Baurecht meets Schauspiel: Seminarteilnehmer

Feinschliff für die Außenwirkung: Baurecht trifft Schauspielkunst

Ein Nachbericht zum Seminar „Schauspielwerkzeuge für Baurechtsprofis“ (natürlich nur für Mitglieder) von Rechtsanwältin Jessica Huber. 

Im Juni fand das Seminar „Schauspielwerkzeuge für Baurechtsprofis“ an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin statt. Unter der professionellen Führung von Professor Michael Keller und Theaterschauspieler Tobias Schulze erforschten die teilnehmenden Baurechtler:innen das eigenen Auftreten und trainierten anhand typischer Szenarien aus der Beratungspraxis ganz neue Möglichkeiten. Treibende Kraft hinter dem besonderen Format ist Rechtsanwältin Kathrin Heerdt, die als Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der ARGE Baurecht auch bei diesem dritten Mal die Fäden zusammenhielt.  

Schon der Ort des Geschehens, die renommierte Hochschule für Schauspielkunst „Ernst-Busch“ in Berlin, stellte wegen ihrer besonderen Architektur ein erstes Highlight für die teilnehmenden Baurechtler dar. Professor Keller lehrte dort mehr als 40 Jahre und bildete unter anderem deutsche Schauspielstars wie Nina Hoss und Lars Eidinger aus.  

Von deren Niveau sind die 12 Teilnehmenden schauspielerisch zwar weit entfernt – im Kern trainierten sie alle jedoch Techniken und Werkzeuge der Schauspielschule im baurechtlichen Kontext. Die gewonnene Erfahrung für den Beruf als Baurechtsanwalt (m, w, x) und für Alltagssituationen überzeugte alle auf Anhieb, nicht zuletzt, weil der Spaß dabei nicht zu kurz kam. Der Nachbericht von Rechtsanwältin Jessica Huber ist ein kleiner (wehmütiger) Nachruf auf das zurückliegende Wochenende.  

Das Konzept 

Wirkung am eigenen Leib erforschen, individuelle Ausdrucksformen entwickeln, baurechtliche Situationen trainieren – auf diesen drei Säulen fußt das Konzept des Workshops. Dabei gingen die beiden Coaches individuell auf die Stärken und Schwächen eines jeden Teilnehmers ein und gaben wertvolle, oftmals nur kleinste Tipps, um die eigene Wirkung auf sein Gegenüber – sei es das Gericht, der Gegenanwalt oder der eigene Mandant - zu verbessern. 

Erwartungen formulieren – unbedingt, aber mit Humor 

Bereits die Vorstellungsrunde folgte keinem Schema „F“: Jeder Teilnehmer sollte sich einen Gegenstand aus einer Kiste greifen, der am ehesten seine persönlichen Erwartungen an den Workshop spiegelt. Lustig wurde es in der Runde, als ein Teilnehmer zur Voltarensalbe, eine andere zur Zitronenpresse und eine dritte zu einem Haarreif griff, der sich im Nachgang als Lorbeerkranz entpuppte. Im Fokus stand weniger Name und berufliche Position als vielmehr die eigene Lebenssituation und das Erleben des beruflichen Alltags, der mit durchaus interessanten Filmgenres und witzigen fiktiven Romantiteln auf den Punkt gebracht wurde. 

 

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Keine Trockenübungen! 

Für den ersten Tag des Workshops stand die Körperpräsenz im Vordergrund. Keller betonte die Wichtigkeit des eigenen Körperempfindens und die persönliche Kenntnis seiner Wirkung auf das Gegenüber. Der Körper sei das Medium, mit dem man mit seiner Umwelt in Kontakt trete und das untrennbar mit einem selbst verbunden sei, so das Credo der beiden Coaches. Im Zeitpunkt, in dem man einen Raum betrete, werden noch vor dem ersten gesprochenen Wort ein ganzes Bündel an Informationen übermittelt. Nur wer wirklich präsent sei, wirke authentisch und damit erreichbar für sein Gegenüber. 

Mit dieser Einleitung ging es ans Eingemachte: Für Außenstehende hätte es sicherlich ein merkwürdiges Bild abgegeben, für die Teilnehmer war bereits die erste Übung gruppenstärkend und überhaupt nicht das, was man mit Berufskollegen klassisch verbindet oder von ihnen erwartet. Die Teilnehmer bewegten sich als Gruppe. Aber dennoch wanderte jeder für sich durch den Raum und sollte möglichst Blickkontakt zu einem anderen Teilnehmer suchen. Für seine Umgebung präsent sein und gleichzeitig die eigene Wahrnehmung auf seine Umgebung zu richten, war der Sinn der Übung. Die Coaches beobachteten, gaben Feedback und steigerten die Anforderungen an die eigene körperliche Präsenz durch akustische Zeichen, auf die eine Aktion der Spieler –bestenfalls prompt und überzeugend - erfolgen sollte. Spätestens als ein Kollege, den anderen im wahrsten Sinne am Ohrläppchen „packte“ und ihm dabei tief in die Augen schaute, war die Aufwärmungsphase vorbei und die Gruppendynamik da. 

