Das neue Bauvertragsrecht in der Praxis – eine Einordnung

In seinem Aufsatz zum neuen Bauvertragsrecht beleuchtet Rechtsanwalt Florian Herbst dessen Folgen für die Bauprofis und gibt Planern und Bauunternehmern Orientierungshilfe, worauf sie zukünftig besonders achten müssen. Zudem geht er auf die praxisrelevanten Auswirkungen für Baurechtler ein. Rund fünf Monate nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes und ohne leitende Vorgaben der Gerichte sind noch immer nicht alle Folgen für die Praxis abzusehen. Herbst wagt eine erste Einordnung.

Achtung Verbraucherschutz: Wesentliche Verbesserungen bringt das neue Bauvertragsrecht für private Bauherren mit sich. Der Gesetzgeber hat mit den neuen gesetzlichen Regelungen zum sogenannten Verbraucherbauvertrag einen Schwerpunkt auf den Verbraucherschutz gelegt und die Rechte der Häuslebauer ausgeweitet. Hausbauunternehmer werden sich insofern künftig einem gestärkten Vertragspartner gegenübersehen, dessen Ansprüche nicht zu unterschätzen sind. Beispielsweise müssen Hausbauunternehmen in Zukunft einen verbindlichen Fertigstellungstermin, mindestens aber eine konkrete Bauzeit im Vertrag benennen. Dies sollte gut überlegt sein, denn die Folgen einer Bauzeitüberschreitung können – gerade für kleine Unternehmen – empfindlich sein. Nicht selten drohen Schadensersatzzahlungen, beispielsweise für erforderliche Mieten oder Bereitstellungszinsen. Der Bauunternehmer sollte insofern besondere Sorgfalt in die Bestimmung der Bauzeit legen, um Ungemach zu verhindern.

Unternehmen, die schlüsselfertig bauen, müssen zudem den Bauherren in Zukunft vor Vertragsschluss eine detaillierte Baubeschreibung aushändigen, in der alle wichtigen Daten und Fakten rund um das Bauprojekt dargestellt werden. Diese muss mindestens die im Gesetz aufgeführten Angaben enthalten, wie z.B. die allgemeine Beschreibung des herzustellenden Gebäudes, Art und Umfang der angebotenen Leistungen, der Arbeiten am Grundstück und der Baustelleneinrichtung. Was sich zunächst einmal wie eine Selbstverständlichkeit liest, bringt für den Unternehmer nicht unerhebliche Haftungsrisiken mit sich. Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung gehen nämlich, so sagt es das Gesetz nun ausdrücklich, zu seinen Lasten. Das bedeutet: Soweit die Baubeschreibung unvollständig oder unklar ist, ist der Vertrag unter Berücksichtigung sämtlicher vertragsbegleitender Umstände, insbesondere des Komfort- und Qualitätsstandards nach der übrigen Leistungsbeschreibung, auszulegen. Als vertragsbegleitende Umstände sind beispielsweise Prospektangaben, Exposés oder Aussagen von Mitarbeitern des Unternehmers heranzuziehen.

Es ist insofern dringend zu empfehlen, die Formulierungen in der Baubeschreibung mit besonderer Sorgfalt zu wählen. Ansonsten wird einer Haftung Tür und Tor geöffnet.

Und noch eine weitere Neuerung des Bauvertragsrechts hat es für die Hausbauunternehmer in sich. Der private Bauherr bekommt nämlich das Recht, den bereits geschlossenen Vertrag (formlos und ohne Angabe von Gründen) innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Vertragsschluss zu widerrufen. Über diese Widerrufsmöglichkeit muss der Unternehmer den Verbraucher ausdrücklich und ordnungsgemäß belehren. Ansonsten verlängert sich die Widerrufsmöglichkeit – und das ist die Gefahr der neuen Regelung – auf einen Zeitraum von einem Jahr ab Vertragsschluss. Es bedarf nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, welche Folgen ein Widerruf des Bauvertrages ein Jahr nach seinem Zustandekommen und ggf. mitten in der Bauphase für den Bauunternehmer haben kann.

Vor diesem Hintergrund sind dringend die betreffenden Hausbauverträge anzupassen und um eine korrekte Widerrufsbelehrung zu ergänzen. Damit diese Belehrung für den Unternehmer erleichtert wird, hat der Gesetzgeber eine Musterwiderrufsbelehrung im Gesetz bereitgestellt, auf die zurückgegriffen werden sollte. Verwendet der Unternehmer diese Musterwiderrufsbelehrung ohne inhaltliche Abweichungen, ist er auf der sicheren Seite und kann nach Ablauf der 14 Tage rechtssicher die notwendigen Bauvorbereitungen treffen.

