Wie kann eine Planungsverantwortung stillschweigend vom Besteller auf den Unternehmer übergehen?

OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2013 Az.: 22 U 32/

Wenn für notwendige Ausführungsdetails gar kein Plan vorliegt, so stellt sich die Frage, ob ein Planungsmangel vorliegt, obwohl „unzutreffende Angaben“ nicht bestehen. Kommt ein Bauvertrag auf dieser Grundlage zu Stande, stellt sich die weitere Frage, ob der Bauunternehmer gegebenenfalls stillschweigend die Planungsverantwortung für die bisher ungeplanten Details übernommen hat.

Ausgangssituation:

Bei einem Planungsverschulden kommt ein Mitverschulden des Bestellers für einen Baumangel und dessen Folgeschäden in Betracht. Voraussetzung für die Anrechnung eines Mitverschuldens ist aber, dass die Planungsverantwortung bei dem Besteller verblieben ist und nicht wirksam auf den Unternehmer delegiert worden ist.

Beispiel:

(Nach OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2013 Az.: 22 U 32/)

Eine Bauträgerin ließ durch Nachunternehmer Wohnungen erstellen. Nach Bezug durch die Erwerber stellt sich wegen Feuchtigkeitsschäden und Schimmel heraus, dass die Fensterbänke an den Holzfenstern nicht gegen Schlagregen abgedichtet sind. Die Bauträgerin wendet sich gegen den Fensterbauer und gegen den Maler/Verputzer, der auch Leistungen für die Fensterbänke zu erbringen hatte und klagt Schadensersatzes in Höhe von ca. 70.000 Euro ein. Eine Detailplanung für die Abdichtung hat nicht vorgelegen. Der Geschäftsführer der Klägerin ist Architekt und hatte vor allem diejenigen Planungsleistungen bewerkstelligt, die zum Erreichen der Baugenehmigung erforderlich und für den Verkauf der Wohnungen notwendig waren. Außerdem erstellte er Baubeschreibungen um die Bauverträge abschließen zu können.

Das Landgericht verurteilte die beklagte Maler/Verputzerfirma und sah ein Mitverschulden der Klägerin wegen einer fehlerhaften Planung in Höhe von 25 Prozent. Die Fensterbaufirma traf keine Eintrittspflicht, weil es bei dem Baumangel nicht um die innere und äußere Abdichtung der Anschlussfugen zwischen Bauwerk und Fenster, sondern um eine fehlende zweite Abdichtungslage unter den Fensterbänken gehe.

Das Berufungsgericht prüfte vertieft, ob die beklagte Malerfirma die Werkleistungen in Kenntnis des Umstandes, dass die Bauträgerin keine oder nur eine unzureichende Planung zur Verfügung gestellt hatte, übernommen hat. Es meint, falls dies der Fall sei, so könne sich die Beklagte je nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles nicht ohne weiteres auf ein Mitverschulden der Bauträgerin berufen. Hierzu differenziert das OLG weiter, dass die Planungsverantwortung grundsätzlich und originär dem Besteller, also der Bauträgerin, obliege. Hiervon ausgehend konnte es allerdings nicht feststellen, dass sie rechtsgeschäftlich auf die Malerfirma übertragen oder delegiert worden sei. Zumindest ausdrücklich ist dies nicht erfolgt.

Für eine stillschweigende Übertragung fehlten außerdem die entsprechenden dahingehend auszulegenden Tatsachen, weil die Bauträgerin zumindest in Gestalt der Leistungsbeschreibung (mit Vorgabe einer bestimmten Konstruktion der Fensterbänke, insbesondere mit aufgesteckten Endkappen und ohne Hinweis auf die notwendige zweite Abdichtungslage) eine Ausführungsplanung vorgenommen hat. Daher konnte die Klägerin ihre Meinung, dass sie nur eine funktionale Anforderung hinsichtlich einer Schlagregendichtigkeit gestellt habe und die Malerfirma als Auftragnehmer selbst eine Ausführungsplanung hätte anfertigen müssen, nicht nachvollziehbar darlegen.

Hinweis:

Das Urteil enthält ferner Gedanken dazu, ob auch bei Übertragung der Planungsverantwortung eine Koordinierungsverantwortung gleichwohl bei der klagenden Bauträgerin als Bestellerin verbleiben könnte und bestätigt dies. Für beratende Juristen zur Vertragsgestaltung und prozessführende Juristen lassen sich aus dem Urteil mehrere Erkenntnisse ziehen. Es dürfte bekannt sein, dass die Planungsverantwortung grundsätzlich beim Besteller liegt, weswegen ein Mitverschulden bestehen kann. Die Übertragung erfolgt durch Rechtsgeschäft, welches wie üblich auch stillschweigend geschehen kann. Eine stillschweigende Übertragung der Planungsverantwortung kann bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung zwar gegeben sein. Da in der Praxis der Werkerfolg aber häufig anhand einer Vielzahl von funktional beschreibenden, zeichnerisch dargestellten und in einzelnen Leistungspositionen aufgegliederten Vertragsunterlagen definiert wird, sollte sorgfältig geprüft werden, ob hierin gleichzeitig ein Rechtsgeschäft zur Übertragung einer Verantwortung bereits enthalten ist und wenn ja, für welche Werkbestandteile. Der Umstand des Fehlens einer Planung, die sich im Nachhinein als notwendig herausstellt, kann für sich genommen keine Willenserklärung zur Übertragung und Entgegennahme der Planungsverantwortung sein.

 

Rechtsanwalt Johannes Jochem

RJ Anwälte, Wiesbaden