Wider der bauablaufbezogenen Darstellung?

OLG München, Urteil vom 26.09.2017 - 28 U 2834/09; BGH, Beschluss vom 15.01.2020 - VII ZR 249/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) VOB/B § 2 Nr. 5, 6, § 6 Nr. 6

1. Macht der Auftragnehmer wegen Bauablaufstörungen einen Anspruch auf Schadensersatz geltend, hat er schlüssig darzulegen, dass er durch Pflichtverletzungen des Auftraggebers behindert worden ist. Der Auftragnehmer muss substanziiert zu den dadurch entstandenen Behinderungen seiner Leistung vortragen. Dazu ist eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung unumgänglich.

2. Bei störenden Ereignissen wie z. B. verspäteten Planlieferungen genügt es nicht, die Abweichung zwischen Soll- und Ist-Planlieferung darzulegen sowie die dazwischen liegende Zeitspanne als konkrete bauablaufbezogene Störungsdauer auszugeben. Vielmehr ist es erforderlich, auch die konkret auf die Baustelle bezogenen Auswirkungen der Verspätung darzustellen.

OLG München, Urteil vom 26.09.2017 - 28 U 2834/09; BGH, Beschluss vom 15.01.2020 - VII ZR 249/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

VOB/B § 2 Nr. 5, 6, § 6 Nr. 6

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) eines VOB/B-Werkvertrags behauptet 68 Bauablaufstörungen. Angeführt werden insbesondere verspätete Planlieferungen, eine nicht ordnungsgemäße Baugrunduntersuchung, erhebliche Mehrmengen an Felsaushub, eine Umstellung der Bewehrungsarbeiten sowie eine Vielzahl angeordneter Nachtragsleistungen.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Hinsichtlich der verspäteten Planlieferungen liegen die Voraussetzungen aus §§ 2 und 6 VOB/B sowie § 642 BGB nicht vor. Maßgeblich sind die Grundsätze des BGH (IBR 2005, 246; IBR 2005, 247). Danach reicht der schlichte Vortrag von Pflichtverletzungen nicht aus. Vielmehr ist eine schlüssige Darstellung der Auswirkungen der Behinderungen auf den Bauablauf in Form einer bauablaufbezogenen Darstellung unumgänglich. Diese Anforderungen wurden nicht erfüllt. Die Unterlagen des AN sind für eine Rekonstruktion des konkreten bauablaufbezogenen Ist-Verlaufs unvollständig und unzureichend. Diese Defizite können nicht mit Hilfe von § 287 ZPO geschlossen werden, weil sie die Bauablaufbezogenheit und damit den Haftungsgrund betreffen. Der geforderte Sachvortrag ist für den AN nicht unzumutbar, denn nur er ist zur Darstellung des geplanten sowie des kalkulierten und des tatsächlichen Bauablaufs im Stande. § 642 BGB stellt dieselben Darlegungs- und Beweislastanforderungen wie § 6 Nr. 6 VOB/B. Bezüglich der Änderungswünsche sind die Voraussetzungen aus §§ 2 und 6 VOB/B sowie § 642 BGB ebenfalls nicht gegeben. § 2 Nr. 5 und § 2 Nr. 6 VOB/B schließen sich grundsätzlich gegenseitig aus. Davon losgelöst hat sich der AN bei den Sachnachträgen keine bauzeitbedingten Mehrkosten vorbehalten. Mithin verbleibt auch für sonstige Ansprüche, die vom AN als Folge der aus den vorgenannten bauzeitbedingten Forderungen beansprucht werden, kein Raum.

Praxishinweis

Wie eine Geisterblase kursiert der Begriff der "bauablaufbezogenen Darstellung", der in der (Gerichts-)Praxis leider vielfach als eine lückenlose Rekonstruktion des gesamten Bauablaufs missverstanden wird. Genau das hat der BGH aber zu keiner Zeit gefordert, sondern nur einen schlüssigen Vortrag zu den tatsächlichen Auswirkungen der jeweiligen Behinderungen auf die konkrete Leistungsausführung. Vorliegend konnte die Dokumentation des AN nicht einmal diese Voraussetzung erfüllen. Entgegen der Ansicht des OLG München ist vor allem der planungsverantwortliche Auftraggeber im Stande, sich zum Baugeschehen näher zu erklären. Denn der Bauablauf ist eine fortlaufende Planungssache, der zudem in der Ausführung bauherrenseits zu dokumentiert ist (vgl. etwa Leistungsphase 2 h), Leistungsphase 3 f), Leistungsphase 8 e) in Anlage 10 zu §§ 34, 35 HOAI). Allein das rechtfertigt ein prozessuales Umdenken bezüglich der Verteilung der Schlüssigkeitsanforderungen auf der Darlegungsebene. Mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH zu § 642 BGB erscheint hierfür das Erfordernis einer bauablaufbezogenen Darstellung mehr als zweifelhaft.

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Paul Popescu, Köln

© id Verlag