Anordnungsrecht des Auftraggebers

Ein weiterer Schwerpunkt der Reform des Bauvertragsrechts ist das neu eingeführte (einseitige) Anordnungsrecht des Auftraggebers. Der Bauherr hat demnach – entsprechend den Regelungen der VOB/B – ein Anordnungsrecht für Leistungs¬änderungen. Bisher kannten die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ein derartiges Anordnungsrecht nicht. Gemäß § 650 b BGB steht dem Auftraggeber nunmehr das Recht zu, eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs oder eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist, vom Unternehmer zu begehren.

Der Unternehmer ist im Gegenzug in der Pflicht, ein Nachtragsangebot vorzulegen. Die Parteien sollen dann dem Gesetzeswortlaut nach „Einvernehmen“ über die Änderung und die infolge der Änderung zu leistende Mehr- oder Mindervergütung anstreben. Ein Anordnungsrecht besteht für den Auftraggeber erst dann, wenn die Parteien nicht binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens eine Einigung erzielen.

Die neue gesetzliche Regelung zum Anordnungsrecht wird in der Fachpresse überwiegend als impraktikabel angesehen. Vor allem der gesetzlich vorgegebene Zeitraum von 30 Tagen, in dem über das Änderungsbegehren eine Einigung erzielt werden soll, wird als zu lang empfunden. Insbesondere dann, wenn die Anordnung Leistungen betrifft, die auf dem sogenannten kritischen Weg liegen, wäre hiermit im schlimmsten Fall ein 30-tägiger Baustillstand verbunden, der sich durch das Verhalten der Parteien sogar noch in die Länge ziehen lässt (je nachdem, für welche Partei dies günstig ist). Die 30-Tages-Frist kann wohl nur im Ausnahmefall unterschritten werden, wenn feststeht, dass ein Einvernehmen aus Gründen, die im Verantwortungsbereich des Auftragnehmers liegen, definitiv nicht erzielt werden kann. In Ausnahmefällen dürfte zudem, wenn der Auftraggeber deutlich macht, dass er die Änderung in jedem Fall will, die Einstellung der Arbeiten durch den Auftragnehmer bis zum Ablauf der 30-Tages-Frist treuwidrig sein.

Zu bedenken ist auch: Der Unternehmer ist verpflichtet, einer derartigen Anordnung zur Änderung des Werkerfolgs nachzukommen, wenn die Ausführung der Änderung für ihn zumutbar ist. Die Zumutbarkeit ist durch eine Abwägung der Interessen beider Parteien zu klären. Dies sind auf Seiten des Unternehmers u. a. die technischen Möglichkeiten, die Ausstattung sowie Qualifikation des Unternehmers und auf Seiten des Auftraggebers die Tatsache, dass die Beauftragung eines Dritten nur schwer möglich ist, zusätzliche Schnittstellen bedingt und mit hohen Kosten verbunden ist. Mit anderen Worten: die Abwägung der Interessen ist stets im Einzelfall vorzunehmen und bietet für die Vertragsparteien hohes Streitpotential. Konkrete Einzelfälle, wann dem Unternehmer die Ausführung von Änderungswünschen unzumutbar ist, lassen sich derzeit nur schwer benennen und müssen erst von der Rechtsprechung entwickelt werden. Insoweit wird der Unternehmer im jeweiligen Einzelfall sorgfältig prüfen und bewerten müssen, ob er sich bei einer geänderten Leistung auf die Unzumutbarkeit der Ausführung berufen kann und sollte.

Die konkreten Auswirkungen des Anordnungsrechts im Allgemeinen und der 30-Tages-Frist im Besonderen auf das tägliche Baugeschehen sind also noch lange nicht absehbar. In Zweifelsfällen kann einem Bauunternehmer nur geraten werden, sich bezogen auf den Einzelfall fachkundig anwaltlich beraten zu lassen, um sich während der Bauphase nicht in eine Haftungssituation zu manövrieren.

Neues Bauvertragsrecht und VOB/B

Das neue Bauvertragsrecht nimmt sich die VOB/B an vielen Stellen zum Vorbild. Teilweise schlägt das BGB allerdings andere bzw. eigene Wege ein, was Fragen zum Verhältnis zur VOB/B und zu ihrem zukünftigen Fortbestand aufwirft.

