Nie mehr Streit am Bau?

Bei fast jedem Großbauprojekt kommt es früher oder später zu Streitigkeiten, die oftmals vor Gericht enden. Das kostet in der Regel viel Geld und einige Nerven. Die Initiative „Teambuilding“ setzt auf Prävention, damit derlei Auseinandersetzungen gar nicht erst aufkommen. Dazu möchte das Team aus Juristen, Wissenschaftlern und Projektmanagern neue Vertragsformen konzipieren. Auch Mitglieder der ARGE Baurecht beteiligen sich an dem Projekt.

Für Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Breyer ist die Sache klar: Weil am Bau immer noch konfrontativ agiert wird, kommt es regelmäßig zu Streitigkeiten. Genau die will er vermeiden, obwohl er als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht unter anderem genau damit sein Geld verdient. Wie passt das zusammen? „Juristische Streitigkeiten am Bau haben am Ende keinen wirklichen Sieger. Ich sehe selten Mandanten, die uns Anwälten gratulieren, wenn wir sie vor Gericht oder die Schiedsgerichtbarkeit geführt haben“, erklärt Breyer in einem aktuellen Podcast der Managementberatung Porsche Consulting. Stattdessen seien die Mandanten dann glücklich, wenn man ressourcenbindende Streitigkeiten verhindert.

Systemimmanentes Problem der Branche

Damit es soweit kommt, sei eine grundlegende Revolution der Arbeitsweise – von der Planung bis zur Fertigstellung – notwendig. Breyer sieht ein systemimmanentes Problem der Branche. Denn aufgrund der bilateralen Vertragsverhältnisse arbeite jeder in seinem eigenen Interesse anstatt im Interesse des Projekts. Dadurch komme es zwangsläufig zu Konfrontationen zwischen einzelnen Beteiligten.

Einen weiteren grundlegenden Systemfehler sieht Breyer in der klaren Trennung zwischen Planungs- und Entwicklungsphase und der Ausführungsphase. Man nutze so nicht das Know-how der ausführenden Unternehmen im frühen Planungsprozess, was zu Problemen führt, die wiederum zu Streitigkeiten führen.

Prävention statt Konfrontation

Seiner Ansicht nach sind diese Systeme über Jahrhunderte gewachsen und etabliert, weshalb sich die Kritik bis heute in Grenzen hält. Doch mit der zunehmenden Komplexität der Bauprojekte sind die Strukturen an ihre Grenzen gelangt. In Deutschland stehen mit dem Flughafen BER oder Stuttgart 21 beispielhafte Mahnmale des Systemversagens. Breyer stellt klar, dass dies kein deutsches Problem ist. Allerdings reagierten Länder wie Australien, USA oder England deutlich früher auf die Problematik und setzen teilweise seit Jahren neue Modelle der Projektentwicklung ein. Dort probiere man bereits, das Gegeneinander aufzulösen, die Expertise anderer Dienstleister frühzeitig einzubeziehen und „hierfür eine Plattform zu schaffen, die eine Zusammenarbeit eines Teams, das ausschließlich nach dem Kriterium der Expertise und nicht nach dem des Preises – und damit des Billigsten – ausgesucht wird“, so Breyer im Interview.

Damit einher geht eine ebenso drastische Veränderung der anwaltlichen Rolle in solch einem Projekt. Breyer: „Wir sind in diesem Zusammenhang nicht der klassische Vertreter von Individualinteressen eines Mandanten. Wir sind als Infrastructure Planning and Design (IPD)-Berater zusammen mit anderen Vertretern aus dem nichtrechtlichen Bereich Vertreter der Interessen aller Teammitglieder – und damit des Projekts.“ Damit das funktioniert, müssen alle Beteiligten umdenken und die neuen Herausforderungen annehmen.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit großer Namen

Um die Revolution voranzutreiben, startete Breyer mit Partnern die Initiative Teambuilding. Dazu gehören namhafte Bauherren (z. B. BMW AG, DB Netz AG oder ECE Projektmanagement GmbH. & Co. KG), Planungsunternehmen (z. B. Albert Speer & Partner GmbH) sowie Bauunternehmen (z.B. HOCHTIEF AG, Lindner AG). Im siebenköpfigen Organisationsteam der Initiative sind mit Prof. Dr. Antje Boldt, Rechtsanwalt Prof. Stefan Leupertz und Rechtsanwalt Andreas J. Roquette gleich drei Mitglieder der ARGE Baurecht vertreten.

Gemeinsam soll ein Modell zur integrativen Projektabwicklung entwickelt werden, das wesentliche Gestaltungsparameter aufzeigt und unterschiedliche Gestaltungsoptionen unter Berücksichtigung vertragsrechtlicher, vergaberechtlicher und marktstruktureller Besonderheiten in Deutschland diskutiert. Weiter soll ein Leitfaden für die Projektbeteiligten entwickelt werden, der das Projektabwicklungsmodell erläutert und mögliche Organisations- und Verfahrensgestaltungen aufzeigt. Zu guter Letzt steht die Entwicklung von Vertragsstrukturen und -klauseln für Mehrparteienverträge zur vertraglichen Umsetzung des erarbeiteten Projektabwicklungsmodells auf dem Plan.