Bauherr muss Abschlagsrechnung nach Schlussrechnungsreife nicht (mehr) bezahlen!

OLG Koblenz, Urteil vom 23.05.2019 - 2 U 1447/16; BGH, Beschluss vom 29.01.2020 - VII ZR 129/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

1. Dem Architekten oder Ingenieur steht kein Anspruch auf eine Abschlagszahlung mehr zu, wenn das Vertragsverhältnis durch Kündigung, einvernehmliche Vertragsaufhebung oder in sonstiger Weise beendet worden ist. In einem solchen Fall hat er seine Leistungen vielmehr umfassend abzurechnen.

2. Ein etwaiger Anspruch auf Zahlung eines Abschlags erlischt infolge der Schlussrechnungsreife. Dementsprechend befindet sich der Auftraggeber bei Eintritt der Schlussrechnungsreife nicht mit der Zahlung eines (nicht mehr) gegebenen Anspruchs auf einen Abschlag in Verzug, so dass der Architekt oder Ingenieur auch keinen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen hat.

OLG Koblenz, Urteil vom 23.05.2019 - 2 U 1447/16; BGH, Beschluss vom 29.01.2020 - VII ZR 129/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB § 288 Abs. 3

Problem/Sachverhalt

Eine ARGE mehrerer Ingenieurbüros wird vom Auftraggeber (AG) mit der örtlichen Bauüberwachung der Sanierung einer ehemaligen Industriemülldeponie beauftragt. Nach dem Vertrag ist die ARGE berechtigt, Abschlagsrechnungen zu stellen. Nach Abschluss ihrer Tätigkeit stellt die ARGE noch eine 9. Abschlagsrechnung, da für die Schlussabrechnung wegen außerordentlich anspruchsvoller und komplexer Abrechnungsfragen viel Zeit benötigt wird. Der AG hat auf die 7. und 8. Abschlagsrechnung der ARGE nur teilweise Vergütung gezahlt, auf die 9. Abschlagsrechnung hat er keine Zahlung mehr geleistet. Die Vertragspartner geraten über die berechtigte Höhe des Ingenieurhonorars in Streit. Die ARGE fordert u. a. Verzugszinsen für nicht geleistete (Teil-) Zahlungen auf die Abschlagsrechnungen. Das Landgericht versagt der ARGE Verzugszinsen auf die Forderung aus der 9. Abschlagsrechnung. Die ARGE wendet sich u. a. dagegen mit ihrer Berufung.

 

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das OLG spricht der ARGE zwar Zinsen für den unbezahlt gebliebenen Teil der 7. und 8. Abschlagsrechnung zu, nicht jedoch für die 9. Abschlagsrechnung. Einem Auftragnehmer steht ein Anspruch auf eine Abschlagszahlung nicht mehr zu, wenn das Vertragsverhältnis durch Kündigung, einvernehmliche Vertragsaufhebung oder in sonstiger Weise beendet worden ist. Mit Eintritt der Schlussrechnungsreife erlischt ein etwaiger, zuvor entstandener Anspruch auf Zahlung eines Abschlags. Es ist nicht ersichtlich, welche Hindernisse der Stellung einer Schlussrechnung entgegenstanden. Der AG befand sich infolgedessen nicht mit einer Zahlung auf die 9. Abschlagsrechnung in Verzug. Die Resthonorarforderung konnte daher erst mit Stellung einer Schlussrechnung fällig werden.

Praxishinweis

Die Entscheidung entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl. z. B. OLG München, IBR 2010, 608). Mit der Schlussrechnungsreife erlischt das Recht, Abschlagszahlungen zu verlangen. Der Auftragnehmer muss schlussrechnen. Bis zur Schlussrechnungsreife aufgelaufene Verzugszinsen aus Abschlagsforderungen kann der Auftragnehmer weiterhin verlangen. Auch wenn die Erstellung der Schlussrechnung aufwändig und damit zeitraubend ist, kann der Auftragnehmer durch Übergabe einer weiteren Abschlagsrechnung keinen weiteren Anspruch auf Abschlagszahlung auslösen. Die Kunst besteht für den Auftragnehmer also darin, den richtigen Zeitpunkt für die letzte Abschlagsrechnung zu bestimmen, um vor Eintritt der Schlussrechnungsreife jedenfalls den größten Teil der Vergütung durch Abschlagsrechnungen abzudecken.

 

RA Uwe Luz, Würzburg

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