Bei der VOB/B handelt es sich nicht um ein Gesetz, sondern um ein vom Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) entwickeltes und laufend fortgeschriebenes Klauselwerk, das zur Verwendung als Allgemeine Geschäftsbedingungen für Bauverträge in Deutschland konzipiert ist. Die darin enthaltenen Regelungen dürfen dem gesetzlichen Leitbild des BGB nicht widersprechen; ansonsten sind sie unwirksam, was durchaus bei einigen Klauseln anzunehmen ist.

Das BGB privilegiert allerdings die Regelungen der VOB/B. Wird die VOB/B „als Ganzes“ und ohne Änderungen vereinbart, findet eine Überprüfung der einzelnen Klauseln auf ihre Wirksamkeit nicht statt. Da eine Vereinbarung der VOB/B ohne eine einzige Änderung in der Praxis allerdings so gut wie nie vorkommt, unterliegen die Vorschriften der VOB/B dann doch regelmäßig einer Wirksamkeitskontrolle.

Die Änderungen des BGB durch das neue Bauvertragsrecht führen dazu, dass die derzeitigen Regelungen der VOB/B teilweise vom gesetzlichen Leitbild abweichen. Beispielhaft ist hier auf das Anordnungsrecht zu verweisen: Nach § 1 Absatz 3 VOB/B müssen Auftragnehmer Änderungswünsche des Auftraggebers grundsätzlich immer umsetzen. Zudem müssen sie nach § 1 Absatz 4 VOB/B erfolgsnotwendige Leistungen nur dann realisieren, sofern ihr Betrieb darauf eingerichtet ist.

Die neuen Regelungen des Bauvertragsrechts weichen hiervon, wie bereits beschrieben, ab. Äußert der Auftraggeber einen Änderungswunsch, müssen die Parteien hierüber innerhalb einer Frist von 30 Tagen „Einvernehmen anstreben“. Das beinhaltet auch eine Einigung über die Mehr- oder Minderkosten. Erst wenn das nicht gelingt, kann der Auftraggeber die Änderung einseitig anordnen. Änderungsleistungen, die den anfänglich vereinbarten Erfolg ändern, muss der Auftragnehmer zudem nur bei Zumutbarkeit ausführen.

Auch bei der Möglichkeit von Teilkündigungen weichen die Regelungen des BGB von denen der VOB/B ab. Nach der VOB/B sind Teilkündigungen nur bei „in sich abgeschlossenen Teilleistungen“ möglich. Die Regelung des BGB räumt dem Auftraggeber dagegen nunmehr die Möglichkeit der Teilkündigung schon für abgrenzbare Teile des Werks – zum Beispiel einzelne Gewerke – ein.

Diese beispielhafte Aufzählung der Abweichungen zwischen BGB und VOB/B lässt sich problemlos noch ergänzen. Zwangsläufig wird es insofern zu einer Anpassung bzw. Weiterentwicklung der Regelungen in der VOB/B kommen müssen. Der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss hat dementsprechend auch eine Aktualisierung der VOB/B angekündigt. Wie diese allerdings ausfällt und wann damit zu rechnen ist, ist derzeit nicht absehbar.

Diesen Zeitraum der Unsicherheit werden Bauunternehmer bei Abschluss eines VOB-Vertrages aus Sicht des Autors durch die VOB/B ergänzende Vereinbarungen überbrücken müssen, die die neuen Regelungen im BGB aufgreifen. Ansonsten laufen die Vertragsparteien eines VOB-Vertrages Gefahr, vertragliche Leistungen auf Basis unwirksamer Regelungen auszuführen. Wie derartige ergänzende Regelungen auszusehen haben, kommt ganz auf den jeweiligen Vertrag an.

Das beschriebene Problem haben Bauunternehmer bei öffentlichen Aufträgen im Übrigen nicht. Öffentliche Auftraggeber sind zwar zur Verwendung der VOB/B verpflichtet. Da sie allerdings sogenannte AGB-Verwender der VOB/B sind, gehen etwaige nachteilige oder unwirksame Regelungen zu ihren Lasten. Jedenfalls bei öffentlichen Aufträgen haben Bauunternehmer insofern keine rechtlichen Nachteile durch die Einbeziehung der VOB/B zu befürchten.

Zielfindungsphase

Auch auf Architekten und Ingenieure kommen durch das neue Bauvertragsrecht Änderungen zu, von denen beispielhaft die Zielfindungsphase und das nunmehr gesetzlich verankerte Recht auf Teilabnahme nach Leistungsphase 8 beschrieben werden sollen.

