Erstattung einer durch Täuschung erlangten Zahlung

Erstattung einer durch Täuschung erlangten Zahlung

KG, Urteil vom 12.03.2019 - 21 U 72/18 (nicht rechtskräftig)

1. Veranlasst der Gläubiger eines vertraglichen Anspruchs seinen Vertragspartner durch Täuschung oder Zwang zu einer Zahlung, die sich zwar aus dem Vertrag ergibt, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig war, ist er seinem Vertragspartner im Wege des Schadensersatzes aus § 282 BGB zur Rückerstattung verpflichtet.*)
2. § 813 Abs. 2 BGB steht diesem Schadensersatzanspruch weder in direkter noch in analoger Anwendung entgegen.*)

KG, Urteil vom 12.03.2019 - 21 U 72/18 (nicht rechtskräftig)

BGB §§ 282, 241 Abs. 2, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1

Problem/Sachverhalt

Die Parteien stritten um wechselseitige Ansprüche aus einem Grundstückskaufvertrag. Soweit hier von Bedeutung, übernahm die Beklagte die Verpflichtung, bestimmte Flächen in einer an die Klägerin verkauften Gewerbeimmobilie zu einer bestimmten Miete und einer Laufzeit von 10 Jahren zu vermieten. Bis zur Erfüllung dieser Verpflichtung war die Klägerin zu einem Kaufpreiseinbehalt i.H.v. 250.000 Euro berechtigt, den sie zunächst geltend machte. Nachdem es zu Schwierigkeiten bei der Vermietung kam, schlossen die Parteien eine "Eckpunktevereinbarung" nach der eine L-GmbH vier Gewerbeflächen anmieten sollte. Eine erste Rate des Restkaufpreises i.H.v. 125.000 Euro sollte sogleich fällig werden, eine zweite Rate in Höhe weiterer 125.000 Euro dann, wenn "für 50% der Endmieter Kautionseingang" und "Zahlung erste Miete" erfolgt ist. Die Klägerin zahlte die erste Kaufpreisrate. Ein Mietvertrag mit der L-GmbH wurde nicht geschlossen. Gleichwohl beantragte die Beklagte beim Notar die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Kaufvertragsurkunde über weitere 125.000 Euro, die ihr erteilt wurde. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahlte die Klägerin den zweiten Teil der Schlussrate und forderte diesen sodann klageweise zurück. Das Landgericht gab der Klage insoweit statt.

Entscheidung

Der Senat bestätigt die Entscheidung des Landgerichts. Der Klägerin stehe ein Erstattungsanspruch aus § 282 BGB gegen die Beklagte zu. Die Beklagte habe u. a. durch ihre Schreiben an den Notar zum Ausdruck gebracht, wegen des zweiten Teils der Kaufpreisschlussrate gegen die Klägerin die Zwangsvollstreckung betreiben zu wollen. Nur aus diesem Grund habe die Klägerin Zahlungen an die Beklagte geleistet. Tatsächlich sei dieser Anspruch der Beklagten damals nicht fällig gewesen und sei es auch heute noch nicht. Somit habe die Beklagte durch die Androhung der Zwangsvollstreckung die Klägerin zu einer nicht fälligen Zahlung veranlasst. Damit habe sie gegen ihre vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme verstoßen, denn ein solches Verhalten verstoße erkennbar gegen die berechtigten Interessen der Klägerin aus dem gegenseitigen Vertrag. Die Beklagte habe zugestanden, dass die Fälligkeitsvoraussetzung "Kautionseingang und Zahlung erste Miete" "für 50% der Endmieter" gemäß der "Eckpunktevereinbarung" nicht erfüllt sei. Bei der gebotenen kritischen Überprüfung ihrer Rechtsposition habe ihr auffallen müssen, dass die von ihr verlangte Zahlung noch nicht fällig und sie deshalb noch nicht zur Zwangsvollstreckung aus dem Vertrag berechtigt gewesen sei. § 813 BGB stehe einer Rückzahlung nicht entgegen. Dieser sei nicht auf einen Schadensersatzanspruch anzuwenden, der auf Rückerstattung einer vor Fälligkeit geleisteten Zahlung gerichtet ist. Auch eine analoge Anwendung sei nicht angezeigt.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt, dass die (vorschnelle) Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden nur dauerhaft zum Behaltendürfen der erlangten Zahlungen berechtigt, wenn diese tatsächlich fällig sind und daher auch gefordert werden dürfen. Dem Verkäufer ist daher stets zu einer sorgfältigen Prüfung zu raten.

RA und Notar, FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Dr. Andreas C. Brinkmann, Hannover

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