbssieger auch argumentiert, dass das Kriterium die notwendige Gleichbehandlung aller Bieter nicht wahrt, weil die Bewertung des Kriteriums davon abhängt, welche Überarbeitungshinweise die Jury zu den jeweiligen Wettbewerbsarbeiten gibt. Das OLG Frankfurt ist dem nicht gefolgt. In der Tat stellt sich die Frage, was mit dem Wertungskriterium geschehen soll, wenn die Jury nur wenige oder sogar gar keine Überarbeitungshinweise hat.

RA und FA für Vergaberecht, FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Tobias Hänsel, Dresden 

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