Vorsicht mit dem Vorbehalt (der Vertragsstrafe)

Die Definition einer Vertragsstrafe klingt verlockend einfach: Es ist eine verbindlich zugesagte Geldsumme für den Fall, dass der versprechende Schuldner seine vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt.

Gesetzlich geregelt ist die Vertragsstrafe in den §§ 339 - 345 BGB. Selbst die VOB/B widmet ihr einen eigenen Paragrafen (§ 11). Sie soll Druck auf den Vertragspartner zur Vertragstreue ausüben und bietet den Vorteil, dem Gläubiger im Falle eines Verstoßes eine pauschale Entschädigungszahlung (Strafe) zuzusprechen, ohne dass dieser die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anspruchs auf Schadensersatz (Verschulden, Eintritt eines Schadens) nachweisen muss. Vertragsstrafen werden in Bauverträgen zumeist zu Gunsten des Auftraggebers (AG) vereinbart, um das schwierige Thema „Bauzeit“ in den Griff zu bekommen, d.h. einen Fertigstellungstermin oder Zwischentermine zu sichern. Sie werden aber zunehmend auch zur Einhaltung sonstiger „genereller“ Vertragspflichten des Auftragnehmers (AN) vereinbart, wie bspw. die ordnungsgemäße Anmeldung der Beschäftigten und deren Entlohnung nicht unter dem Mindestlohn.

Doch der Schein trügt: Die Früchte einer Vertragsstrafe hängen in der Praxis recht hoch am Baum, d.h. es ist alles andere als einfach, eine Vertragsstrafe zu realisieren. Viele Träume zerplatzen dabei schon am Fehlen einer wirksamen Vertragsstrafenklausel. Denn Vertragsstrafen werden in den seltensten Fällen individuell ausgehandelt, sondern sind häufig für viele Verträge vorformuliert. Rechtlich handelt es sich dann um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die einer gesonderten Wirksamkeitskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unterliegen. Die Höhe der Vertragsstrafe kann damit nicht länger frei vereinbart werden, es muss eine Begrenzung nach oben (5 % der Auftragssumme) und ggf. ein angemessener Tagessatz (max. 0,3 % der Auftragssumme) vorgesehen werden. Die Klausel muss zudem hinreichend transparent sein, also bspw. genau erkennbar sein, welcher Verstoß die Vertragsstrafe auslösen soll.

Die Krux mit den Klauseln

Auch darf die Klausel nicht zu weit von den in den §§ 339 - 345 BGB niedergelegten gesetzlichen Leitbildern abweichen (§ 307 Abs. 2 Ziff. 2 BGB). Eine Klausel, nach der die Vertragsstrafe nicht auf einen Schadensersatzanspruch angerechnet wird, wäre daher unwirksam. Ebenso eine Klausel, mit der eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe begründet werden soll. Auch ist damit nicht möglich, den in § 341 Abs. 3 BGB geregelten Vorbehalt durch eine vorformulierte Klausel vollständig abzubedingen (BGH, BauR 1984, 643). Nimmt demnach der Gläubiger die Erfüllung an, kann er die Strafe nur verlangen, wenn er sich diese bei der Annahme vorbehält. Bei einem Werk- oder Bauvertrag ist die Annahme als Erfüllung nichts anderes als die Abnahme im Sinne des § 640 Abs. 1 BGB, d.h. die Entgegennahme des Werks als im Wesentlichen vertragsgemäß.

Es in diesem Zusammenhang bei dem lapidaren Hinweis zu belassen, den Vorbehalt bei Abnahme doch bitte nicht zu vergessen, wäre freilich zu kurz gegriffen. Dies hängt damit zusammen, dass es verschiedene Formen der Abnahme gibt und zudem die Abnahme (nach herrschender Meinung) eine andere Rechtsnatur hat als der Vorbehalt. Die Abnahme ist demnach „nur“ eine geschäftsähnliche Handlung, der Vorbehalt dagegen eine „echte“ empfangsbedürftige einseitige Willenserklärung. Beruft sich damit der AG bspw. in einem Prozess auf eine längst schriftlich erklärte Abnahme mit gleichzeitig erklärtem Vorbehalt, könnte dies der AN dankend als gegeben akzeptieren, verbunden mit dem Hinweis, dass ihm jedoch beide Erklärungen seinerzeit nicht zugegangen seien.

Abnahmen durch schlüssiges Verhalten

Abnahmen werden oft nicht ausdrücklich erklärt, schon gar nicht im Rahmen des in § 12 Abs. 4 VOB/B beschriebenen förmlichen Verfahrens. Nahezu ebenso häufig sind sogenannte stillschweigende bzw. konkludente Abnahmen, d.h. Abnahmen durch schlüssiges Verhalten. Als ein solches schlüssiges (den Abnahmewillen zum Ausdruck bringendes) Verhalten wird beispielsweise die vorbehaltlose und ungekürzte Zahlung einer Schlussrechnung angesehen. Auch die Benutzung des Werkes kann eine konkludente Abnahme dann beinhalten, wenn die Benutzung nicht gezwungenermaßen erfolgt oder es sich nicht um einen bloßen Probebetrieb handelt. Die „Krücke“ des schlüssigen Verhaltens für die Abnahme ist zugleich deren Problem für den Vorbehalt: Bei schlüssigem Verhalten fehlt im Regelfall das Bewusstsein für dessen rechtliche Relevanz: Realisiert man nicht, dass das eigene Verhalten eine Akzeptanz der Werkleistung - und damit Abnahme - beinhaltet, wird man auch nicht erkennen, dass damit die Zeit für den Vorbehalt gekommen ist. Mit anderen Worten: Die konkludente Abnahme erweist sich oft als Falle für den Vorbehalt.

