Kein Nachtragsangebot vorgelegt: Muss der Auftraggeber trotzdem zahlen?

OLG Hamm, Urteil vom 16.01.2017 - 17 U 111/16

Soll der Auftragnehmer "möglichst" vor Ausführung von Änderungs- oder Zusatzleistungen ein Nachtragsangebot vorlegen, hat er auch dann Anspruch auf zusätzliche Vergütung, wenn er vor Ausführung kein derartiges Angebot vorgelegt hat.

OLG Hamm, Urteil vom 16.01.2017 - 17 U 111/16

BGB §§ 133, 157, 631, 632; VOB/B § 2 Abs. 5, 6

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) wird mit der Errichtung eines Rohbaus zu einem Pauschalpreis von 400.000 Euro beauftragt. Dieser soll als "Festpreis" auch die "Vergütung von Nebenleistungen" mit einschließen. § 3 des Bauvertrags sieht zudem vor, dass der AN auch solche Vertragsleistungen zu erbringen hat, die im Vertrag und seinen Anlagen zwar nicht ausdrücklich genannt, zur vollständigen Leistungserbringung jedoch erforderlich sind. Nach § 4 soll der AN möglichst vor der Ausführung von zusätzlichen oder geänderten Leistungen ein Nachtragsangebot vorlegen. Der Rohbau wird auf der Grundlage von Plänen errichtet, die - so der AN - bei Angebotserstellung noch gar nicht vorgelegen hätten. Er macht deshalb für verschiedene Zusatzleistungen (u. a. Betonstützen, Schockbohlen sowie Dübelleisten) eine Mehrvergütung i.H.v. über 27.000 Euro geltend. An entsprechenden Nachtragsangeboten fehlt es. Das Landgericht ist der Meinung, der AN habe keinen Anspruch auf zusätzliche Vergütung, weil in der Erbringung der Nachtragsleistungen ohne vorheriges Nachtragsangebot das Angebot auf kostenlose Erbringung zu sehen sei.

Entscheidung

Das sieht das OLG anders! Das Landgericht lässt außer Acht, dass ein Nachtragsangebot nach dem Willen der Vertragsparteien in § 4 Abs. 2 des Bauvertrags nicht zwingend, sondern lediglich "möglichst" vor der Bauausführung erfolgen sollte. Darüber hinaus ist § 4 des Bauvertrags ersichtlich auf nachvertraglich angeordnete Leistungsänderungen zugeschnitten. Nach dem Vortrag beider Parteien lagen die veränderten, letztlich maßgeblichen Pläne jedoch bereits bei Abschluss des Bauvertrags vor, wenn dies auch vom AN unter Umständen nicht erkannt worden ist. Eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Auslegung zu der streitigen Frage, auf welche Leistungen sich der genannte Pauschalpreis beziehen sollte und ob gegebenenfalls nur ein sog. "Detail-Pauschalpreis" vereinbart worden ist, hat das Landgericht nicht vorgenommen. Das muss nachgeholt werden.

Praxishinweis

1. Eine vom Auftraggeber gestellte Formularklausel, wonach der Auftragnehmer - wie hier - zum vereinbarten Pauschalpreis auch technisch notwendige, aber in der Leistungsbeschreibung nicht ausdrücklich genannte Leistungen auszuführen hat, soll den Auftragnehmer unangemessen benachteiligen und unwirksam sein, wenn der Auftraggeber die Leistung zuvor detailliert mit einem Leistungsverzeichnis beschrieben hat (OLG Rostock, IBR 2011, 504; Roquette, NZBau 2001, 57, 60 m.w.N.). Nach gegenteiliger Ansicht des OLG Düsseldorf regeln derartige Komplettheitsklauseln das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung und unterliegen somit nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle (IBR 2015, 3). 2. Dem sog. Detail-Pauschalpreis(vertrag) liegt ein detailliertes Leistungsverzeichnis zu Grunde, das der Auftragnehmer zunächst mit Einheitspreisen versieht. Im Laufe der Vertragsverhandlungen wird dann die Vergütung in dem Sinne pauschaliert, dass nach Ausführung der Leistung kein Aufmaß mehr genommen wird. Die damit verbundene Kosteneinsparung führt zu einer Preissenkung. Als Folge des Aufmaßverzichts übernimmt der Auftragnehmer das Mehr- (BGH, IBR 2011, 503) und der Auftraggeber das Mindermengenrisiko (BGH, IBR 2004, 59). Zu einer Erweiterung des detailliert beschriebenen Leistungsumfangs führt ein (Detail-)Pauschalpreis nicht. Deshalb sind auch geringfügige Leistungsänderungen zusätzlich zu vergüten (BGH, IBR 2002, 655).

RA Stephan Bolz, Mannheim 

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