Verspätete Rückgaben von Mängelbürgschaften lösen nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Verzugsschaden aus.

LG Berlin, Urteil vom 19.06.2013, Az.: 85 S 70/13 und OLG Celle, Urteil vom 03.09.2009, Az.: 13 U 37/09

Die Geltendmachung von Verzugsschäden scheitert in Bürgschaftsfällen häufig an der Voraussetzung des Eintritts des Verzuges. Diese scheitert an der konkreten Formulierung der Mahnung. Bei Bürgschaften sollte die Mahnung detaillierter sein, als in Zahlungs- oder Nacherfüllungsfällen.

Ausgangssituation:

In Bauverträgen ist es allgemein üblich, den Bauunternehmer vertraglich zu verpflichten, dem Bauherrn für die Dauer der Gewährleistungsphase eine Gewährleistungsbürgschaft einer Bank oder einer Versicherung zu übergeben. Werden die Mängelbürgschaften vom Bauherrn nach Beendigung nicht sofort zurückgegeben, muss der Unternehmer gegenüber der Bürgin weiterhin die Avalkosten zahlen. Auch bei verspäteter Rückgabe kann der Unternehmer diese Kosten nicht immer geltend machen, wenn ein Verzug nicht wirksam begründet wurde. Ob eine Mahnung hierzu ausreicht, hängt im Einzelfall davon ab, ob eine Holschuld, oder eine Bringschuld besteht.

Beispiel:

(Nach LG Berlin, Urteil vom 19.06.2013, Az.: 85 S 70/13 und OLG Celle, Urteil vom 03.09.2009, Az.: 13 U 37/09)

Der Bauunternehmer hat dem Bauherrn eine Gewährleistungsbürgschaft ausgehändigt, die nach Ende der Gewährleistungsphase zurückzugeben ist. Gleichwohl schickt der Bauherr die Bürgschaftsurkunde nicht an den Bauunternehmer oder die Bürgin. Daher mahnt der Unternehmer zur Übersendung der Urkunde an und setzt hierzu eine Frist. Die Frist verstreicht erfolglos. Daraufhin beauftragt der Bauunternehmer einen Anwalt, der nochmals zur Rückgabe auffordert. Da dennoch nichts passiert, reicht der Bauunternehmer Klage gerichtet auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde und Verzugsschadensersatz in Höhe der Avalkosten und Rechtsanwaltskosten ein.

Das Gericht urteilt, dass die Verpflichtung zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde eine Holschuld ist. Dies folgt aus § 269 Abs. 1 und 2 BGB, wonach der Sitz des Schuldners den Leistungsort bildet, wenn ein Ort für die Leistung weder ausdrücklich noch nach den Vertragsumständen bestimmt ist. Da eine Schickschuld im Bauvertrag und nach den Vertragsumständen des Bauvertrages nicht vereinbart ist, bleibt es bei der Holschuld.

Hinweis:

Der vornehmlich im Baurecht tätige Rechtsanwalt hat den Leistungsort bei Mahnungen zur Zahlung von Werklohn oder Schadensersatz sowie bei Nacherfüllungsfristen üblicherweise nicht zu problematisieren. Hier reicht eine einfache Mahnung mit Fristsetzung häufig aus. Bei der Rückgabe von Bürgschaften ist dies anders. Daher sollte in der Mahnung zur Rückgabe der Bürgschaft die Bereitschaft des Gläubigers zur Abholung angegeben werden. Der beratende Anwalt kann außerdem bereits bei der Vertragsgestaltung darauf achten, ausdrücklich eine Bringschuld oder Schickschuld vorzusehen. Im Prozess stellt sich die Frage, inwiefern der Antrag einer Rückgabeklage zu formulieren, oder nach einem gerichtlichen Hinweis gegebenenfalls umzuformulieren ist. Der beklagte Bauherr hat zu überlegen, inwiefern ein sofortiges Anerkenntnis möglich ist, wenn vorher kein Verzug bestanden hat.

Auch wenn die Bürgschafsurkunde zurückgegeben wurde, sollte der Anwalt prüfen, ob vom Bauherrn zusätzlich noch eine Enthaftungserklärung abzugeben ist, um zu vermeiden, dass die Bürgenhaftung trotz Rückgabe der Urkunde bestehen bleibt. (Vgl. Claus Schmitz, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, Teil II, Rn 293ff). Diese Überlegung kann selbstverständlich wiederum bereits im Stadium der Bauvertragsgestaltung erfolgen, um späteren Streitigkeiten vorzubeugen.

 

Rechtsanwalt Johannes Jochem


RJ Anwälte, Wiesbaden