Der Vorschussanspruch stellt prozessrechtliche Fragen

Der Vorschussanspruch – materiell- und prozessrechtliche Fragen und Antworten

Im Werkvertragsrecht kommt dem Anspruch des Bestellers gegen den Unternehmer auf Zahlung eines Vorschusses gem. § 637 Abs. 3 BGB eine große Bedeutung zu. Er versetzt den Besteller in die Lage, die Ergebnisse einer Nacherfüllung wegen eines Mangels des Werks selbst herbeizuführen (Selbstvornahme, § 637 BGB ), ohne bestimmte Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, die er bei einer Nacherfüllung durch den Unternehmer nicht hätte.

Der Vorschussanspruch wird in der Beschreibung der Rechte des Bestellers bei Mängeln in § 634 BGB (Mängelrechte) nicht gesondert erwähnt. Vielmehr taucht er erstmals in dem dort in Bezug genommenen § 637 BGB auf. Das könnte bereits darauf hindeuten, dass es sich bei diesem Anspruch nicht bloß um eines von mehreren verschiedenen Mängelrechten handelt, sondern ihm eine bestimmte Sonderstellung zukommt. Andererseits wird bei einer Aufzählung der werkvertraglichen Mängelrechte der Vorschussanspruch gemeinhin neben den übrigen Rechten (vgl. § 634 BGB ) genannt, was gerechtfertigt ist, weil er in gleicher Weise einen Mangel voraussetzt und dem Besteller unter jeweils bestimmten Voraussetzungen wie die übrigen Rechte auch (wahlweise) zur Verfügung steht. Es wird im Folgenden gezeigt, dass es gleichwohl Besonderheiten gibt, die beachtenswert sind. Aus ihnen folgen Fragen, von denen einige hier näher betrachtet und beantwortet werden sollen. 

 

Systematische Einordnung

 

Zivilrecht

Einen Anspruch auf Vorschuss, wie er in § 637 Abs. 3 BGB geregelt ist, kennen die Mängelrechte der übrigen Schuldverhältnisse des Besonderen Schuldrechts nicht. Gleichwohl ist der Charakter eines Zahlungsanspruchs als Vorschuss kein Fremdkörper im Zivilrecht. Ein derartiger Anspruch findet sich etwa an mehreren Stellen im BGB, nämlich in §§ 475 Abs. 4 (im Zusammenhang mit einem Nacherfüllungsanspruch), 555a Abs. 3 Satz 2, 588 Abs. 2 Satz 3, 669, 1835 Abs. 1 Satz 1 BGB, sowie in § 887 Abs. 2 ZPO .

 

Werkvertragsrecht

Die Mängelrechte setzen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich die Abnahme des Werks durch den Besteller (§ 640 BGB ) voraus; nur ausnahmsweise entstehen sie auch ohne eine Abnahme. Nach der Systematik der Mängelrechte ist vorrangig der Nacherfüllungsanspruch (§§ 634 Nr. 1 , 635 BGB ) gegeben. Erst nach erfolglosem Ablauf einer dem Unternehmer gesetzten angemessenen Frist zu Nacherfüllung stehen die weiteren Rechte zur Verfügung. Eines hiervon ist die Selbstvornahme des Bestellers nach §§ 634 Nr. 2 , 637 BGB . Jedes Mängelrecht dient zwar dem Ausgleich der Störung des Äquivalenzverhältnisses des Werkvertrags, die durch die mangelhafte Herstellung des Werks entstanden ist. Jedoch kommt im Ansatz hierbei die Nacherfüllung durch den Unternehmer einer von vornherein mangelfreien (also wie geschuldeten) Herstellung am nächsten. Das erklärt, dass der Anspruch hierauf als vorrangiges Mängelrecht ausgestaltet ist. Von den weiteren Mängelrechten wiederum kommt die Selbstvornahme dieser Nacherfüllung am nächsten. Erlangt der Besteller für eine von ihm durchgeführte Mangelbeseitigung Aufwendungsersatz vom Unternehmer gem. § 637 © 2022 Wolters Kluwer Deutschland GmbH 3 / 16 Abs. 1 BGB , steht er im Ergebnis so da, wie es ursprünglich vom Unternehmer geschuldet war. Der Vorschussanspruch gem. § 637 Abs. 3 BGB dient dazu, dem Besteller die Durchführung finanziell zu ermöglichen und seinen Aufwendungsersatz zu sichern.

 

Voraussetzungen des Anspruchs

 

Vorab soll der Sinn und Zweck des Anspruchs herausgestellt werden, der bekanntlich bei der Auslegung eine wesentliche Rolle spielt. Sinn der Vorschrift ist es, dem Besteller die Risiken und Nachteile abzunehmen, die damit verbunden sind, zunächst selbst eine Mangelbeseitigung auf eigene Kosten und unter Verwendung eigener oder anderweitig zu beschaffender Mittel durchführen zu müssen, die im Ergebnis der Unternehmer gem. § 637 Abs. 1 BGB zu tragen hat. Es geht also wesentlich darum, dass der Besteller während der Zeit der Mangelbeseitigung das Insolvenzrisiko des Unternehmers nicht tragen muss.

Der Vorschussanspruch des § 637 Abs. 3 BGB bezieht sich nach Wortlaut und Stellung auf den Aufwendungsersatzanspruch nach § 637 Abs. 1 BGB . Es müssen deshalb zunächst die Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Besteller nach § 637 Abs. 1 BGB den Mangel selbst beseitigen kann (gemeint ist „darf“, um anschließend Ersatz der – erforderlichen – Aufwendungen verlangen zu können). (Nur) insoweit trifft es zu, wenn vereinfacht gesagt wird, dass der Vorschussanspruch nach Abs. 3 dieselben Voraussetzungen wie der Ersatzanspruch nach Abs. 1 hat. Sie sollen hier nicht näher betrachtet werden.

 


- Ende des Auszugs -

Der vollständige Aufsatz „Der Vorschussanspruch – materiell- und prozessrechtliche Fragen und Antworten" von Richter Claus Halfmeier erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2022, 830 - 838, Heft 6). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.