Die Benutzung des Nachbargrundstücks für Baumaßnahmen auf eigenem Grundstück

BGH, Urteil vom 14.12.2012 - V ZR 49/12 zum nordrhein-westfälischen Nachbarrechtsgesetz

Bauarbeiten am eigenen Gebäude können nicht immer vom eigenen Grundstück aus durchgeführt werden. Der Bauherr begehrt in diesen Fällen die zumindest zeitweise Benutzung des Nachbargrundstückes zur Durchführung seiner Baumaßnahme.

Ausgangssituation:

Oftmals sieht sich der Nachbar bzw. Nutzer oder Eigentümer des Nachbargrundstücks nicht allein aus Gründen des „guten nachbarschaftlichen Verhältnisses“ dazu veranlasst, Zugang zu seinem Grundstück oder dessen Benutzung zu gewähren. Kann keine einvernehmliche Lösung gefunden werden, kommt es auf die streitige Geltendmachung der Rechte des Bauherrn gegenüber dem Nachbarn an, die im Rahmen des sogenannten Hammerschlags- und Leiterrechts bestehen. Es handelt sich bei diesen Rechten um ein gelegentlich relevantes Randgebiet des Baurechts, das nicht im BGB geregelt ist. Regelungen finden sich in den Nachbargesetzen der meisten Bundesländer. Die Geltendmachung und Abwehrmöglichkeiten können an folgendem Beispiel erläutert werden.

Beispiel:

(Nach BGH, Urteil vom 14.12.2012 - V ZR 49/12 zum nordrhein-westfälischen Nachbarrechtsgesetz)

Ein Bauherr will an der Giebelwand seines eigenen Gebäudes Malerarbeiten durchführen. Hierzu beabsichtigt er ein Gerüst aufzustellen. Dieses Gerüst kann aufgrund der engen Bebauung jedoch nur auf dem Nachbargrundstück aufgestellt werden. Dies teilt der Bauherr dem Nachbarn im Frühjahr 2009 mit und bezieht sich dabei auch auf den Zeitraum und das Datum der beabsichtigten Arbeiten für den Sommer 2009. Der Nachbar verweigert die Benutzung seines Grundstücks.

Daher erhebt der Bauherr Klage gerichtet auf Duldung der Aufstellung des Gerüstes und Benutzung des Nachbargrundstücks durch die Handwerker zum Besteigen des Gerüstes. Das Gerichtsverfahren dauert seine gewöhnliche Zeit, so dass das ursprünglich beabsichtigte Datum der Bauarbeiten im Sommer 2009 nicht eingehalten werden kann. Es ergeht ein Urteil des Instanzgerichts, dass gemäß der landesrechtlichen Vorschrift des § 24 NachbG NRW, den Nachbarn zur Duldung verpflichtet. Wegen des mittlerweile erreichen Datums nach 2009 stellt es diese Duldung allerdings unter eine Bedingung. Als Bedingung urteilt es die nochmalige schriftliche Mitteilung des Zeitraums der Arbeiten an und zwar für mindestens einen Monat vorher. Das Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof wird eingelegt.

Der Bundesgerichtshof verweist zurück an das Instanzgericht, da die getroffenen Feststellungen zur endgültigen Beurteilung nicht ausreichen. Hierbei legt der Bundesgerichtshof insbesondere Wert auf folgende Differenzierung: Nicht alle Malerarbeiten sind Instandsetzungsarbeiten. Aber nur solche begründen den Duldungsanspruch. Eine Instandsetzung setzt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs voraus, dass eine Reparaturbedürftigkeit oder zumindest ein Bedarf an Unterhaltungsarbeiten bestand, ansonsten handelt es sich nur um Verschönerungsmaßnahmen, die den Duldungsanspruch nicht begründen können. Hierzu war dem Bundesgerichtshof offenbar auch der Sachvortrag zum Inhalt und Umfang der Malerarbeiten nicht ausreichend. Außerdem hängt hiervon auch die Beurteilung ab, in welchem räumlichen Umfang das Nachbargrundstück in Anspruch genommen werden muss.

Im Übrigen wendet sich der Bundesgerichtshof gegen die ausgeurteilte Bedingung. Denn die form- und fristgerechte Anzeige ist eine Voraussetzung für die Ausübung des Rechts und keine Bedingung.

Hinweis:

Der Bundesgerichtshof hat erkannt, dass der Klageantrag wegen der ungewissen Dauer des Gerichtsverfahrens nicht ein fixes Datum enthalten kann und schlägt vor, den Klageantrag dahingehend zu formulieren, dass die Arbeiten erst einen Monat nach dem Zugang der Mitteilung über den beabsichtigten Arbeitsbeginn ausgeführt werden. Die unterschiedlichen Gesetze der Länder enthalten allerdings teils abweichende Fristen. Der Antrag auf eine Verurteilung sollte die Arbeiten außerdem ihrer Art nach konkret aufführen und eine bestimmte Dauer angeben.

Im Streitfall kann sich der Bauherr nicht auf das Selbsthilferecht des § 904 BGB berufen, sondern hat die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Die Mitteilung ist dann gemäß § 726 Abs. 1 ZPO durch eine öffentliche Urkunde, beispielsweise ein Gerichtsvollzieherprotokoll nachzuweisen.

Auch wenn es nicht zu einem Gerichtsverfahren kommen muss, ist für den Bauherrn in jedem Fall eine Bestandsaufnahme ratsam, da er ggf. Schadensersatz zur Beseitigung des „Flurschadens“ zu leisten hat. Je nach landesrechtlicher Regelung kann der Nachbar wegen eines wahrscheinlichen Schadensersatzanspruchs die Leistung einer Sicherheit verlangen und ansonsten die Duldung zunächst verweigern. Diesbezüglich wäre seitens des Nachbars im Klageverfahren auf ein Zug-um-Zug Urteil hinzuwirken. Verschiedene landesrechtliche Regelungen sehen außerdem eine Anspruchsgrundlage für den Nachbarn vor, eine Entschädigung in Geld für seine ausgeschlossene Nutzungsmöglichkeit während der Dauer der Duldung zu verlangen.

 

Rechtsanwalt Johannes Jochem

RJ Anwälte, Wiesbaden