Mitglieder der ARGE Baurecht testen die neue Software von Wolters Kluwer

Software für Baurechtler: „bis zu 50 Prozent Zeitersparnis“

Seit April können Mitglieder der ARGE Baurecht CaseWorX von Wolters Kluwer testen. Die neue LegalTech-Anwendung zur digitalen Bearbeitung baurechtlicher Fälle soll die Arbeit am Schreibtisch und vor Gericht deutlich effizienter machen. Wir sprachen mit Rechtsanwalt Martin Straube über seine Erfahrungen, die er mit der ersten testfähigen Version der Software in der Praxis sammelte. Der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sieht viel Potenzial, aber auch noch einige offene Baustellen.

Herr Straube, warum haben Sie am Alphatest einer LegalTech-Anwendung zur digitalen Fallbearbeitung teilgenommen?

Unsere Kanzlei ist äußerst technikaffin und wir haben an neuen Möglichkeiten generell ein hohes Interesse. Schon seit 2009 arbeiten wir teilweise digital. Das heißt, wir haben alle Akten gescannt und somit eine doppelte Aktenführung praktiziert. Als Ende 2015 die ersten Veranstaltungen zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) losgingen, wurde es von vielen noch nicht ernst genommen. Von uns aber schon, weil wir zuvor bereits das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) genutzt haben. Deswegen habe ich damals die klare Ansage gemacht, dass wir zum Jahreswechsel die Papierakte abschaffen. Dazu müssen Sie sämtliche Kanzleiabläufe vollständig ändern und umstellen: Verfügung, Erledigungsverfügung, das Absenden von Dokumenten – das muss sich dann alles aus dieser elektronischen Akte erledigen. Das war kein einfacher Prozess, aber er hat sich alle Male gelohnt! Wenn Sie bei uns anrufen, sucht auf jeden Fall niemand mehr nach einer Akte!

Was waren Ihre Erwartungen an die Software?

Wir hatten die Vorstellung, dass die Idee von Wolters Kluwer für uns interessant sein könnte, um mit den Spezifitäten im baurechtlichen Mandat besser umgehen zu können. Wir haben erwartet, eine Option kennenzulernen, die eine schnellere Datenaufbereitung und -verarbeitung sowie einen insgesamt deutlich beschleunigten Zugriff auf die Daten ermöglicht. Darum waren wir im Test dabei.

Inwieweit wurden diese Erwartungen erfüllt?

Theoretisch sehr, praktisch jedoch etwas weniger. Dazu möchte ich aber nochmal betonen, dass die Software noch in der Testphase ist.
Die Idee, dass man die "Maschine füttert", indem man zwei Leitz-Ordner einscannt und die Daten aufbereitet zurückbekommt, ist großartig. Aber im aktuellen Entwicklungsstatus ist das Tool noch nicht praxistauglich.Das liegt vor allem an der automatisierten Dokumentenerkennung. Da muss derzeit noch zu viel von Hand nachgearbeitet werden, wodurch ein Großteil der Zeitersparnis wegfällt. Wenn man die Nacharbeit jedoch erledigt hat, liefert einem die Software Möglichkeiten, gut mit dem Stoff, den Sachverhalten, den Urkunden usw. umzugehen.

Haben Sie mit echten Fällen getestet?

Ja, wir haben direkt neue Mandate genommen.

Was gefällt Ihnen gut?

Bei der Software selbst hat mir auf Anhieb die gut zu bedienende Benutzeroberfläche gefallen. Aber allein die Idee, überhaupt etwas in die Richtung zu machen, ist großartig! Denn gerade in unserem Rechtsgebiet sind wir oftmals mit komplexen Situationen konfrontiert, deren juristische Streitigkeiten gerne mehrere Jahre dauern. Da den Überblick zu bewahren, ist nicht immer leicht – kann mit dieser Software durch die Strukturierung der Daten aber enorm vereinfacht werden! Das wird zu einem ganz erheblichen Wettbewerbsvorteil führen:

  1. gegenüber anderen Kanzleien, weil man schneller und genauer ist (und im Baurecht geht es oft um Genauigkeit: eine einzige Frist kann möglicherweise den ganzen Fall kippen, also muss alles ordentlich dokumentiert sein)  
  2. im Gerichtssaal, wo wir mit unserem Notebook sitzen und nun direkten Zugriff auf alle relevanten Daten haben. Wir müssen also nicht mehr in den dicken Ordnern wühlen, sondern haben mit einem Klick sofort das, was wir brauchen.

Aus meiner Sicht wäre es sogar sinnvoll, eine solche Anwendung in den Baukammern der Gerichte zu implementieren. Das wäre ein gewaltiger Schritt.

Und welche Ausstattungsmerkmale gefallen Ihnen am besten?

Wenn man alle Dokumente hinterlegt (und notfalls manuell aufbereitet) hat, bekommt man einen sehr nützlichen Zeitstrahl. Man erhält also entlang einer Zeitlinie eine sehr übersichtliche und schöne grafische Anordnung, wann was passiert ist: wann waren die Verhandlungen, wann wurde das Leistungsverzeichnis rausgeschickt, wann wurde das Vergabegespräch geführt, wann wurde der Vertrag geschlossen usw. All diese wichtigen Sachen kann man sich sehr schön anzeigen lassen, wodurch man sehr schnell einen guten Überblick erhält.
Eine weitere gute Funktion ist der Schnellfilter zur Vertragssituation. Speziell bei größeren und komplexeren baurechtlichen Fällen kann der super helfen. Angenommen Sie haben 20 oder noch mehr Beteiligte, geht das schon in Richtung Projektsteuerungssoftware – und das ist richtig gut. Bei kleineren Mandaten brauche ich diese Hilfe in der Regel nicht.

Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?

Die größte Baustelle ist derzeit noch die automatische Erkennung aller Teile der Dokumente, auch der handschriftlichen. Es gibt einen Bauvertrag, dann gibt es ein Verhandlungsprotokoll und es gibt ein Leistungsverzeichnis. Das Verhandlungsprotokoll wird in der Regel handschriftlich geführt, der Bauvertrag handschriftlich mit Datum unterzeichnet – wie soll die Software das erkennen und einlesen? Wenn diese Probleme aber behoben werden und man zukünftig guten Gewissens die Dokumente digital durchforsten kann, ohne die Angst zu haben, dass etwas möglicherweise falsch oder gar nicht erkannt wurde, dann wäre das ein riesiger Sprung! Aber das ist den Entwicklern bewusst und sie arbeiten hart an der weiteren Verbesserung.

Wie hoch schätzen Sie die Arbeits- bzw. Zeitersparnis ein?

Sehr hoch! Das Problem an baurechtlichen Auseinandersetzungen ist, dass man oftmals über Jahre streitet. Sie müssen sich also immer wieder in den Fall reindenken, nachgucken, wie es genau war und was genau geschrieben wurde und dann beginnen Sie zu suchen. Diese Suchzeit zu verkürzen und alles in einer grafischen Übersicht zu haben, das kann sehr viel Zeit sparen. Bei langen Verfahren schätze ich die Zeitersparnis problemlos auf 40 bis 50 Prozent.

Herr Straube, wir danken Ihnen für das Gespräch


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