Baustelle von Wohnungseigentümerschaft

Die Beendigung der Wohnungseigentümergemeinschaft – Teil 1

Der Aufsatz befasst sich aus Anlass der Novellierung und erheblichen strukturellen Veränderung des WEG-Rechts mit der vom Gesetzgeber offen gelassenen Frage, wann und wie die inzwischen körperschaftsähnlich ausgestaltete Wohnungseigentümergemeinschaft endet. Lediglich die Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft hat der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt und an die Anlegung der Wohnungsgrundbuchblätter geknüpft, § 9a I Satz 2 WEG . Zu dem Zeitpunkt der Beendigung der Wohnungseigentümergemeinschaft und deren Modalitäten schweigt das Gesetz dagegen.

I. Einleitung

Der Gegenstand des Aufsatzes mit aufgeworfenen Grundsatzfragen bedingt etwas umfänglichere Ausführungen. Dies führt zu einer Aufteilung in zwei Teile und zu dem Abdruck des zweiten Teils im Folgeheft. Das Wohnungseigentumsrecht ist durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz grundlegend umgestaltet worden.

Das wohl in Bezug auf das rechtliche Gewicht am Meisten herausstechende und bedeutendste Kernelement der seit dem 01.12.2020 in Kraft befindlichen WEG-Novelle ist, dass nunmehr § 9a I Satz 1 WEG die zunächst von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ausdehnt.

An die Stelle der bereichsmäßig auf die Verwaltung des gesamten gemeinschaftlichen Eigentums beschränkten Teilrechtsfähigkeit tritt eine gegenständlich unbeschränkte und sich auf alle möglichen Rechte und Verbindlichkeiten als Zuordnungsobjekte eines Rechtsträgers erstreckende Rechtsfähigkeit. Formulierungstechnisch hat der Gesetzgeber diese Erweiterung der Rechtsfähigkeit in das bei Personenhandelsgesellschaften bekannte Gewand gekleidet, § 124 I HGB , § 161 II HGB . Strukturell handelt es sich um eine Verstärkung der rechtlichen Kompetenzen und um eine größere Selbstständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. Unverändert geblieben ist hierbei der in der Rechtsprechung herausgearbeitete Typus, dass es sich um einen Verband sui generis handelt. 

Es dürfte nicht fehl gehen, wenn die naturgemäß zum neuen Recht erst spärlich vorhandene Literatur zum einen eindeutig konstatiert, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft weiterhin weder juristische Person noch rechtsfähige Personengesellschaft ist und mit einer hier verbleibenden Bandbreite der Bewertung im Einzelnen annimmt, dass die gestärkte Verselbstständigung des Verbandes in dem Spannungsfeld zwischen Körperschaft und Personengesellschaft für eine rechtliche Positionierung dieses Spezialverbandes eher in Richtung einer körperschaftlichen Organisation spricht.

Wie bei jedem Rechtsträger stellt sich auch bei der Wohnungseigentümergemeinschaft die Frage nach „Geburt und Tod“, also Beginn und Beendigung der Rechtsfähigkeit. Soweit es hier die Geburt des Verbandes anlangt, ist das neue Recht eindeutig. Der klare Wille des Gesetzgebers und die unmissverständliche neue gesetzliche Formulierung, § 9 Buchst. a) I Satz 2 WEG, zeigen, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher entsteht. Die bisherige sogenannte werdende Wohnungseigentümergemeinschaft gibt es nicht mehr. Weniger eindeutig ist die Rechtssituation beim Tod der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Gesichert ist hier lediglich, dass es im Unterschied zu der juristischen Person kein Liquidationsverfahren gibt. Dies betrifft sämtliche denkbaren einer Liquidation zu Grunde liegenden Auflösungsgründe. Insbesondere ist der Liquidationsgrund, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Massekostendeckung die Eröffnung abgelehnt wird, sogar ausdrücklich ausgeschlossen, § 9a V WEG . Im Unterschied etwa zu den Regelungen in § 60 I Z. 4 und Z. 5 GmbH-Gesetz , in welchen mehrere mögliche Konstellationen im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren als Auflösungsgründe für den Rechtsträger genannt sind, schließt das neue Wohnungseigentumsrecht die Insolvenzfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft aus.

Dies entspricht allerdings der alten Rechtslage, vgl. § 11 III WEG alter Fassung. Zwingende und vom Gesetzgeber gewollte Konsequenz aus der fehlenden Liquidation ist der schlagartige Tod der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Schließung der Wohnungsgrundbuchblätter in Folge eines Aufhebungsvertrages aller Wohnungseigentümer nach § 9 I Z. 1 WEG oder in Folge des durch den allein verbliebenen Eigentümer aller Wohnungseigentumsanteile gestellten Antrags auf Schließung des Wohnungsgrundbuchs nach § 9 I Z. 2 WEG .

Es stellt sich damit zwangsläufig das Problem, klären zu müssen, welches Schicksal die Rechte und Verbindlichkeiten der sofort mit Schließung der Wohnungsgrundbuchblätter voll beendeten Wohnungseigentümergemeinschaft erleiden. Hier führt die zu diesem Thema vertretene Meinung des Gesetzgebers bei Veranlassung der Novelle, wonach für die Liquidation des Gemeinschaftsvermögens die allgemeinen Vorschriften gelten würden, nicht weiter. Denn der Wohnungseigentümergemeinschaft als untergegangenem Rechtsträger können keine Rechte und Verbindlichkeiten mehr zugeordnet werden und damit ist sie nicht liquidationsfähig. Die neueste Kommentarliteratur verlangt deswegen zu Recht eine andere Lösung. 

Die neueste Rechtsprechung gibt hier noch keine Antworten. Zwar befasste sich jüngst der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige 5. Zivilsenat des BGH mit einem erheblich sanierungsbedürftigen Parkhaus und der Rechtsfrage, ob ein Sanierungsstau analog der Regelung zur Zerstörung des Gebäudes zu behandeln sei. Jedoch betrifft die Entscheidung materiell altes Recht, § 22 IV WEG a.F., und verhält sich nur zu der – überzeugend verneinten – Frage, ob ein Sanierungsstau der Zerstörung gleichstehe und die dann entfallende Sanierungspflicht ein vollständiges Nutzungsverbot für das Gemeinschaftseigentum und das Sondereigentum rechtfertigen könne.

Die Frage, wie die Wohnungseigentümergemeinschaft nach neuem Recht endet, bleibt hier offen. Außerdem ist die Sanierungs- bzw. Zerstörungsfrage ihrerseits nur eine potentielle Vorfrage zu der Frage der Beendigung der Wohnungseigentümergemeinschaft, die keine Rückschlüsse zu der Rechtssituation bei der Beendigung ermöglicht. Denn Einigkeit bestand und besteht hier, dass selbst bei einer Totalzerstörung das Wohnungseigentum bestehen bleibt.

 


- Ende des Auszugs -

Der vollständige Aufsatz „Die Beendigung der Wohnungseigentümergemeinschaft – Teil 1" von Rechtsanwalt Dr. Hans-Joachim Weingart erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2022, 568 - 579, Heft 4). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.