Neue Bauzeit nicht akzeptiert: Kein Vertrag zu Stande gekommen!

BGH, Urteil vom 03.07.2020 - VII ZR 144/19 BGB §§ 133, 150 Abs. 2

Erteilt der Auftraggeber nach einem verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren einem Bieter den Zuschlag und gibt er in dem Auftragsschreiben verbindlich neue Vertragstermine vor, kommt kein Bauvertrag zu Stande, wenn sich der Bieter mit den geänderten Vertragsfristen nicht einverstanden erklärt.

BGH, Urteil vom 03.07.2020 - VII ZR 144/19

BGB §§ 133, 150 Abs. 2

Problem/Sachverhalt

Eine öffentliche Ausschreibung über Straßenbauarbeiten verzögert sich aufgrund eines Vergabenachprüfungsverfahrens. Bieter B erklärt sich mit der Verlängerung der Bindefrist vom 09.03.2018 auf den 04.05.2018 einverstanden. Am 13.04.2018 erteilt der Auftraggeber (AG) dem B den Zuschlag. Im Zuschlagsschreiben heißt es: "Die Vertragsfristen (...) werden wie folgt neu festgelegt: Beginn der Ausführung frühestens am 04.05.2018 (...), Vollendung spätestens am 15.08.2018. (...) Ich fordere Sie auf, sich (...) unverzüglich über die Annahme des vorliegenden Zuschlagsschreibens zu erklären." B bedankt sich schriftlich für die Zuschlagserteilung und teilt dem AG mit, der gewünschte Realisierungszeitraum könne derzeit nicht bestätigt werden. Der AG ist der Meinung, sein modifiziertes Angebot habe B nicht akzeptiert, und hebt die Ausschreibung auf. Damit ist B nicht einverstanden. Er will festgestellt wissen, dass ein Vertrag mit dem AG zu Stande gekommen sei, hilfsweise verlangt er Schadensersatz. Nachdem er vor dem Landgericht und dem OLG (IBR 2019, 687) unterlegen ist, legt B Revision zum BGH ein.

Entscheidung

Auch die bleibt erfolglos! B hat das Angebot des AG vom 13.04.2018 nicht unverändert angenommen, so dass es nicht zu einem Vertragsschluss gekommen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein Zuschlag selbst dann zu den angebotenen Fristen erfolgen, wenn diese nicht mehr eingehalten werden können. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Zuschlag erfolgt, ohne dass er ausdrückliche Erklärungen zur Anpassung der vorgesehenen Regelungen zur Bauzeit oder zur hiervon abhängigen Vergütung enthält. Will der Auftraggeber vom Vertragswillen des Bieters abweichen, muss er dies in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringen. Fehlt es daran, kommt der Vertrag zu den Bedingungen des Angebots zu Stande (u. a. BGH, IBR 2010, 54; IBR 2009, 311). Für eine solche Auslegung ist indes kein Raum, wenn sich aus dem Zuschlagsschreiben eindeutig ergibt, dass die neue Bauzeit Bestandteil des Vertrags werden soll. Das ist etwa der Fall, wenn über die Bauzeit nicht mehr verhandelt werden soll, der Auftraggeber sie also einseitig vorgibt und er dem Bieter nur die Möglichkeit lässt, sie als Vertragsbestandteil anzunehmen und das so geänderte Angebot - eventuell verbunden mit einem eigenen Vorschlag - abzulehnen. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Dass das Vorgehen des AG möglichweise vergaberechtswidrig ist (vgl. § 15 Abs. 3 VOB/A 2016), rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass sich ein öffentlicher Auftraggeber stets vergaberechtskonform verhält. Maßgeblich für das Zustandekommen eines auf der Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung zu schließenden Vertrags sind die Vorschriften des BGB (vgl. BGH, IBR 2012, 630), nicht die der VOB/A.

Praxishinweis

Akzeptiert der Bieter die vom Auftraggeber verbindlich vorgegebene neue Bauzeit nicht, gilt seine "Annahmeerklärung" als Ablehnung des Angebots, verbundenen mit einem neuen Antrag (§ 150 Abs. 2 BGB), den der Auftraggeber annehmen kann, aber nicht muss. Will sich der Bieter den Auftrag nicht entgehen lassen, aber einen eigenen Vorschlag zur Bauzeit machen, muss er das (modifizierte) Angebot uneingeschränkt akzeptieren und kann in Bezug auf die Termine lediglich ein Änderungs- oder Ergänzungsangebot unterbreiten (s. BGH, NJW 2001, 221, 222). Auf dieses braucht der Auftraggeber sich aber nicht einzulassen.

 

RA Dr. Stephan Bolz, Mannheim

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