Legal Tech für die Baurechtskanzlei

Die ARGE Baurecht unterstützt die Entwicklung eines LegalTech-Tools von Wolters Kluwer, das den Kanzleialltag, insbesondere die Bearbeitung baurechtlicher Fälle, zukunftsfähig machen will (wir berichteten). Am 19. Juni fand ein erster Workshop mit Mitgliedern der ARGE Baurecht in Hamburg statt. Die Teilnehmer diskutierten die vorgestellten Lösungsansätze zur Vereinfachung sachverhaltsbezogener Tätigkeiten. Johannes Klostermann, Leiter des Entwicklungsteams von Wolters Kluwer zeigt sich zufrieden: „Unsere Ideen fanden positiven Anklang, zugleich nahmen wir aber auch viele Anregungen zu kleinen oder größeren Verbesserungen mit.“ In einem ausführlichen Nachbericht berichtet Rechtsanwalt Jan Ole Bolten, selbst Teilnehmer des Workshops, über seine Eindrücke und die wichtigsten Erkenntnisse.

Der erste Hamburger Workshop von Wolters Kluwers geplanter Allzweckwaffe gegen den Schrecken „Leitz-Ordner“, genannt privates Baurecht, fand am 20. Juni 2018 in dem Hamburger Büro von BÖRGERS Rechtsanwälte statt.

Wolters Kluwer steckt mitten in der Entwicklung einer Softwarelösung für Baurechtsanwälte. Zu diesem Zweck finden laufend Interviews und Workshops mit Baurechtlern statt. Bei den Meetings geht es darum, die typischen Probleme des baurechtlichen Mandats aufzudecken und gemeinsam mögliche Lösungsansätze zu erarbeiten. Die Idee ist es, eine Anwendung nicht allein für, sondern zusammen mit Baurechtsanwälten zu entwickeln. Es geht dabei aber nicht um die Schaffung einer alternativen Kanzleisoftware. Auch ist es nicht beabsichtigt, die Arbeit des Rechtsanwalts zu ersetzen. In der Sache geht es vielmehr darum, die konkrete Fallarbeit des Baurechtsanwalts sehr viel effizienter zu gestalten.

Teilnehmer schwanken zwischen Begeisterung und offener Skepsis

Im Hamburger Workshop äußerten die Teilnehmer Anregungen und Kritik, die mit Dank entgegengenommen wurden und auch ausdrücklich erwünscht waren. Konkrete Wünsche äußerten sich eher in Richtung Rechtsanwendung. So ging es um die automatisierte Vertragsgestaltung. Auch wurde der Wunsch nach einer automatisierten Wirksamkeitsprüfung von Vertragsklauseln laut. Während des Workshops kam es neben solchen Anregungen zu einer regen Diskussion darüber, ob eine Software die beabsichtigte Arbeitserleichterung überhaupt leisten könne. Dabei schwankten die Meinungen der fast ausschließlich optimistisch eingestellten Teilnehmer zwischen Begeisterung und offener Skepsis.

Konsens bestand allerdings darin, dass insbesondere die Sachverhaltsaufarbeitung eines baurechtlichen Mandats ein besonders hohes Frustpotential und erheblichen Arbeitsaufwand generiere. Genau das ist auch das Ergebnis der zahlreichen Interviews und Workshops der Vergangenheit. Dieses Ergebnis wird den Baurechtler auch nicht sonderlich überraschen. Nicht selten hat man es im Baurecht mit sehr komplexen und technisch wie rechtlich anspruchsvollen Sachverhalten zu tun. Bis zur Zuziehung professioneller rechtlicher Beratung sind vielfach bereits Jahre vergangen, infolge dessen hat sich eine Vielzahl von Dokumenten angesammelt. Aber auch ein anfänglich noch überschaubares Mandat kann nicht nur im Ausnahmefall ganze Regale voller „Leitz-Ordner“ füllen. Der Mandant ist oftmals nicht in der Lage oder nicht gewillt, (rechtlich) relevante Unterlagen herauszufiltern. So obliegt es häufig dem Rechtsanwalt, die Unterlagen zu sortieren und den Sachverhalt unter Beachtung der rechtlichen Situation von Beginn an neu aufzuarbeiten.

