Ein Architekt zeichnet

„Bis dat, qui cito dat – Zwei mal gibt, wer schneller gibt“ – Bauverfügung auch für Architekten

Gerade auch die Architekten und Ingenieure waren es, welche so sehr auf die angekündigte Reform des Werkvertragsrechts, mit der insbesondere erwartungsgemäß den Besonderheiten des Architektenrechts besser gerecht werden sollte, warteten. Warum die Reform nun aber gerade bei diesen Gruppen für Bedrücktheit sorgt, erklärt Rechtsanwältin Jana Neumann.

Die Freude über das seit 01.01.2018 vorliegende neue Gesetz soll grundsätzlich tatsächlich groß sein. Dem Gesetzgeber wird bescheinigt, dass er mit bemerkenswerter Ausdauer und Sorgfalt ein mutiges Regelwerk erarbeitet habe, dass in weiten Teilen den Anforderungen eine von komplizierten rechtlichen, ökonomischen und technischen Zusammenhängen geprägten Wirtschaftszweigs durchaus gerecht würde.

I. Aber …


Erheblich getrübt ist die Freude allerdings gerade bei den Architekten und Ingenieuren; dies zum Einen wegen der Vielzahl weiterer zusätzlicher Pflichten und Verantwortlichkeiten in Hinblick auf den neuen Architekten- und Ingenieurvertrag i.V.m. den neuen im Vorfeld als sog. „Königsparagrafen“ angekündigten Regelungen des § 650p BGB .

Zum Anderen soll der Anspruch der Architekten – anders als der des Bauunternehmers – auf Vergütungsanpassung durch Änderungsanordnungen im Wege der sogenannten Bauverfügung nicht durchsetzbar sein; das Anordnungsrecht der Besteller gegenüber den Architekten bei Umplanungen hingegen schon.

Dies, obwohl doch das Gesetz zur Bauverfügung gerade kostenintensive Konflikte und eine Störung des Liquiditätsflusses der – also streng genommen aller – am Bau beteiligten Unternehmen vermeiden soll.

II. Zur Erinnerung


Der Unternehmer soll im Wege einer vorläufigen Pauschalierung während der Ausführung des Baues leicht zu begründende 80 % geschuldete Abschlagszahlungen erhalten, wenn sich die Partei nicht über die Mehrvergütung geeinigt haben.

Weniger Streitigkeiten über die Zumutbarkeit einer Änderungsanordnung des Bestellers sowie über die aus einer Änderungsanordnung folgende Vergütungsanpassung soll die Folge sein. Die grundsätzlich vorleistungspflichtigen Unternehmer sollen im besonderen Maße auf Liquidität – etwa durch an den neuen Leistungsumfang angepasste Abschlagszahlungen – angewiesen sein; vor allem dann, wenn es aufgrund der Änderungsanordnung(en) zu erheblichen Kostensteigerungen kommt – und diese so erhalten.

Erkannt wurde also vom Gesetzgeber, dass es dringend notwendig ist, Pattsituationen, Stillständen und Liquiditätsengpässen im Zusammenhang mit der Realisierung von Bauvorhaben entgegenzuwirken.

Deshalb wurde nun dem Besteller im Hinblick auf dessen Interessenlage nicht nur ein einseitiges, im Wege der einstweiligen Verfügung gem. § 650d BGB  durchsetzbares Anordnungsrecht sowohl gegenüber dem Bauunternehmer, sondern auch gegenüber den Architekten und Ingenieuren gem. § 650b BGB  eingeräumt.

Dafür hat der Gesetzgeber im Falle der Ausübung dieses Anordnungsrechts durch den Besteller eine Anpassung des dem Bauunternehmer zustehenden Vergütungsanspruchs auf der Grundlage von § 650c BGB  vorgesehen.

Darüber hinaus soll es über die Vorschrift der einstweiligen Verfügung gem. § 650d dem Unternehmer möglich sein, zügig einen Vergütungsanspruch bezüglich der geänderten Anforderungen titulieren zu lassen, d.h. nicht nur den Druck auf den Besteller zu erhöhen, sondern die Liquidität des Unternehmers zu fördern.

III. Das Problem


Ausgerechnet den Architekten und Ingenieuren als ebenfalls am Bau beteiligten Unternehmer, als diejenigen, ohne welche der Werkerfolg, hier das hergestellte mangelfreie Bauwerk als Ziel, in den allermeisten Fällen überhaupt nicht erreichbar wäre, hat der Gesetzgeber – folgt man dem Wortlaut des § 650q Abs. 1 – dieses „Privileg“ jedoch nicht zugebilligt.

Dies führt in der Praxis dazu, dass Auftraggeber an den bereits beauftragten Planer eine Vielzahl von Umplanungswünschen vor und während der Bauphase herantragen und diese umgesetzt wünschen, andererseits jedoch tatsächlich nicht bereit sind unter regelmäßig gleichlautender Argumentation jene, d.h. auch nicht im Wege von Abschlagszahlungen, entsprechend adäquat zu vergüten.

Selbst größere Architekturbüros als am Bau maßgeblich beteiligte Unternehmen geraten deshalb durchaus in angespannte Situationen, ja sogar wirtschaftliche Schieflagen.

Eine frühzeitig vorläufige Leistungsverweigerung wäre in einer solchen Situation theoretisch und rechtlich möglich – soll jedoch nach dem gesetzgeberischen Willen gerade vermieden werden.

