Auftraggeber muss Abweichung vom "Bausoll" beweisen!

OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.01.2018 - 10 U 93/17 (nicht rechtskräftig)

Im Rahmen eines Gewährleistungsprozesses ist die vereinbarte Sollbeschaffenheit eines Werks auch dann vom Auftraggeber zu beweisen, wenn noch keine Abnahme erfolgt ist.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.01.2018 - 10 U 93/17 (nicht rechtskräftig)

BGB § 633 Abs. 2; VOB/B § 4 Abs. 7, § 13 Abs. 1

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) hatte den Auftragnehmer (AN) mit der Durchführung von Fenster- und Sonnenschutzarbeiten beauftragt. Die Türen und Fenster wurden eingebaut, eine Abnahme fand jedoch nicht statt. Man ist sich einig, dass durch den AN keine weiteren Arbeiten mehr ausgeführt werden sollen. Der AG behauptet, es lägen diverse Mängel vor. Im Wesentlichen geht es dabei um die Frage, ob die Hebeschiebetüren mangelhaft sind, weil sie nicht bodentief und überdies nicht raumseitig eingebaut wurden. Der AN wendet ein, dass eine solche Ausführung nicht vereinbart sei. Der AG verlangt einen Kostenvorschuss.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Ob die vom AN vorgenommene Ausführung der Fensterelemente sowie der Hebeschiebetüren mangelhaft i.S.v. § 13 Abs. 1 VOB/B sowie § 633 Abs. 2 BGB ist, hängt davon ab, was als sog. "Bausoll" geschuldet ist. Hierfür kommt es entscheidend darauf an, was die Parteien vertraglich vereinbart haben. Welche Beschaffenheit das zu erbringende Werk haben soll, also den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung, hat derjenige zu beweisen, der sich auf die Vereinbarung beruft. Dies ist vorliegend der AG, auch wenn vor der Abnahme grundsätzlich der Auftragnehmer die Mangelfreiheit der erbrachten Leistungen zu beweisen hat. Das Bausoll kann sich dabei zum einen aus dem schriftlichen Vertrag, aber auch aus Umständen außerhalb der Vertragsurkunde ergeben. Vorliegend findet sich in der Auftragsbestätigung keine Regelung bezüglich der Frage, ob die Hebeschiebetüren bodentief einzubauen sind. Auch die durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens hat nicht ergeben, dass der Einbau der Anlage so wie vom AG behauptet erfolgen sollte.

Praxishinweis

An sich wäre hier die Geltendmachung eines Kostenvorschusses durchaus möglich gewesen. Dies ist nicht selbstverständlich, denn grundsätzlich können Gewährleistungsansprüche vor Abnahme nicht verlangt werden. Wie der BGH aber jüngst (IBR 2017, 187) klargestellt hat, ist von diesem Grundsatz dann eine Ausnahme zu machen, wenn sich die Parteien in einem sog. "Abrechnungsverhältnis" befinden. Ein solches ist dann gegeben, wenn nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien durch den AN selbst keine Arbeiten mehr ausgeführt werden sollen, also das sog. "Erfüllungsstadium" beendet ist. So war es hier. Ein Kostenvorschussanspruch scheitert aber am fehlenden Nachweis eines Mangels, der vom AG zu erbringen ist. Auch dies verwundert auf den ersten Blick, weil es gemeinhin heißt, dass die Mangelfreiheit vor der Abnahme durch den AN zu beweisen sei. Diese pauschale Aussage greift aber zu kurz. Denn unter einem Mangel ist die Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit zu verstehen. Was aber zunächst einmal als Bausoll zwischen den Parteien vereinbart wurde, hat in jedem Fall der AG als Anspruchsteller zu beweisen. Dies ist natürlich am einfachsten durch den schriftlichen Vertrag (Leistungsverzeichnis), aber auch durch den Nachweis einer entsprechenden mündlichen Abrede möglich, was aber - wie der Fall zeigt - oftmals nur schwer zu bewerkstelligen ist. Nicht nur deshalb ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber für den Verbraucherbauvertrag seit dem 01.01.2018 in § 650j BGB die Erstellung einer Baubeschreibung durch den AN verbindlich vorgeschrieben hat. Erst dann, wenn das Bausoll feststeht, kommt es für die Frage, ob der Ist-Zustand diesem Bausoll entspricht, darauf an, ob eine Abnahme erfolgt ist oder nicht. Vor der Abnahme liegt die Beweislast hierfür beim AN, erst nach der Abnahme geht die Nachweispflicht auch insofern auf den AG über.

RiOLG Dr. Georg Rehbein, Köln

Anmerkung der Redaktion

Gegen das Urteil wurde ein PKH-Antrag für die Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH gestellt (Az: VII ZA 2/18).