Schlussrechnung prüfbar: Keine Zurückweisung möglich!

OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.03.2023 - 21 U 52/22 BGB § 242; VOB/B § 16 Abs. 3

1. Eine Schlussrechnung ist prüfbar, wenn sie die nach dem Vertrag objektiv unverzichtbaren Angaben enthält.
2. Zumindest bei der Prüfung durch ein Ingenieurbüro ist die Vorlage von Nachtragsangebotskalkulationen für die objektive Prüfbarkeit nicht erforderlich.
3. An der objektiven Prüfbarkeit der Schlussrechnung ändert sich auch nichts, wenn sie zunächst vom Auftraggeber als nicht prüfbar zurückgewiesen wurde.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.03.2023 - 21 U 52/22

BGB § 242; VOB/B § 16 Abs. 3

 

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) wurde vom Auftraggeber (AG) mit der Ausführung von Elektroinstallationsarbeiten beauftragt. Die VOB/B wurde in den Vertrag einbezogen. Die Abnahme erfolgte am 23.09.2016. Mit Schlussrechnung vom 01.11.2016 macht der AN gegenüber dem AG offenen Restwerklohn in erheblicher Höhe geltend. Das auftraggeberseits u. a. mit der Bauüberwachung beauftragte Ingenieurbüro wies die Schlussrechnung erstmals mit Schreiben vom 03.11.2016 als unprüfbar zurück. Daraufhin übersandte der AN mit Schreiben vom 07.11. die Schlussrechnung vom 01.11.2016 nebst Aufmaßunterlagen unter Hinweis auf die Prüfbarkeit und Fälligkeit zum 03.12.2016 erneut. Am 02.12.2016 wies das Ingenieurbüro die Schlussrechnung vom 01.11.2016 ein zweites Mal als nicht prüfbar zurück. Es wurde darauf abgestellt, dass die Nachweise für die Zuschläge für lärmintensive Tätigkeiten bzw. für Leistungen außerhalb regulärer Arbeitszeiten fehlen. Weiterhin sollen bei allen Nachträgen die Preisermittlungsunterlagen fehlen. Mit Schreiben vom 21.06.2017, wiederholt am 24.08.2017, mahnte der AN den ausstehenden Restwerklohn nebst Zinsen seit dem 10.12.2016 an. Am 21.07.2017 übersandte der AN die Schlussrechnung vom 01.11.2016 erneut unter Beifügung von Bautagesberichten zu den Stundenlohnarbeiten und Kalkulationsnachweisen. Daraufhin prüfte das Ingenieurbüro die Schlussrechnung vom 01.11.2016. In dem seit dem Jahr 2020 anhängigen Prozess beruft sich der AG auf Verjährung und vertritt die Auffassung, dass die offene Restwerklohnforderung bereits seit 2016 fällig geworden und damit mit Ablauf des 31.12.2019 verjährt ist.

Entscheidung

Das OLG bejaht die Verjährung des offenen Restwerklohnanspruchs. Der Werklohnanspruch des AN war nach Abnahme im September 2016 und Übermittlung der Schlussrechnung im Jahr 2016 fällig geworden. Verjährung ist daher mit Ablauf des Jahres 2019 eingetreten. Voraussetzung für die Fälligkeit der Werklohnforderung ist danach neben der Abnahme eine prüfbare Schlussrechnung. Die Schlussrechnung ist prüfbar, wenn sie die nach dem Vertrag objektiv unverzichtbaren Angaben enthält, um die sachliche und rechnerische Überprüfung des Werklohns zu ermöglichen. Hat ein vom AG beauftragter Fachmann, wie ein Architekt oder Ingenieur, die Schlussrechnung geprüft, spricht dies in der Regel für eine Prüfbarkeit. Der objektiven Prüfbarkeit der Schlussrechnung steht nicht entgegen, dass bei der Prüfung zu einzelnen Nachträgen keine Nachtragskalkulationen vorgelegen haben. Diese waren für die Prüfung der Schlussrechnung nicht erforderlich. Dies bereits deshalb, weil die Prüfung durch das beauftragte Ingenieurbüro erfolgte, das aufgrund bestehender Sachkunde die grundsätzliche Angemessenheit der Preisbildung beurteilen kann. Die Prüfbarkeit kann auch nicht deshalb verneint werden, weil der AN keinen weitergehenden Nachweis für die abgerechneten Zuschläge vorgelegt hat, da die Schlussrechnung vom Ingenieurbüro auch ohne Vorlage dieser Nachweise geprüft wurde.

Praxishinweis

Das OLG bestätigt ferner, dass dem AG die Erhebung der Einrede der Verjährung trotz wiederholter Zurückweisung als unprüfbar auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen § 242 BGB verwehrt ist. Widersprüchliches Verhalten ist grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. So kann die Erhebung der Verjährungseinrede rechtsmissbräuchlich sein, wenn aus dem früheren vertrauensbegründenden Verhalten der Schluss gezogen werden kann, der Schuldner werde sich nicht auf die eintretende Verjährung berufen und dies den Gläubiger von der rechtzeitigen Klageerhebung abhält. Allerdings entfällt der Rechtsmissbrauch bei eigenem widersprüchlichen Verhalten in derselben Sache.

 

RAin Daria Floßbach, Frankfurt a.M.

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