Estrichleger bearbeitet Estrich

Was teuer ist, muss auch gut sein!

LG Potsdam, Urteil vom 24.07.2018 - 6 O 422/16

1. Die Leistung des Auftragnehmers ist mangelfrei, wenn sie der vereinbarten Beschaffenheit und den anerkannten Regeln der Technik entspricht.

2. Ist die Beschaffenheit nicht vereinbart, ist die Leistung frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Auftraggeber nach der Art der Leistung erwarten kann.

3. Anhaltspunkte für den mit der Leistung zu erreichenden Standard können sich auch aus dem vereinbarten Preis ergeben.

LG Potsdam, Urteil vom 24.07.2018 - 6 O 422/16

BGB §§ 133, 157, 633; VOB/B § 13 Abs. 1

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) wird mit der Verlegung von sog. Designestrich beauftragt, der teurer als Standardestrich ist. Die VOB/B ist vereinbart. Nach der Ausführung rügt der Auftraggeber (AG) verschiedene Mängel, u. a. eine Vielzahl von rauen und farblich abweichenden Flächen und Stellen. Der AN versucht erfolglos, den Estrich nachzubearbeiten. Der AG fordert den AN zur Mängelbeseitigung auf und kündigt nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist den Bauvertrag. Ein vom AG eingeschalteter Sachverständiger stellt fest, dass der Estrich erhebliche optische und technische Mängel aufweist. Zur Sanierung muss die Oberfläche komplett abgefräst und neu aufgebracht werden. Die dafür erforderlichen Kosten belaufen sich auf über 20.000 Euro, die der AG als Vorschuss einklagt.

Entscheidung

Mit Erfolg! Die Leistung des AN ist aus den in den Leitsätzen genannten Gründen mangelhaft. Wer erheblich mehr als den verkehrsüblichen Preis zahlt, kann auch ein hochwertiges, die Anforderungen technischer Mindestnormen übertreffendes Werk erwarten (so zutreffend Busche, in: MüKo-BGB, § 633, Rz. 16, unter Hinweis auf OLG Stuttgart, IMR 2007, 1056 - nur online).

Praxishinweis

Die Entscheidung ist im Ergebnis sicherlich richtig, in der Begründung aber nicht zwingend. Insbesondere lässt sie sich nicht auf das zitierte Urteil des OLG Stuttgart stützen. Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass der Erwerber einer als "exklusiv" und "Maßstab für Traum-Wohnungen" beworbenen, neu zu errichtenden Eigentumswohnung berechtigterweise davon ausgehen darf, dass die Trittschalldämmung besser ist als die in einer Sozialwohnung. Auf den Preis - der beim Kauf einer "Traum-Wohnung" sicherlich entsprechend hoch gewesen ist - hat das OLG Stuttgart also gerade nicht abgestellt. Eines Rückgriffs auf die Höhe der Vergütung hätte es im vorliegenden Fall auch nicht bedurft. Die Parteien haben ausdrücklich die Verlegung von Designestrich vereinbart. Bereits aufgrund der Verwendung des Wortes "Design" dürfte bei der Verlegung von Estrich ein höherer als der übliche Standard vereinbart sein, weil der Begriff des Designs auf gestalterisch-kreative Aspekte hindeutet. Bedeutsam für Ermittlung des geschuldeten Qualitätsstandards sind zudem der technische und qualitative Zuschnitt sowie der architektonische Anspruch und die Zweckbestimmung des Gebäudes (BGH, IBR 1993, 411). Die Vergütung ist nur die Gegenleistung für das versprochene Werk, aber kein Auslegungskriterium. Denn ihre Höhe hängt von vielen Faktoren ab, wie etwa einer guten Baukonjunktur, und nicht allein von der Qualität der verwendeten Baustoffe oder den Löhnen des für die Ausführung der Leistung eingesetzten (Fach-)Personals. Ein Blick nach Schottland mag dies verdeutlichen. Dort wurde kürzlich eine Flasche Whisky für knapp 1 Mio. Euro versteigert. Ob dieser edle Tropfen wirklich zigtausendfach besser schmeckt als der von Marius Müller-Westernhagen besungene Blended Scotch Whisky?

RA Dr. Stephan Bolz, Mannheim

© id Verlag