Viele Mängelbürgschaften sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.

OLG Frankfurt, Urteil vom 28.01.2006 Az.: 1 U 194/05 und OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2004, Az.: 25 U 68/03

Kreditinstitute und Versicherungen verwenden Muster für Gewährleistungsbürgschaften, die in der Praxis unter Umständen eine Eintrittspflicht der Bürgin im Regelfall ausschließen. Eine besondere Gefahr besteht darin, dass dies weder für vernünftige Verbraucher noch für Rechtskundige auf Anhieb erkennbar ist.

Ausgangssituation:

In Bauverträgen ist es allgemein üblich, den Bauunternehmer vertraglich zu verpflichten, für die Dauer der Gewährleistungsphase dem Bauherrn eine Gewährleistungsbürgschaft einer Bank oder einer Versicherung zu übergeben. Die Gewährleistungsbürgschaft soll sicherstellen, dass der Bauherr im Falle der Insolvenz des Bauunternehmers während der Gewährleistungsphase nicht auf seinen Mängelrechten sitzen bleibt. Je nach Formulierung des Sicherungszwecks in der Bürgschaftsurkunde kann dies aber bei typischem Geschehensablauf der Fall sein.

Beispiel:

(Nach OLG Frankfurt, Urteil vom 28.01.2006 Az.: 1 U 194/05 und OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2004, Az.: 25 U 68/03)

Ein Bauunternehmer ist aufgrund einer Reglung im Bauvertrag verpflichtet, dem Bauherrn eine Vertragserfüllungsbürgschaft und nach Abnahme im Austausch hierzu eine Gewährleistungsbürgschaft zu übergeben. Die Vertragserfüllungsbürgschaft wird nach Vertragsunterzeichnung übergeben. Die Baumaßnahme wird durchgeführt, die Abnahme erfolgt. Wie im Regelfall der Praxis werden hierbei ein paar kleinere Mängel und Restleistungen festgestellt, im Abnahmeprotokoll eingetragen und deren Mängelrechte vorbehalten.

Ein paar Restleistungen werden zeitnah erledigt. Der Bauherr gibt die Vertragserfüllungsbürgschaft gegen Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft zurück. Die ihm übergebene Gewährleistungsbürgschaft enthält folgende Klausel zur Sicherheitsleistung:

„Bürgschaftsart: Mängelansprüche nach VOB/B § 13 für bereits fertig gestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten.“

Der Bauherr versteht dies so, dass die Bürgin nur für später auftretende Mängel und nicht für die jetzt im Rahmen der Abnahme thematisierten Mängel einstehen möchte. Da ihm zugesagt wird, dass die im Abnahmeprotokoll bezeichneten Mängel zeitnah beseitigt werden und er sich mit anderen kleineren Mängeln abfindet, nimmt der Bauherr die Bürgschaft entgegen.

Nach 2 Jahren wird die Baufirma insolvent. Nach einem weiteren Jahr tritt ein gravierender Baumangel auf, der bei Abnahme nicht erkannt worden ist. Wegen dieses Mangels und Folgeschäden wendet sich der Bauherr an die Bürgin und verlangt die Kosten zur Mangelbeseitigung und Schadensersatz.

Die Bürgin lehnt eine Zahlung ab und meint, sie müsse für den Mangel nicht einstehen, weil es bei der Abnahme der Bauleistungen Beanstandungen gegeben hätte. Letztlich meint die Bürgin, sie müsse daher für überhaupt keine Mängelrechte einstehen.

Der Bauherr meint, eine Einstandspflicht bestehe, weil die einschränkende Klausel des Bürgschaftsformulars nur diejenigen Mängel betreffe, die bei der Abnahme erkannt wurden. In jedem Fall sei die Erklärung nach ihrem Sinn und Zweck so auszulegen. Um einen im Abnahmeprotokoll aufgelisteten Mangel gehe es jetzt aber nicht.

Obwohl es allen Beteiligten klar ist, dass Abnahmen ohne Beanstandungen, also ohne Einträge im Abnahmeprotokoll, in der Praxis so gut wie nicht existieren, wäre dennoch genau dies erforderlich gewesen, um eine Einstandspflicht der Bürgin zu begründen. Eine anderslautende Auslegung der Bürgschaft auch unter Gesichtspunkten des AGB-Rechts hat nach den beiden zitierten Urteilen nicht zu erfolgen. Die nach der nicht beanstandungsfreien Abnahme ausgehändigte Bürgschaft ist daher im Ergebnis wertlos.

Hinweis:

Die Rechtsauffassungen der zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Frankfurt und Hamm sind nicht zwingend. Dies ergibt sich aus abweichenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte Celle und Hamburg zu im Wortlaut vergleichbaren Bürgschaftsmustern. (Vgl. OLG Celle, Urteil vom 25.04.2002, Az. 14 U 189/01 und OLG Hamburg, BauR 2002, S. 645, 655) Nach diesen Entscheidungen ist die Bürgschaftserklärung dahingehend auszulegen, „dass sie nur bei vorangegangener Abnahme unbekannte Mängel betrifft.“ (OLG Celle aaO) Vor diesem Oberlandesgericht wären der Rechtsstreit daher entgegengesetzt entschieden worden.

Bei der Bauvertragsgestaltung sollte daher darauf geachtet werden, dass die Bürgschaftserklärung, die der Bauunternehmer beizubringen hat, bereits wörtlich feststeht. Beispielsweise kann ein Muster der beizubringenden Gewährleistungsbürgschaft dem Bauvertrag als Anlage beigefügt sein. In einem solchen Fall kann die Annahme einer abweichenden Formulierung zu Recht verweigert werden, ohne dass Streit über den Umfang der Verpflichtung des Bauunternehmers zur Beschaffung einer Bürgschaft entsteht.

Bei einem Austausch der Vertragserfüllungsbürgschaft gegenüber der Gewährleistungsbürgschaft ist zudem darauf zu achten, dass letztere auch tatsächlich diejenigen Ansprüche für „Restleistungen“ oder erkannte Mängel erfasst, auf die sich noch die Erfüllungsbürgschaft bezieht, bevor diese aufgegeben wird.

 

Rechtsanwalt Johannes Jochem

RJ Anwälte, Wiesbaden