.. denn sie wissen nicht, was sie tun

OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.03.2018 - 29 U 267/16; BGH, Beschluss vom 23.01.2019 - VII ZR 95/18 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

1. Gibt der Auftraggeber lediglich die zu erbringenden Eigenschaften des einzusetzenden Baustoffs (hier: PP-Faserbeton) vor und ist es dem Auftragnehmer freigestellt, andere Zusatzstoffe zu verwenden, solange sie die gleiche Wirksamkeit aufweisen, kann der Auftragnehmer für den - aus seiner Sicht - erhöhten Aufwand für die einzumischenden Stoffe keine zusätzliche Vergütung verlangen.

2. Der Umstand, dass der vorgeschriebene Baustoff noch nicht standardmäßig verwendet wird und es sich bei dessen Einsatz auch um ein Forschungsprojekt handelt, führt nicht zu einem Anspruch auf Zusatzvergütung, wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer auf die problematischen Punkte des geforderten Baustoffs hingewiesen hat.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.03.2018 - 29 U 267/16; BGH, Beschluss vom 23.01.2019 - VII ZR 95/18 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB §§ 133, 157; VOB/B § 2 Abs. 1, 6

Problem/Sachverhalt

Ein Auftragnehmer (AN) erbringt nach europaweiter Ausschreibung Tunnelbauleistungen. Zur Anwendung kommt das Bohrschirmverfahren; der AN hat die Betongewölbeinnenschale mit monofilamenten Polypropylenfasern (PP-Fasern) und Spritzbetonverfüllung der "Rohrschirmkavernen" auszuführen. Der AN fordert nun Mehrvergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B, weil er u. a. mehr Binde- und Fließmittel brauchte, als er kalkulierte. Letztlich sei ein unerforschtes Verfahren zur Anwendung gekommen, so dass die Mehrmengen nicht absehbar gewesen seien. In erster Instanz wurde der Nachtragsanspruch verneint; das Risiko für Mehrmengen wäre klar erkennbar übertragen worden, so dass es mit dem vereinbarten Preis abgegolten sei. Dagegen wendet sich der AN mit der Berufung.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das Berufungsgericht hält das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich aufrecht. § 2 Abs. 6 VOB/B setzt voraus, dass der AN nicht vorgesehene Leistungen erbringt. Dies war hier aber nicht der Fall. Die im Vertrag geschlossene Vergütungsvereinbarung deckt die tatsächlich erbrachten Leistungen ab, mithin fehlt es den ausgeschriebenen und beauftragten Leistungen an einer für die Anwendung des § 2 Abs. 6 VOB/B notwendigen Lücke in den Vergütungsregelungen. Ob eine Lücke vorliegt, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln; maßgeblich bei öffentlichen Ausschreibungen ist der Horizont des objektiven Bieters. Bei der Vertragsauslegung ist zu unterscheiden zwischen dem vertraglich geschuldeten Erfolg und dem vertraglich vereinbarten Leistungssoll. Der vertraglich geschuldete Erfolg besteht grundsätzlich in der Herstellung eines funktionstauglichen und zweckentsprechenden Werks. Das vertraglich vereinbarte Leistungssoll beschreibt die Leistungen, die durch die vereinbarten Preise (vgl. § 2 Abs. 1 VOB/B) bzw. die vereinbarte Vergütung abgegolten werden. Werkerfolg und Leistungssoll fallen auseinander, wenn das Leistungssoll nicht ausreicht, den Werkerfolg herbeizuführen. In einem solchen Fall kann der AN verpflichtet sein, zusätzliche oder geänderte Leistungen zu erbringen, um den Werkerfolg herbeizuführen. Wenn dem so ist, steht dem AN ein Anspruch auf besondere Vergütung für die vom Leistungssoll nicht erfassten Leistungen zu. Hier wurde jedoch das Bauverfahren eindeutig beschrieben, ebenso wie das Mengenrisiko. Dem AN war die Eigenschaft des Baustoffs vorgeschrieben, nicht die Herstellung an sich. Folglich lag das Kalkulationsrisiko beim AN. Die erbrachten Leistungen wurden dagegen durch die vereinbarte Vergütung abgegolten.

Praxishinweis

Die Entscheidung legt lehrbuchartig den Weg der Vertragsauslegung dar, um zu ermitteln, welche Leistungen von der vertraglich vereinbarten Leistung gedeckt sind. Ähnlich wie bei der Rechtsprechung zum Baugrundrisiko kommt es auf die genaue Lesart an, welche Risiken dem AN aufgebürdet werden.

RA Dr. Till Kemper, Frankfurt a.M.

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