Möglichkeiten und Grenzen der Adjudikation

Die Adjudikation hat in Deutschland eine noch recht junge Geschichte. Dies könnte sich zukünftig aber ändern, denn das außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren ist geeignet, um Verzögerungen oder gar Baustillstände abzuwenden und so finanzielle Schäden zu vermeiden. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) im Auftrag des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie [Link], in der Literatur, Studien und empirische Daten aus dem Bauwesen ausgewertet wurden. Die Studie dokumentiert die Vorteile der Methode, aber auch ihre Nachteile im Vergleich zu konsensualen Verfahren.

Konflikte vorhersehen

Die Konfliktursachen in der Abwicklung eines Bauprojekts sind vielfältig. Häufigste Ursachen seien unter anderem: Leistungsänderungen, zusätzliche Leistungen, Fehler oder Unklarheiten in den Vertragsoderlagen. Oft sei der Konflikt auch auf ein unzureichendes Projektmanagement des Bauherrn zurückzuführen.

Um einen Konflikt lösen zu können sei es entscheidend, diesen frühzeitig zu erkennen und konstruktiv zu bearbeiten. Das sei in den meisten Fällen nicht mehr möglich, wenn der Streit bis zu einem gewissen Punkt eskaliere. Dieser Umstand dürfte baurechtlich spezialisierten Anwälten genauso bekannt sein wie die Tatsache, dass Konfliktparteien das Risiko und den Aufwand eines Gerichtsverfahrens häufig unterschätzen würden. Gleichzeitig überschätzten sie die Aussichten darauf, ihre Position erfolgreich durchzusetzen. Die Studie spricht von einem Viertel der gerichtlichen Verfahren vor Amtsgerichten, die mit einem Streiturteil enden. Die Autoren gehen nicht davon aus, dass sich diese Quote mit dem Streitwert oder einem höheren Gericht erhöht.

Hinsichtlich der Verfahrensdauer ergibt die empirische Untersuchung eine Durchschnittsdauer von zirka drei Jahren für Bauprozesse, die durch zwei Instanzen laufen. Hier sind allerdings auch Verfahren mit eingerechnet, die im Vergleich oder mit einem Versäumnisurteil enden, daher ist von einer deutlich längeren Dauer für Falle mit Streiturteil auszugehen.

Schnell und verbindlich

Die Vorteile der Adjudikation seien zweifelsohne die Geschwindigkeit und ihre (vorläufige) Verbindlichkeit. Daher sei sie ein besonders probates Mittel zur Streitentscheidung bei laufenden Bauprozessen, wenn die Parteien aus eigener Kraft keinen Konsens finden. In Deutschland würde das Verfahren noch wenig genutzt, in Großbritannien sei es bereits fest etabliert. Die empirische Studie des KIT kommt zu dem Ergebnis, dass das Adjudikationsverfahren in Deutschland zumeist bei Bauzeitverzögerungen, Vergütungsfragen auf Basis von Nachträgen und Ausführungsmängeln zum Einsatz kommt. Die Adjudikation dauere durchschnittlich länger als konsensuale Verfahren, wie zum Beispiel die SOBau der ARGE Baurecht, sei aber deutlich kürzer als Schiedsgerichtsverfahren. Die längere Dauer der Adjudikation im Vergleich zur Mediation oder der Schlichtung führen die Autoren auf die, in der Regel, höheren Streitwerte zurück.

Vorteile überwiegen

Die Studie hält fest, dass sich die Adjudikation auch in Deutschland als probates Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung etablieren wird. Das Verfahren biete unter anderem, neben der Fachkompetenz des Adjudikators als Streitlöser, eine kürzere Verfahrensdauer und geringere Verfahrenskosten, auch bei höheren Streitwerten. Die Adjudikation birgt allerdings das Risiko der Überforderung des Adjudikators bei zu komplexen und/oder umfangreichen Konfliktfällen oder den sogenannte Ambushing-Effekt. Hierbei überfällt ein Vertragspartner den Anderen mit einer langen Vorbereitungszeit zur Aufbereitung der eigenen Position. Die Vorteile überwögen gegenüber den Nachteilen, nicht zuletzt, da die nur vorläufige Verbindlichkeit der Entscheidung es den Vertragspartnern ermöglichen würde, die Entscheidung im Nachhinein anzufechten. Hierdurch entstehe nicht nur eine höhere Akzeptanz des Verfahrens, sondern eine vorläufige Planungssicherheit im Bauprozess.

Adjudikation oder SOBau?

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Adjudikation? Wie bewerten Sie das Verfahren im Vergleich zur SOBau, der Schieds- und Schlichterordnung der ARGE Baurecht? Schreiben Sie uns unter newsletter@arge-baurecht.com. Ihre Kommentare veröffentlichen wir gerne unter diesem Beitrag. Geben Sie uns bitte einen Hinweis, wenn Sie dies nicht wünschen.