Rechnung objektiv prüfbar: Einwand fehlender Prüfbarkeit ausgeschlossen!

OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.05.2022 - 13 U 3646/21; BGH, Beschluss vom 30.08.2023 - VII ZB 125/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen). BGB §§ 242, 398; UStG a.F. § 13b Abs. 2 Nr. 4; VOB/B § 14 Abs. 3, § 16 Abs. 1; ZPO § 287

1. Ein Anspruch auf Abschlagszahlungen kann grundsätzlich nicht mehr klageweise durchgesetzt werden, wenn die Bauleistung abgenommen und die Frist abgelaufen ist, innerhalb derer der Auftragnehmer gem. § 14 Abs. 3 VOB/B die Schlussrechnung einzureichen hat.
2. Etwas anderes gilt etwa dann, wenn die Vorlage einer Schlussrechnung infolge des Zeitablaufs und der Insolvenz des Auftragnehmers unmöglich geworden ist und die restliche Werklohnforderung im Wege einer Schätzung bestimmt werden kann.
3. Eine Klage auf offene Werklohnansprüche darf nicht allein mit Verweis auf das Fehlen einer Schlussrechnung abgewiesen werden, wenn sich aus den dem Prozess zu Grunde zu legenden Tatsachen unmittelbar ergibt, dass und in welcher Höhe ein weiterer Werklohnanspruch besteht.
4. Der Auftraggeber kann sich auf die objektiv fehlende Prüfbarkeit einer Rechnung nicht berufen, wenn er zur Beurteilung der geltend gemachten Forderung keiner weiteren Informationen mehr bedarf. Entscheidend ist, ob dem Kontroll- und Informationsinteresse eines Auftraggebers durch den vorgetragenen Sachverhalt einschließlich der Rechnung ausreichend Genüge getan ist.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.05.2022 - 13 U 3646/21; BGH, Beschluss vom 30.08.2023 - VII ZB 125/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).

BGB §§ 242398; UStG a.F. § 13b Abs. 2 Nr. 4; VOB/B § 14 Abs. 3, § 16 Abs. 1; ZPO § 287

Problem/Sachverhalt

Bauträger T beauftragt Bauunternehmer B mit der Erstellung eines Objekts. Für 15 Gewerke werden 2010 und 2011 (Netto-)Abschlagsrechnungen erstellt. T begleicht diese Rechnungen und zahlt jeweils zugleich - wie in den Rechnungen entsprechend dem damaligen Verständnis der Steuervorschriften gefordert - die Umsatzsteuer an das Finanzamt. B gerät danach in Insolvenz. 2013 entscheidet der Bundesfinanzhof, dass in vergleichbaren Fallkonstellationen die Umsatzsteuer direkt vom Bauunternehmer zu erbringen ist. T fordert 2014 vom Finanzamt die Rückzahlung der erbrachten Umsatzsteuer. Das Finanzamt begehrt daraufhin vom Insolvenzverwalter (I) die Ausstellung von Korrekturrechnungen gegenüber T samt Umsatzsteuer und deren Abführung. I tritt die Forderungen auf Umsatzsteuer auf erbrachte Bauleistungen später an die Nachunternehmer (NU) des B ab; das Finanzamt erklärt gegenüber diesen Forderungen 2016 die Aufrechnung. 2020 klagen die NU auf Feststellung gegenüber T, dass ihnen bis 2016 Forderungen i.H.v. 210.000 Euro gegen ihn zustanden. T wendet ein, dass für das Bauprojekt keine ordnungsgemäße und prüfbare Schlussrechnung vorliegt und die Frist dazu nach § 14 Nr. 3 VOB/B verstrichen ist.

Entscheidung

Die Klage hat Erfolg! Der Einwand des T ist rechtsmissbräuchlich. Die Bauleistungen liegen über neun Jahre zurück, so dass es unmöglich ist, noch eine Schlussrechnung zu erstellen. B hat zu keiner Zeit die Vorlage einer Schlussrechnung angemahnt, obwohl er selbst die Grundlage dafür gelegt hat, dass der aus ergänzender Vertragsauslegung herzuleitende weitere Werklohnanspruch auf Zahlung der Umsatzsteueranteile entstanden ist. Ein noch bestehendes konkretes Informationsinteresse des T ist nicht erkennbar. Er instrumentalisiert das Fehlen der Schlussrechnung allein dazu, einen dem Grunde und der Höhe nach völlig eindeutigen und transparenten Anspruch abzuwehren.

Praxishinweis

Die etwas kryptische Entscheidung entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa IBR 2020, 505).

VorsRiOLG Martine Stein, Düsseldorf

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