Wann verjähren verzugsbedingte Ansprüche aus dem Bau- und Planervertrag? - Teil 2

Größere Bauvorhaben können häufig nicht innerhalb der vertraglich vorgesehenen Ausführungszeit fertiggestellt werden. Es entstehen, je nach Verantwortlichkeit für die Verzögerung, verzugsbedingte Ansprüche des Bauherrn oder des Auftragnehmers, die nicht selten von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für die Parteien sind.

Die substantiierte Aufbereitung dieser bauzeitbezogenen Ansprüche ist regelmäßig aufwändig und wird nachvollziehbarerweise meist erst nach Fertigstellung des Bauvorhabens vorgenommen, wenn die Gesamtverzögerung feststeht und man die konkreten Auswirkungen einzelner Störungsereignisse kennt. Bei langjährigen Bauvorhaben, aber auch bei lang andauernden rechtlichen Auseinandersetzungen mit Konsequenzen für die Fertigstellung sollte daher eine mögliche Verjährung von verzugsbedingten Ansprüchen stets im Blick behalten werden. Voraussetzung hierfür wiederum ist, dass Klarheit im Hinblick auf den Lauf der Verjährung, insbesondere deren Beginn, Dauer und Ende, besteht. Diese zu verschaffen, ist das Anliegen des vorliegenden zweiteiligen Beitrags, der im nächsten Heft der BauR fortgesetzt wird.

Aufbauend auf einer Analyse des Verjährungsbeginns verzugsbedingter Ansprüche (abgedruckt in Heft 10/2021, BauR 2021,1521 ), deren Ergebnis noch einmal kurz zusammengefasst wird (I.), wird insbesondere die Anwendbarkeit von § 217 BGB , wonach abhängige Nebenleistungen mit dem Hauptanspruch verjähren, für das Verjährungsende bei verzugsbedingten Ansprüchen näher betrachtet (II.2.), bevor die bei den einzelnen Ansprüchen des Auftraggebers (III.) ebenso wie des Auftragnehmers (IV.) im BGB- und VOB/B-Vertrag geltenden Verjährungsregeln dargestellt werden.

I. Verjährungsbeginn

Für die einschlägigen verzugsbedingten Ansprüche gilt die Regelverjährung gem. §§ 195 , 199 BGB .  Nach § 199 Abs. 1 BGB  beginnt die dreijährige Regelverjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Ein Anspruch ist entstanden, sobald der Gläubiger die Leistung fordern und klageweise durchsetzen kann. Das ist grundsätzlich mit Fälligkeit der Leistungspflicht gem. § 271 BGB  gegeben.

Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit ist der infolge eines bestimmten einheitlichen Verhaltens des Schädigers eingetretene Schaden grundsätzlich als ein einheitliches Ganzes aufzufassen, so dass für den Anspruch auf Ersatz dieses Schadens einschließlich aller weiteren adäquat-kausal zurechenbaren Nachteile eine einheitliche Verjährungsfrist läuft, sobald irgendein erster (Teil-) Schaden entstanden ist.  Von der Schadenseinheit nicht mehr umfasst sind später auftretende Schadensfolgen allerdings dann, wenn mit ihnen beim Auftreten des ersten Schadens nicht gerechnet werden konnte.

Bei konsequenter Anwendung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gilt für den Verjährungsbeginn bei verzugsbedingten Ansprüchen Folgendes:

  • Jede Pflichtverletzung (Tatbestandsverwirklichung) begründet einen eigenständigen Anspruch mit eigenem Verjährungsbeginn.
  • Die Pflichtverletzung besteht bei verzugsbedingten Ansprüchen in der Nichterfüllung der Leistungspflicht zum Zeitpunkt der Fälligkeit bzw. Mahnung (Verzugseintritt).
  • Aus dem Leistungsstand sowie den Umständen bei Verzugseintritt ergibt sich die voraussichtliche Verzugsdauer und damit auch ein neuer Fälligkeitstermin.

Die Nichteinhaltung des neuen Fälligkeitstermins aufgrund weiterer Störungsereignisse während des Verzugs führt zu einer erneuten Pflichtverletzung, die einen weiteren Anspruch mit eigenem 

  • Verjährungsbeginn begründet
  • Für verzugsbedingte Ansprüche gilt der Grundsatz der Schadenseinheit.
  • Bei länger als einen Tag andauernden Störungssachverhalten handelt es sich so lange um ein einheitliches, bereits mit dem Beginn der Störung eingetretenes Störungsereignis, bis es dem Schuldner möglich ist, die Störung zu beenden.

Danach wird mit jeder Pflichtverletzung, also mit jeder Verwirklichung des Verzugstatbestandes, verjährungsrechtlich ein eigenständiger Anspruch begründet, dem alle bis dahin eingetretenen, anspruchsrelevanten Störungsereignisse zuzurechnen sind und der alle während der voraussichtlichen Verzugsdauer eintretenden, vorhersehbaren Rechtsfolgen umfasst; die Verjährung dieses Anspruchs beginnt mit Ende des Jahres des ersten Eintritts einer adäquat-kausalen Rechtsfolge und Kenntnis des Gläubigers.

Zu einer erneuten Pflichtverletzung und damit zu einem weiteren, verjährungsrechtlich eigenständigen Anspruch mit eigenem Verjährungsbeginn kommt es, wenn der Schuldner auch einen fortgeschriebenen Fertigstellungstermin aufgrund weiterer Störungsereignisse während des Verzugs nicht einhalten kann. Im Falle einer andauernden Pflichtverletzung, also dann, wenn der Schuldner bei Fälligkeit nicht leistet, obwohl er hierzu in der Lage ist, wird somit täglich ein neuer Anspruch mit eigenem Verjährungsbeginn begründet.


