Regressanspruch bei Materialmängeln

Im Referentenentwurf zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung findet sich eine für die Bauwirtschaft bedeutsame Zielsetzung. Darauf verweisen die Rechtsanwälte Dr. Thomas Schreiner und Dr. Ruben Pisal in ihrem Fachaufsatz, den wir Ihnen in Kooperation mit der Zeitschrift baurecht präsentieren. Die Rede ist vom Erstattungsanspruch der Aus- und Einbaukosten, die im Rahmen der Neufassung des § 439 durch Einfügung eines Abs. 3 explizit geregelt werden sollen. Dieses Detail des neuen Gesetzes wird aktuell heiß diskutiert. Die Autoren liefern dazu einen fundierten Kommentar.

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat am 28.09.2015 den „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung” vorgelegt. Darin findet sich eine für die Bauwirtschaft bedeutsame Zielsetzung: der Erstattungsanspruch der Aus- und Einbaukosten soll im Rahmen der Neufassung des § 439 durch Einfügung eines Abs. 3 explizit geregelt werden. Die daraus folgenden Regressansprüche gegen den jeweiligen Lieferanten, die derzeit noch in § 478 BGB geregelt sind und voraussetzen, dass der letzte Vertrag in der Lieferkette ein Kaufvertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ist, sollen ausweislich der gesetzgeberischen Zielsetzung einerseits auf Konstellationen erweitert werden, in denen der Endabnehmer kein Verbraucher ist. Andererseits soll es nicht mehr darauf ankommen, ob es sich beim letzten Vertrag in der Lieferkette um einen Kaufvertrag, einen Werklieferungsvertrag, einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung oder einen Werkvertrag handelt. Dies dient letztlich dem Ziel, dass nicht nur Verkäufer, sondern auch Werkunternehmer, welche käuflich erworbenes Material bei Dritten einbauen, nicht mehr auf diesen Kosten sitzen bleiben, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem letzten Vertrag in der Lieferkette um einen Kauf- oder einen Werkvertrag handelt (was häufig vom Zufall abhängt und nach hier vertretener Auffassung kein taugliches Unterscheidungskriterium für die grundlegende Ungleichbehandlung dieser vergleichbaren Sachverhalte darstellt).

Die Verfasser haben sich mit dieser Thematik bereits im Jahr 2011 an dieser Stelle befasst. Seinerzeit wurde eine Regelungslücke im Gesetz ausfindig gemacht und eine (doppelt) analoge Anwendung des § 478 Abs. 2 BGB favorisiert. Letztlich sollte der Werkunternehmer einen verschuldensunabhängigen Regressanspruch auf Kostenerstattung gegen seinen Verkäufer haben. Was seitens des BGH und zum Teil auch in der Literatur abgelehnt wurde, soll ausweislich des Referentenentwurfes nunmehr wohl geltendes Recht werden. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet diesen Teilaspekt des Referentenentwurfes und möchte diesem – zusammen mit einem Überarbeitungsappell – im Ergebnis Rückenwind verleihen.

A. De lege lata

Nach §§ 634 Nr. 1 , 635 Abs. 1 BGB schuldet der Werkunternehmer dem Besteller – ohne dass es auf ein Verschulden des Werkunternehmers ankäme – die Beseitigung des Mangels oder die Herstellung eines neuen Werkes. Anders als unter dem kaufrechtlichen Nacherfüllungsanspruch gem. §§ 437 Nr. 1 , 439 Abs. 1 BGB umfasst der Nacherfüllungsanspruch im Werkvertragsrecht bereits de lege lata unbestritten und verschuldensunabhängig den Ausbau von fehlerhaften (Bau-) Materialien und den Einbau von mangelfreiem Baumaterial, § 635 Abs. 2 BGB . Eine besondere Regressvorschrift fehlt derzeit vollständig. Der Unternehmer, der unerkannt mangelhaftes Material im Rahmen der Erfüllung seiner werkvertraglichen Verpflichtungen verbaut hat, kann seinen Lieferanten nur im Rahmen eines verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruchs in Regress nehmen, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem Endabnehmer um einen Verbraucher oder einen Unternehmer handelt. Derjenige, der nur verkauft, ohne zugleich den Einbau des gelieferten Materials zu schulden, steht zumindest regresstechnisch geringfügig besser da, wenn der letzte Abnehmer in der Lieferkette ein Verbraucher ist. Der frühere Streit , ob die Aus- und Einbaukosten einer mangelhaften Kaufsache vom Verkäufer verschuldensunabhängig im Rahmen der Nacherfüllung als Kosten i.S.d. § 439 Abs. 2 BGB zu erstatten sind, wurde zwischenzeitlich höchstrichterlich geklärt: für den Verbrauchsgüterkauf sind jene Kosten bereits aus europarechtlichen Gründen verschuldensabhängig zu erstatten. Folge ist, dass der Verkäufer von seinem Lieferanten nach § 478 Abs. 2 BGB verschuldensunabhängig den Ersatz der Aus- und Einbaukosten verlangen kann, die er im Verhältnis zum endabnehmenden Verbraucher zu tragen hatte. Steht am Ende der Lieferkette ein Kaufvertrag zwischen Unternehmern (oder ein Werkvertrag), so sind die Aus- und Wiedereinbaukosten nur im Rahmen eines Schadensersatzanspruches nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB ersatzfähig, was bekanntlich ein Vertreten müssen des Verkäufers voraussetzt , von welchem sich der Verkäufer regelmäßig entlasten kann.


Der vollständige Aufsatz „Der (verschuldensunabhängige) Regressanspruch des Werkunternehmers bei Materialmängeln – bald endlich geltendes Recht?“ erschien zuerst in der Fachzeitschrift „baurecht“ (BauR 2016, 181 - 185 (Heft 2). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.