Zulässigkeit und Notwendigkeit von Adjudikationsverfahren in Bausachen

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Fragen zur Berechtigung des Adjudikationsverfahrens in Bausachen als notwendige Alternative zu anderen Streitlösungsinstrumenten, nachdem diese Art der außergerichtlichen Streitbeilegung durch eine Veröffentlichung im Juni diesen Jahres erheblich in Diskussion geraten ist.

I. Einleitung

Das Adjudikationsverfahren, welches in die deutsche Praxis der Bauwirtschaft vor etwa 15 Jahren Einzug gehalten hat und dabei war, sich immer mehr als praxistaugliches Instrument zur außergerichtlichen, baubegleitenden und zeitnahen Streitbeilegung zu etablieren, steht nun auf der Kippe. In der Juni-Ausgabe der Zeitschrift „Baurecht“ veröffentlichte Prof. Dr. Jurgeleit seinen konstruktiv-kritischen Beitrag2 , in welchem er erhebliche rechtsstaatliche Bedenken darstellt und darauf hinweist, dass er Verfahrensordnungen zur Adjudikation, die eigenständige Sanktionsmodelle im Falle der Nichtbeachtung von Adjudikationsentscheidungen beinhalten, nach §§ 134 , 139 BGB  für insgesamt nichtig hält.

Lediglich soweit die Adjudikation ausschließlich auf die Gewährung von Eilrechtsschutz gerichtet wird, hält Jurgeleit sie für zulässig. Die Konsequenzen dieser Veröffentlichung ließen nicht lange auf sich warten: Die Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltsverein nahm das Adjudikationsverfahren aus der Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) und auch die Deutsche Gesellschaft für Baurecht e.V. (DGfB) und der Deutsche Beton- und Bautechnik-Verein E.V . (DBV) nahmen die Adjudikation aus der Streitlösungsordnung für das Bauwesen SL Bau – jedenfalls vorläufig – umgehend als Empfehlung heraus.

Die ARGE Baurecht des Deutschen Anwaltsvereins hatte erst Anfang November 2020 die Neuauflage ihrer SOBau herausgebracht, in der sie das Adjudikationsverfahren als eine Möglichkeit der Streitbeilegung vorsah. Auch die DGfB und der DBV hatten die Adjudikation seit 2010 in ihre SL Bau eingefügt und auch nach einer Überarbeitung zum Juli 2020, in der sie vielfältige, praktische Erfahrungen ihrer Mitglieder und Anregungen aus der Praxis integrierten, weiterhin empfohlen. Weitere Streuwirkung erreicht dies durch die Tatsache, dass verschiedene verbandliche Organisationen sich in ihren Publikationen und Handlungsempfehlungen u.a. auf die vorgenannten Streitlösungsordnungen berufen und insofern durch die partielle, wenngleich teilweise oder vorläufige, Rücknahme zu einer Anpassung ihrer Handlungsempfehlungen gehalten sahen.

Im folgenden Beitrag wird aufgezeigt, weshalb die Adjudikation ein in der Baupraxis dringend notwendiges Instrument zur außergerichtlichen, effizienten Streitbeilegung darstellt und nicht einfach durch Mediation, Schlichtung oder Schiedsverfahren ersetzt werden kann. Aufgezeigt wird außerdem, dass die Entscheidung der Vertragsparteien bei Vertragsschluss, sich dem Adjudikationsverfahren mit seinem inhärenten Sanktionsverfahren anzuvertrauen und gleichzeitig die Entscheidung, auf die Exklusivität der staatlichen Gerichte zur Entscheidung über Sanktionen zu verzichten, Ausfluss ihrer grundrechtlich verankerten Privatautonomie darstellen. Anschließend wird kurz betrachtet, weshalb die Adjudikation aus diesseitiger Sicht nicht gegen Rechtsstaatsprinzipien verstoßen muss und dass der Gesetzgeber zur Herstellung von Rechtssicherheit auch im Bereich dieses in der Praxis sowohl gefragten wie geeigneten Streitlösungsinstruments aktiv werden muss.

II. Darstellung der vorgebrachten Zweifel an der Adjudikation

Prof. Jurgeleit setzt sich in seinem Beitrag insbesondere mit den Fragen auseinander, auf welcher Grundlage eine Entscheidung im Adjudikationsverfahren vollstreckt oder vollzogen werden kann und wie sich die Adjudikation zu den Befugnissen staatlicher Gerichte, vorläufige und sichernde Maßnahmen anzuordnen, verhält. Er hält fest, dass der Staat durch die für das schiedsrichterliche Verfahren geltenden Regelungen (§§ 1059 Abs. 2 , 1060 ZPO ) seine Mitwirkung bei der zwangsweisen Durchsetzung eines Schiedsspruchs verweigert, wenn grundlegenden Anforderungen nicht genügt wird.

In jedem Fall würden die staatlichen Gerichte bei der Vollstreckung prüfen, ob der Gegenstand des Streits nach deutschem Recht schiedsfähig ist und ob die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht (§§ 1060 Abs. 2 Satz 1 , 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ). Damit werde die Entstehung einer von staatlicher Einflussnahme freien Paralleljustiz ausgeschlossen. Das aber sei bei den Adjudikationsverfahren nicht gewährleistet, so Prof. Jurgeleit.

Insbesondere die von den Verfahrensordnungen zur Adjudikation vorgesehenen eigenen Sanktionsmodelle, die die Vollstreckung ersetzen sollen, seien mit dem System des schiedsrichterlichen Verfahrens unvereinbar. Das auf die Gestaltung der materiellen Rechtslage gerichtete Sanktionsmodell der Verfahrensordnungen für die Adjudikation unterliege nach seinem eigenen Wirkmechanismus grundsätzlich keiner Überprüfung durch staatliche Gerichte. Damit werde eine Vollziehung der Adjudikationsentscheidung herbeigeführt, ohne dass staatliche Gerichte im Rahmen eines Aufhebungsantrags (§ 1059 ZPO ) oder eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung (§ 1060 ZPO ) oder Vollziehungsanordnung (§ 1041 Abs. 2 Satz 1 ZPO ) die Möglichkeit haben zu prüfen, ob die Adjudikationsentscheidung grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen genügt.

Wenngleich immerhin die DIS-AVO eine Ausnahme für den Fall mache, dass die Adjudikationsentscheidung nach dem Maßstab von § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO  einer Prüfung nicht standhält, so würden jedoch alle drei Verfahrensordnungen vorsehen, dass die Parteien keine Aufhebungsgründe i.S.v. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 geltend machen können und sich damit insbesondere nicht auf Verstöße gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG , § 1059 Abs. 2 Nr. 1b ZPO ) berufen können.

 

Rechtsanwalt Prof. Dr. Bastian Fuchs und Regine Winterling


- Ende des Auszugs -

Der vollständige Aufsatz "Zulässigkeit und Notwendigkeit von Adjudikationsverfahren in Bausachen " von Rechtsanwalt Prof. Dr. Bastian Fuchs und Regine Winterling erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2021, 1353 - 1361 , Heft 9). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.