Ist ein neues Angebot ein überarbeitetes Angebot?

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.06.2018 - Verg 36/17

1. Schließen der öffentliche Auftraggeber, der Bestbieter und der antragstellende Mitbewerber vor der Vergabekammer bzw. dem Vergabesenat einen Vergleich, wonach das Vergabeverfahren zurückversetzt wird und die Beteiligten sich darüber einig sind, dass die Eignung des Bestbieters nicht mehr bezweifelt wird, ist der Mitbewerber hieran gebunden. 2. Sofern der Vergleich nicht unwirksam ist, kann ein Ausschluss des Angebots des Bestbieters mangels Eignung vom Mitbewerber nicht mehr geltend gemacht werden. 3. Haben sich die Verfahrensbeteiligten darauf geeinigt, dass die Bieter die Möglichkeit erhalten, ihre abgegebenen und anschließend verbindlich verhandelten Angebote zu überarbeiten und sodann ein letztes Angebot abzugeben, schließt dies die Möglichkeit aus, zusätzlich ein gänzlich neues, bisher nicht verhandeltes Hauptangebot abzugeben.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.06.2018 - Verg 36/17

BGB §§ 133, 157

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) schreibt ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Gegenstand des Verfahrens ist der Abschluss eines Mietvertrags über benötigte Mietflächen, wobei diese Mietflächen in einem Bestandsgebäude, durch Anpassung eines bereits in Planung oder im Bau befindlichen Gebäudes oder durch Errichtung eines Neubaus geschaffen werden können. Das Verfahren wird in mehreren Phasen durchgeführt, wobei die Bieter in der letzten Phase ihre endgültigen Angebote abgeben sollen. In einem Nachprüfungsverfahren schließen die Parteien einen Vergleich folgenden Wortlauts: "Der AG versetzt das Vergabeverfahren zurück in den Stand vor abschließender Angebotsabgabe. Der AG gibt dem Bieter und der Beigeladenen (Bg) Gelegenheit, ihre Angebote letztverbindlich zu erneuern. Die Verfahrensbeteiligten sind sich einig, dass die Eignung der Bg nicht mehr zu bezweifeln ist." Als der Bieter wiederum nicht den Zuschlag erhalten soll, strengt er ein weiteres Nachprüfungsverfahren an, das er vor der Vergabekammer verliert. Hiergegen wehrt er sich mit der sofortigen Beschwerde.

Entscheidung

Vergebens! Der Vergabesenat weist die sofortige Beschwerde zum Teil als unzulässig zurück. Ein Berufen auf die mangelnde Eignung der Bg ist dem Bieter wegen des geschlossenen Vergleichs verwehrt. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Vergleich unwirksam ist oder nach Vergleichsschluss Umstände bekannt werden, die Zweifel an der Eignung der Bg begründen. Der Antrag ist jedoch auch unbegründet, soweit der Bieter rügt, dass kein gänzlich neues, bisher nicht verhandeltes Angebot abgegeben werden darf. Nach Auslegung des geschlossenen Vergleichs kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass begrifflich nur etwas erneuert werden kann, wenn es bereits zuvor vorgelegen hat. Ein gänzlich neues Angebot, das noch nicht verhandelt wurde, stellt kein erneuertes Angebot dar. Bei Abschluss des Vergleichs ging es darum, eine Wiederholung der Abgabe des letzten Angebots zu ermöglichen. Dies impliziert, dass das bis dahin abgegebene Angebot überarbeitet werden kann.

Praxishinweis

Ein Wort ist ein Wort! An einen einmal wirksam geschlossenen Vergleich muss man sich halten, deswegen ist auf den genauen Wortlaut bei dessen Abfassung gesteigerter Wert zu legen. Es ist auch durchaus nicht ungewöhnlich, dass vor der Vergabekammer oder - wie hier - dem -senat ein Vergleich geschlossen wird, denn auch in einem Nachprüfungsverfahren ist eine Einigung der Parteien unter Einbeziehung des Beigeladenen gerne gesehen. Im Hinblick auf die mittlerweile doch teils erhebliche Verfahrensdauer sollte diese Möglichkeit stets auch bereits vor einer mündlichen Verhandlung in Betracht gezogen werden.

RAin und FAin für Bau- und Architektenrecht, FAin für Vergaberecht Tanja Turner, Frankfurt a.M.

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