§ 650 p BGB regelt die neu eingeführte Zielfindungsphase. Soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat demnach der Planer zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen. Er legt dem Bauherrn diese Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vor.

Der Gesetzgeber hatte hierbei Fälle im Sinn, in denen sich der Bauherr mit nur vagen Vorstellungen von dem zu planenden Bauvorhaben an den Architekten wendet. Wesentliche Fragen, wie etwa die Art des Daches, die Zahl der Geschosse oder ähnliche für die Planung grundlegende Fragen, sind insofern bei der Einschaltung des Architekten noch offen. Der Architekt hat dann die Wünsche und Vorstellungen des Bauherrn zu erfragen und unter deren Berücksichtigung eine Planungsgrundlage zur Ermittlung der noch offenen Planungs- und Überwachungsziele zu erstellen. Die (gemeinsame) Ermittlung der wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele – also des Bedarfs des Bauherrn – ist demnach Kernbestandteil der Zielfindungsphase.

Die Zielfindungsphase geht der eigentlichen Planungsphase voraus und ist zeitlich noch vor der Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1) „anzusiedeln“. Eine Abgrenzung fällt dabei naturgemäß schwer. Das Ende der Zielfindungsphase beschreibt § 650 r BGB. Danach endet sie, wenn der Bauherr den vorgelegten Unterlagen des Architekten zustimmt. Dann tritt der Architektenvertrag in die Ausführungsphase ein.

Der Bauherr kann alternativ den Vertrag mit dem Architekten kündigen. Dieses Kündigungsrecht erlischt zwei Wochen nach Vorlage der Unterlagen, bei einem Verbraucher jedoch nur dann, wenn der Architekt ihn bei der Vorlage der Unterlagen in Textform über das Kündigungsrecht, die Frist, in der es ausgeübt werden kann, und die Rechtsfolgen der Kündigung unterrichtet hat. Dem Architekten ist also dringend anzuraten, seinen Informationspflichten über das Sonderkündigungsrecht tunlichst nachzukommen. Ansonsten kann der Bauherr auch noch zu einem späteren Zeitpunkt – mitten in der Planungsphase – den Vertrag kündigen. 

Nicht nur angesichts des beschriebenen Sonderkündigungsrechts sollten die neuen Regelungen zur Zielfindungsphase von den Planern beachtet werden. Auch in honorarrechtlicher Sicht ist sich in jedem Einzelfall die Frage zu stellen, ob die Leistungen der Zielfindungsphase angehören oder nicht. Falls ja, könnte der Planer hierfür gesondertes Honorar fordern.

Teilabnahme im Architektenvertrag

Das bisherige Werkvertragsrecht kannte keinen Teilabnahmeanspruch des Planers, sondern lediglich einen (Gesamt-)Abnahmeanspruch, wenn die beauftragten Leistungen insgesamt abnahmereif fertiggestellt waren. Dies war für den Planer besonders dann gefährlich, wenn sein Auftrag auch die Leistungsphase 9 der HOAI umfasste. Ohne anderweitige vertragliche Regelung konnte er dann eine Abnahme seiner Leistungen erst nach Beendigung der Leistungsphase 9 verlangen. Erst dann konnte für ihn die fünfjährige Gewährleistungsfrist beginnen, mithin zu einem Zeitpunkt, zu dem Gewährleistungsansprüche gegen die ausführenden Gewerke regelmäßig schon verjährt waren oder zu verjähren drohten.

Im neuen Architekten- und Ingenieurvertragsrecht ist nunmehr in § 650 s BGB erstmals ein gesetzlicher Teilabnahmeanspruch zu Gunsten des Planers enthalten. Danach kann der Architekt ab der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers oder der bauausführenden Unternehmer eine Teilabnahme der von ihm bis dahin erbrachten Leistungen verlangen.

Der Teilabnahmeanspruch besteht nach dem Gesetzeswortlaut also nicht erst nach Beendigung der Leistungsphase 8, sondern bereits dann, wenn die („letzte“) Bauleistung abgenommen ist. Zu diesem Zeitpunkt sind regelmäßig noch wesentliche Grundleistungen der Leistungsphase 8 zu erbringen (Schlussrechnungsprüfung, Überwachung von Abnahmeprotokollmängeln usw.), die dann nicht von der Abnahmewirkung des Beginns der Gewährleistung umfasst wären. Vor diesem Hintergrund ist dem Planer weiterhin zu empfehlen, vertraglich einen Teilabnahmeanspruch (erst) nach der Leistungsphase 8 zu vereinbaren.


Florian Herbst, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht