Haftungsfalle Streitverkündung! Wie kann eine zulässige Streitverkündung trotzdem wirkungslos sein?

OLG Dresden, Urteil vom 17.10.2013, Az.: 10 U 350/13

Die Streitverkündung hat sich zum wichtigsten Handwerkszeug des Baujuristen etabliert. Oftmals formelhaft werden „Massen-Streitverkündungen“ ausgesprochen. Auch bei Beachtung aller Formalien und Streitbeitritt droht die Wirkungslosigkeit. Wie kann das sein? 

Ausgangssituation:

Die Streitverkündung ist zur Herbeiführung der Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB ein probates Mittel. Für die Absicherung der Ausgleichsansprüche zwischen Gesamtschuldnern, die nach der Regelverjährung verjähren, werden in Haftungsprozessen und Selbständigen Beweisverfahren zwischen den Passivparteien regelmäßig kreuz und quer und hin und her Streitverkündungen ausgesprochen. Dabei ist auf Formalien wie beispielsweise das vollständige Rubrum und die Zustellung zu achten. Auch ein für Baujuristen zur Normalität gewordenes Prozedere ist im Einzelfall allerdings zu hinterfragen. 

Beispiel:

(Nach OLG Dresden, Urteil vom 17.10.2013, Az.: 10 U 350/13)

Ein Bodengutachter erstellt ein mangelhaftes Bodengutachten zur Errichtung eines Neubaus. Insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit des Einsatzes von Spundwänden für die Baugrube ist das Gutachten fehlerhaft. Dennoch wird hiernach gebaut. Es kommt zu Rissen am Nachbargebäude. 

Dem Nachbar stehen Schadensersatzansprüche gegen den Bauherrn zu. Dieser wendet sich klageweise an das Bauunternehmen der Erdarbeiten. In diesem Prozess verkündet der Bauherr dem Bodengutachter den Streit, falls er sich ein Mitverschulden im Sinne eines Planungsfehlers anrechnen lassen muss. Der Bodengutachter trat dem Streit auf Seiten des Bauherrn bei. 

Der Prozess geht letztlich so aus, dass sich der Kläger nach den Grundsätzen zur Obliegenheit, dem Bauunternehmen eine mangelfreie Planung zur Verfügung stellen zu müssen, ein Mitverschulden anrechnen lassen muss. Jetzt geht der Bauherr daher gegen den Bodengutachter vor und beruft sich auf die Streitverkündung zum Vorprozess. Obwohl die Streitverkündung rechtzeitig ausgesprochen wurde, kann sich der Bodengutachter mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen. 

Hinweis:

Der wesentliche Aspekt ist vorstehend verschwiegen und lautet wie folgt: Der Bauherr hat das Grundstück erst im Zuge der Projektentwicklung erworben. Er war daher nicht Vertragspartner des Bodengutachters. Allerdings hat er sich vom Grundstücksverkäufer als Vertragspartner des Bodengutachters alle Rechte aus dem Vertrag abtreten lassen. Bis hierhin hat er also alles richtig gemacht. Das Problem im Fall lag darin, dass er in der Streitverkündung nicht explizit angegeben hat, dass er Ansprüche (auch) aus abgetretenem Recht absichern wolle. Dies hätte er aber tun müssen, damit hierfür eine Streitverkündung der Sache nach überhaupt existiert.

Aus Sicht des Streitverkündungsempfängers ist diese strenge Handhabung nachvollziehbar: Eine für ihn gänzlich unbekannte Person versucht ihn in die Haftung zu nehmen – Wozu besteht Veranlassung, dem Streit beizutreten?

Dass der Bodengutachter im vorliegenden Fall „den Braten gerochen“ hat, wusste, worum es im Vorprozess (!) geht und deswegen beigetreten ist, bewirkt keine inhaltliche Änderung der Streitverkündungsschrift. Insbesondere werden hierdurch nicht diejenigen Ansprüche, wegen der der Streit verkündet wurde, ergänzt oder ausgedehnt. Daher war die Streitverkündung zwar zulässig und eigentlich auch wirksam, nur letzten Endes wirkungslos. 

Rechtsanwalt Johannes Jochem

RJ Anwälte, Wiesbaden