WEITERE TEILE DER AUFSATZSERIE VON RECHTSANWALT MARTIN STEINER

TEIL 1  TEIL 3


II. Verjährungsende

1. Regelablauf, Hemmung und Höchstfrist

Die Regelverjährung endet gem. §§ 195 , 199 BGB  drei Jahre nach dem Jahr der Anspruchsentstehung und Kenntnis des Gläubigers i.S.v. § 199 Abs. 1 BGB . Die Verjährung kann insbesondere durch Verhandlungen (§ 203 BGB ) und Rechtsverfolgung (§ 204 BGB ) gehemmt werden, wobei sich der Hemmungstatbestand unmittelbar auf den verzugsbedingten Anspruch beziehen muss; eine Auseinandersetzung allein über den zugrunde liegenden Erfüllungsanspruches genügt nicht (hierzu nachfolgend unter 2.).

Auch unabhängig von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers verjähren die Ansprüche gem. § 199 Abs. 3 , Abs. 4 BGB  spätestens nach zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Diese Höchstfrist dürfte bei verzugsbedingten Ansprüchen jedoch nur ganz ausnahmsweise dann relevant werden können, wenn sich der Gläubiger lange Zeit über die Person des Schuldners, also den für den Verzug Verantwortlichen, im Irrtum befindet, ohne dass ihm deswegen grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.

2. Verjährung mit dem Hauptanspruch, § 217 BGB

Von besonderer Bedeutung für das Verjährungsende verzugsbedingter Ansprüche ist § 217 BGB , wonach der Anspruch auf eine vom Hauptanspruch abhängige Nebenleistung gemeinsam mit dem Hauptanspruch verjährt, auch wenn die Verjährung für den Nebenanspruch selbst noch nicht eingetreten ist.

a) Abhängige Nebenleistung

Abhängige Nebenleistungen i.S.v. § 217 BGB  sind solche Ansprüche, die ohne den Hauptanspruch nicht entstehen können.  Sie stehen mit dem Hauptanspruch in einem inneren Zusammenhang und werden zusätzlich zu diesem geschuldet.  Für die Anwendung auf verzugsbedingte Ansprüche gilt:

aa) Zinsen

Zinsansprüche gehören neben Ansprüchen auf Früchte, Nutzungen und Kosten zu den klassischen Anwendungsfällen des § 217 BGB .  Für vertragliche oder gesetzliche Zinsen, für Prozesszinsen  und auch für Verzugszinsen  gilt daher nach allgemeiner Meinung, dass sie als unselbständige Nebenleistungen spätestens mit der Verjährung des Hauptanspruchs verjähren.

bb) Verzugsschadensersatz

Gleiches gilt nach ständiger Rechtsprechung13  und ganz herrschender Meinung in der Literatur14  auch für Ansprüche auf Ersatz von Verzugsschäden, wobei § 217 BGB  teilweise für unmittelbar anwendbar gehalten,15  teilweise aber auch analog herangezogen16  wird.

Im Werkvertrag ist das bspw. dann von praktischer Relevanz, wenn die Parteien mehrere Jahre (nur) über die Berechtigung von Abschlags- oder Schlussrechnungsforderungen des Auftragnehmers streiten, wobei der Bauherr wesentliche Mängel einwendet und der Auftragnehmer wegen eines vermeintlichen Leistungsverweigerungsrechts die Arbeiten während der Auseinandersetzung nicht fortführt bzw. die Abnahme verlangt hat und eine Mängelbeseitigung endgültig verweigert. So hat das OLG Rostock17  jüngst entschieden, dass der Erfüllungsanspruch der Bauherren während einer jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzung über die Berechtigung von Abschlagsforderungen – in der die Bauherren wegen wesentlicher Mängel der bis dahin erbrachten Leistungen letztlich Recht bekamen – verjährt sei,18  mit der Folge, dass gem. § 217 BGB  auch sämtliche Schadensersatzansprüche wegen der um mehrere Jahre verzögerten Fertigstellung des Hauses verjährt seien.

Im Werkvertrag ist das bspw. dann von praktischer Relevanz, wenn die Parteien mehrere Jahre (nur) über die Berechtigung von Abschlags- oder Schlussrechnungsforderungen des Auftragnehmers streiten, wobei der Bauherr wesentliche Mängel einwendet und der Auftragnehmer wegen eines vermeintlichen Leistungsverweigerungsrechts die Arbeiten während der Auseinandersetzung nicht fortführt bzw. die Abnahme verlangt hat und eine Mängelbeseitigung endgültig verweigert. So hat das OLG Rostock17  jüngst entschieden, dass der Erfüllungsanspruch der Bauherren während einer jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzung über die Berechtigung von Abschlagsforderungen – in der die Bauherren wegen wesentlicher Mängel der bis dahin erbrachten Leistungen letztlich Recht bekamen – verjährt sei,18  mit der Folge, dass gem. § 217 BGB  auch sämtliche Schadensersatzansprüche wegen der um mehrere Jahre verzögerten Fertigstellung des Hauses verjährt seien.

 

Rechtsanwalt Martin Steiner, Berlin


- Ende des Auszugs -

Der vollständige Aufsatz "Wann verjähren verzugsbedingte Ansprüche aus dem Bau- und Planervertrag? " Teil 2 von Martin Steiner erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2021, 1886 - 1900 (Heft 12). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.