Naturschutzbehörde ordnet Bauablaufänderung an: Auftraggeber muss Schadensersatz zahlen!

OLG Schleswig, Urteil vom 11.02.2015 - 4 U 16/05; BGH, Beschluss vom 25.10.2017 - VII ZR 48/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

1. Der Auftraggeber hat im VOB-Vertrag für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf der Baustelle zu sorgen und das Zusammenwirken der verschiedenen Unternehmer zu regeln. 2. Er hat die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen - auch nach dem Naturschutzrecht - herbeizuführen. 3. Verstößt die geplante und beauftragte Durchführung der Bauarbeiten gegen naturschutzrechtliche Vorschriften und werden von der Naturschutzbehörde daraufhin Bauablaufänderungen angeordnet, steht dem Auftragnehmer gegen den Auftraggeber ein Schadensersatzanspruch aus § 6Abs. 6 VOB/B zu.

OLG Schleswig, Urteil vom 11.02.2015 - 4 U 16/05; BGH, Beschluss vom 25.10.2017 - VII ZR 48/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

VOB/B § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 6

Problem/Sachverhalt

Eine Stadt beauftragte im Zuge der Sanierung eines öffentlichen Parks die Entschlammung einer Teichanlage, bestehend aus zwei miteinander verbundenen Teichen. Hierzu sollte das Wasser in den Teichen vollständig abgelassen werden. Die Arbeiten sollten im April und Mai ausgeführt werden. Nachdem der Auftragnehmer (AN) mit den Arbeiten begonnen hatte, untersagte die untere Naturschutzbehörde Ende Mai die Fortführung der Arbeiten wegen der erheblichen Beeinträchtigung der Wasservögel und verfügte, dass zum Schutz der Jungvögel von Mai bis September stets ein ausreichender Mindestwasserspiegel vorgehalten werden müsse. Daraufhin wurden die Arbeiten zunächst gestoppt. Der Bauherr verständigte sich sodann mit der Naturschutzbehörde auf eine Umstellung des Bauablaufs dergestalt, dass die Entschlammung nur abschnittsweise zu erfolgen hat und zudem die beiden Teiche getrennt entschlammt werden, um stets eine ausreichende Wasserfläche vorzuhalten. Anschließend wurden die Arbeiten wieder aufgenommen und das Verfahren entsprechend angepasst.

Entscheidung

Das OLG Schleswig sprach dem AN für die Dauer des Baustopps einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B zu. Es entschied, dass sich der Auftraggeber (AG) die Anordnung des Baustopps durch die Naturschutzbehörde zurechnen lassen muss. Denn der AG hat nach § 4 Abs. 1 VOB/B für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf der Baustelle zu sorgen. Er hat zudem die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und Erlaubnisse - z. B. nach dem Baurecht, dem Straßenverkehrsrecht, dem Wasserrecht und dem Gewerberecht - herbeizuführen. Gegen diese Vorgaben der VOB/B hatte der AG hier verstoßen. Da sich der AG auch nicht in Bezug auf ein fehlendes Verschulden entlasten konnte, steht dem AN grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B zu.

Praxishinweis

Das Urteil hat gerade vor dem jüngsten BGH-Urteil vom 26.10.2017 (IBR 2017, 664) eine große Bedeutung. Da der Anwendungsbereich für Ansprüche nach § 642BGB durch den BGH eingegrenzt worden ist, wird es nun in vielen Fällen darauf ankommen, ob der Auftragnehmer wegen etwaiger Versäumnisse des Auftraggebers auch einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann. Das OLG bezeichnet die in § 4 Abs. 1 VOB/B geregelten Aufgaben des Auftraggebers ausdrücklich als "Mitwirkungspflichten/Obliegenheiten" und spricht dem Auftragnehmer wegen deren Verletzung einen Anspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B zu. Damit belegt es, dass jedenfalls ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 VOB/B einen Schadensersatzanspruch auslöst. Das könnte letztlich auch für Verzögerungen durch Vorunternehmer gelten, zumal das OLG nicht zwischen Mitwirkungspflichten und Obliegenheiten differenziert und der Auftraggeber nach § 4 Abs. 1 VOB/B das "Zusammenwirken der verschiedenen Unternehmer zu regeln" hat.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Gerolf Sonntag, Mönchengladbach

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