Nicht einfacher wird die Situation dadurch, dass es neben den ausdrücklichen und konkludenten Abnahmen auch sogenannte fiktive Abnahmen gibt. Das sind solche, die an objektive Voraussetzungen anknüpfen, ohne dass es einer Erklärung bzw. eines Abnahmewillens des Auftraggebers bedarf, diese(r) wird dann vielmehr fingiert. Derartige fiktive Abnahmen kennt sowohl das BGB als auch die VOB/B. § 12 Abs. 5 VOB/B regelt zwei Formen der fiktiven Abnahme für den Fall, dass keine Abnahme verlangt wird. Nach § 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B kommt es dann zur (fiktiven) Abnahme mit Ablauf von 12 Werktagen nach der schriftlichen Mitteilung über die Fertigstellung, gemäß § 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B nach Ablauf von 6 Werktagen nach Inbenutzungnahme. § 12 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B stellt klar, dass der Vorbehalt der Vertragsstrafe zu den entsprechenden fiktiven Abnahmezeitpunkten erklärt werden muss. Es liegt auf der Hand, dass dies häufig übersehen wird.

Für den Fall, dass der AN unter Fristsetzung den AG zur Abnahme auffordert, regelt § 640 Abs. 2 BGB (der auch im VOB/B-Vertrag anwendbar ist), dass das Werk nach Ablauf der Frist als abgenommen gilt, sofern der AG die Abnahme nicht zuvor unter Angabe eines Mangels verweigert hat. Auch für diese Form der fiktiven Abnahme wird im Moment des Fristablaufs der Vorbehalt zu erklären sein (vom BGH für die „Vorgängerregelung“ des § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. allerdings offengelassen, BauR 2016, 499), was gerne übersehen werden kann, will oder kann der AG in dieser Situation nicht unter Berufung auf einen Mangel die Abnahme verweigern. 

Grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht

Ist daher eine Vertragsstrafe vereinbart und der AG der Ansicht, ein strafbewehrter Verstoß des AN gegen Leistungspflichten liegt vor, empfiehlt es sich in Bezug auf die Abnahme für klare Verhältnisse zu sorgen und im Zweifelsfall eher zur früh als zu spät ausdrücklich und mit gleichzeitigem Vorbehalt der Vertragsstrafe die Abnahme zu erklären. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Abnahme selbst bei Vorliegen von Mängeln weniger nachteilsbehaftet für den AG ist als allgemein angenommen. Für die bei Abnahme vorbehaltenen Mängel ändert sich insbesondere nichts an der Beweislast: Der AN muss im Streitfall für alle vorbehaltenen Mängel weiterhin den Nachweis führen, dass er mangelfrei gearbeitet hat. Sofern der AG bereits vorhandene Mängel zum Zeitpunkt der Abnahme nicht positiv kennt (selbst grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht), kann er diese Mängel auch nach Abnahme noch geltend machen. Schließlich schafft die Abnahme Klarheit in Bezug auf seine Rechte bei Mängeln: Grundsätzlich greifen erst mit der Abnahme die speziellen Gewährleistungsrechte der §§ 634 ff. BGB, davor gelten noch die allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechte (BGH BauR 2017, 875).

Zu beachten ist, dass das Erfordernis „bei Abnahme“ streng ausgelegt wird. Allenfalls ein unmittelbar vor der Abnahme erklärter Vorbehalt (2 Tage zuvor) mag dem Erfordernis „bei Abnahme“ gerade noch genügen (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 1688). Ein früher Vorbehalt quasi auf Vorrat scheidet damit aus.

Möglich ist aber, noch vor Abnahme die Aufrechnung mit der Vertragsstrafe zu erklären. Ist hierdurch der Anspruch auf die Vertragsstrafe bei Abnahme bereits vollständig erloschen, muss bei der Abnahme kein Vorbehalt mehr erklärt werden (BGH, BauR 2015, 499).

Zu beachten ist ferner, dass es sich bei dem Vorbehalt um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt, weshalb der AN die fehlende Vertretungsmacht für die Vorbehaltserklärung nach § 180 BGB rügen kann. Eine nachträgliche Genehmigung durch den AG ist dann nicht mehr möglich. Dies ist insbesondere zu beachten, wenn die Abnahme und der Vorbehalt durch Architekten oder Ingenieure erklärt werden soll, denen aber im Regelfall keine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnisse eingeräumt sind.

Rechtanwalt Helmut Ebersbach

  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
  • Fachanwalt für Vergaberecht
Mitglied in der ARGE Baurecht
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