Eine vorzeitige Beendigung durch Auftragnehmerkündigung ist in den allermeisten Fällen aufgrund der hohen Risiken insbesondere in Hinblick auf Darlegungs-, Beweis- und Kostenlast allesamt zulasten des Architekten im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung – zweifelsfrei ebenfalls keine praktikable Lösung. Aufgrund der beabsichtigten Vermeidung von Stillständen und Schäden dürfte auch eine solche vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt sein. Sie wird also die relative Ausnahme bleiben.

Es findet sich in keiner Kommentierung, aber auch in keinem Bericht, keiner Beschlussempfehlung, keinem Entwurf etc. rund um die Gesetzesreform zum Werkvertragsrecht eine plausible tragfähige Erklärung dafür, warum hier – jedenfalls nach dem Wortlaut des neuen Gesetzes – den Architekten und Ingenieuren gerade nicht das Recht eingeräumt wird, ebenfalls im Wege einer einstweiligen Verfügung ihren Anspruch auf Vergütungsanpassung bei Umplanungen respektive Änderungen des Leistungsziels geltend zu machen.

Hingegen der Besteller hat, wie vorerwähnt, das Recht, seine Änderungswünsche in Form von Anordnungen im Wege der einstweiligen Verfügung bei Architekten und Ingenieuren nicht nur zügig und einfach titulieren zu lassen, sondern damit auch durchsetzen zu können. Bereits diesem theoretischen Druckmittel fügt sich der Architekt bislang: ohne etwas Wirksames entgegensetzen zu können.

Das Anordnungsrecht des Bestellers im Architektenvertrag folgt der gleichen Systematik im Bau

vertrag. Es gibt insoweit keine Besonderheiten. Es zieht einen Honoraranpassungsanspruch unabhängig von den Willen des Bestellers nach sich. Ist keine Vergütung vereinbart, ergibt sich die Höhe des Anspruchs aus den Mindestsätzen der HOAI für die erbrachte Leistung.

Dass überhaupt kein Verweis auf die Anwendbarkeit der einstweiligen Verfügung, der Bauverfügung des § 650d erfolgt, soll nach überwiegender Auffassung ein redaktionelles Versehen sein. Insgesamt ließe der Gesetzgeber den Anwender zu dieser Frage jedoch ratlos zurück.

Häufig wird ein praktisches Bedürfnis für nachträgliche Änderungen bestehen. Dass der Gesetzgeber aber ausgerechnet dort, wo er in besonderem Maße ein Bedürfnis für Anordnungen sieht, den Parteien den zeitgleich im Gesetz eingeführten Konfliktlösungsmechanismus vorenthalten wollte, ist nicht anzunehmen.

Zudem ist es nach überwiegender Auffassung sachlich nicht zu rechtfertigen, den Unternehmer von Architekten- oder Ingenieurleistungen schlechter zu stellen als den Unternehmer von Bauleistungen.

§ 650d BGB  soll seinem Wortlaut nach zwar nur für Streitigkeiten nach Beginn der Bauausführung gelten, also wohl jedenfalls nicht für den dem vorgelagerten Planungsbereich; d.h. für die entsprechende Anwendung des § 650d BGB  auf den Architekten- und Ingenieurvertrag soll die Formulierung „nach Beginn der Bauausführung“ als „nach Leistungsbeginn bzw. Planungsbeginn“ – so die weiterführenden Überlegungen – verstanden werden.

Folgerichtig, konsequent – und letztendlich gerecht – wäre jedoch unabhängig von der Frage, ob es sich um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers, um bloße Ignoranz des Problems oder um andere nicht ablesbare Motivationen handelt, auch eine entsprechende Möglichkeit den Architekten und Ingenieuren einzuräumen.

Dies, auch wenn sich jedenfalls heute noch nicht absehen lässt, inwieweit die einstweilige Verfügung nach § 650d BGB  grundsätzlich überhaupt praxistauglich ist. Der aktuelle Erkenntnisgewinn diesbezüglich geht derzeit ziemlich genau auf Null.

Für die Anwendbarkeit der Bauverfügung bzgl. der Durchsetzung der Mehrvergleichsansprüche spricht darüber hinaus, dass zunächst nach dem Gesetzeswortlaut den Architekten und Ingenieuren auch kein Anspruch auf Sicherung ihres Honorars im Wege der Sicherungshypothek und der Bauhandwerkersicherung eingeräumt worden war bzw. ist, nach gefestigter Rechtsprechung jedoch – entgegen des Wortlautes – den Architekten und Ingenieuren längst ebenfalls Zugang zu diesen Sicherungsmitteln ermöglicht wird.

Des Weiteren gelten nach dem Wortlaut des § 650q Abs. 1 nicht nur die Vorschriften des Kap. 1 des Untertitels 1 entsprechend, sondern auch die §§ 650b, 650e-h.

Der für den Bauvertrag vorgesehene § 650c, die Vergütungsanpassung bei Anordnung gem. § 650b wird aufgrund der fehlenden Praktikabilität für den Architekten- und Ingenieurvertrag durch das Regelungsmodell des § 650q Rechnung getragen.

Es fehlt als Äquivalent die entsprechende Anwendbarkeit des § 650d für Abschlagszahlungsansprüche aufgrund geänderter Leistungen für Architekten und Ingenieure.

Es wäre unbillig, dieses Recht den Architekten und Ingenieuren nicht zuzugestehen.


- Ende des Auszugs -

Der vollständige Aufsatz „Bis dat, qui cito dat – Zwei mal gibt, wer schneller gibt“ – Bauverfügung auch für Architekten “ erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2019, 1047. Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.