Konsequenterweise konzentriert sich die Entwicklung der Softwarelösung (zunächst) schwerpunktmäßig vor allem auf die Unterstützung bei der forensischen Arbeitsbewältigung.

Sachverhaltsbezogene Tätigkeiten effizienter gestalten

Zielvorstellung ist es dabei nicht, dem Baurechtsanwalt diese Sachverhaltsarbeit vollständig abzunehmen. Umgekehrt soll sich die Leistung der Anwendung aber auch nicht nur auf die Erste Hilfe bei der Sachverhaltserfassung beschränken. Vielmehr wird darauf hingearbeitet, die sachverhaltsbezogene Tätigkeit über die gesamte Zeit des laufenden Mandats effizienter zu gestalten. Der Rechtsanwalt hat – zumindest ist ihm dies zu wünschen – mit einer Vielzahl von laufenden Verfahren zu tun. Bei komplexen Verfahren ginge – insoweit bestand wiederum Konsens – immense Zeit allein dadurch verloren, dass der Sachverhalt – beispielsweise bei einem neuen gegnerischen Schriftsatz, einem außergerichtlichen Schreiben oder aber einem gerichtlichen Hinweis –  jedes Mal wieder aufs Neue erschlossen werden muss. Diese Zeit soll durch logische und am Fall orientierte Sortierung relevanter Dokumente erheblich verkürzt werden.

Zum Beispiel soll eine Timeline auf Makroebene einen ersten Überblick über den Verlauf des Verfahrens schaffen. Dies ermögliche den Zugriff auf essentielle Daten vom Vertragsschluss über die Abnahme bis zum aktuellen Stand auf einen Blick. Im Einzelnen soll es möglich sein, die jeweils relevanten Dokumente den in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zuzuordnen. Dies aber nur als Beispiel. Denn in der Gestaltung soll der bearbeitende Rechtsanwalt je nach eigenen Vorlieben und unter Rücksichtnahme auf das konkrete Mandat völlig frei sein. Das schnellere Erfassen des rechtlich relevanten Sachverhalts durch Zuordnung (und Ausklammern) einzelner Teilaspekte soll auch eine Arbeitsteilung einfacher gestalten oder überhaupt erst in effizienter Weise ermöglicht werden.

Rechtliche Relevanz mit einem Klick überprüfen

Abgesehen von der sachverhaltsbezogenen Arbeitserleichterung ist es im Rahmen der konkreten Rechtsanwendung schon jetzt möglich, vom Gegner oder vom Gericht zitierte Rechtsprechung mit einem Klick direkt über die Software anzeigen zu lassen, um so beispielsweise eine unmittelbare Überprüfung rechtlicher Relevanz zu ermöglichen. Sehr viel weitergehende Unterstützung in der Rechtsanwendung sind zwar geplant, aber noch Zukunftsmusik. Dabei geht es beispielhaft um die automatisierte Rechtsrecherche und um die selbstständige Zuordnung ähnlich gelagerter Fälle.

Ob sich die Softwarelösung von Wolters Kluwer tatsächlich durchsetzt, wird sich zeigen. Es dürfte aber zumindest fahrlässig sein, zu glauben, dass solche oder ähnliche technische Anwendungen, die anwaltliche Tätigkeit in naher Zukunft vollständig unberührt lassen werden. Zumindest kann es nicht schaden, die aktuelle Entwicklung des Legal Tech im Blick zu behalten. Dies vor allem dann, wenn es sich um eine Software handelt, die speziell auf das baurechtliche Mandat zugeschnitten ist.