Zweite Übung: Die Teilnehmer fanden sich in Zweierteams zusammen. Ein Teampartner sollte den anderen vor den wachsamen Augen der übrigen Teilnehmer und natürlich den noch wachsameren Augen der beiden Coaches vorstellen. Die Herausforderung für den einen lag darin, seinem Teampartner nicht die Show zu stehlen. Die Challenge für den anderen, selbstbewusst ohne Worte die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu lenken, trotz seiner Ungewissheit, was sein Teampartner wohl alles über ihn offenbaren würde. Jede Kleinigkeit wird inspiziert: Der gemeinsame Gang hinter dem Vorhang auf die Bühne hervor, die Position zueinander und zum Publikum, der Vortragsstil, zuckende Mundwinkel oder schlackernde Arme – nichts entging den wachsamen Augen der beiden Schauspielprofis. Auch für die anderen Teilnehmer waren die Beobachtungen wertvoll. Nur selten lenkt man bewusst seine reine Aufmerksamkeit auf das Auftreten des Gegenübers. Feedback der Teilnehmer untereinander war ausdrücklich gewünscht – keine leichte Aufgabe, passiert doch so viel in einem kurzen Moment. 

Am Ende des ersten Tages wurde gebrainstormt: Typische berufliche Situationen wurden im Gruppenverband gesammelt, in denen die Kommunikation nicht verlief wie gewünscht. Zum Beispiel durch einen Gegenanwalt, der einen nicht zu Wort kommen lässt oder einen forschen Richter, der für die eigene juristische Position wenig übrig hat – insbesondere Situationen, in denen ein Machtgefälle herrscht – sei es durch die bessere rechtliche Position, berufliche Erfahrung oder ein Gegenüber, das noch in alten Rollenbildern festhängt.  

Zum Abschluss ging es dann „vor Gericht“ zur Sache – erst qua Beruf sachlich zurückhaltend, dann schauspielerisch auf Touren, stellten die Teilnehmer einen Schadensersatzprozess nach. Die rechtliche Position der Klägervertreterin aussichtlos, ein empörter Mandant, ein vorlauter Beklagtenvertreter, ein triumphierender Beklagter und on top ein desinteressierter, mit seinen Kommentaren hart am Rande des juristisch zulässigen agierender Richter. Bühne frei! 

Am zweiten Tag stand neben der körperlichen Präsenz das Training der eigenen Stimme im Vordergrund: Wie atme ich? Spreche ich nur mit dem Kopf oder nutze ich meinen gesamten Körper als Sprechorgan? Spreche ich klar und deutlich? Nutze ich meine Gestik, wenn ich mein Gegenüber anspreche? Fühlt sich mein Gegenüber auch angesprochen? 

Die beiden Coaches hatten jede Menge Tipps und Tricks auf Lager, um das eigene Sprechvermögen zu verbessern und gingen individuell auf jeden Teilnehmer ein. Es machte allen Teilnehmern sichtlich Spaß, sich unter anderem über den Raum hinweg, Vokale zuzurufen oder sich bei Vokalreihen zu duellieren. Da brach der berufsimmanente Ehrgeiz dann wieder durch. 

Positives Feedback, auch nach dem Workshop  

Am Ende der beiden Tage traten alle Teilnehmer gespickt mit wertvollen Eindrücken und jeder Menge praktischer Tipps im Gepäck die Heimreise an. "Sich der Wirkung des eigenen Auftretens auf seine Mitmenschen bewusster zu werden, ist eine großartige Erfahrung", bringt es ein Kollege auf den Punkt. Eine andere ist ebenfalls sehr zufrieden: "Back to the roots – weg vom verkopften Anwaltsdasein, weil weniger oft mehr ist. Das nehme ich als Quintessenz mit."  

Geht es nach den Teilnehmern, ist das nicht das letzte Seminar dieser Art, das die Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht veranstaltet. Und so viel darf verraten werden - eine Fortsetzung ist in Planung. 

Jessica Huber

  • Rechtsanwältin
Mitglied der ARGE Baurecht
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