Kündigungsvergütung ist kein Baugeld!

OLG Köln, Urteil vom 23.06.2021 - 11 U 266/19 (nicht rechtskräftig) BauFordSiG § 1; BGB § 823 Abs. 2

Der Anspruch auf Vergütung der nicht erbrachten Leistung nach freier Kündigung (§ 648 BGB) ist vom Schutzzweck des § 1 BauFordSiG nicht erfasst.*)

OLG Köln, Urteil vom 23.06.2021 - 11 U 266/19 (nicht rechtskräftig)

BauFordSiG § 1; BGB § 823 Abs. 2

 

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) erbrachte für einen Generalunternehmer (GU) Garten- und Landschaftsarbeiten. Nachdem Abschlagsrechnungen teils nicht gezahlt und eine geforderte Sicherheit nicht gestellt wurden, stellte der AN seine Tätigkeit ein und rechnete seine bis dahin erbrachten Leistungen ab. Aufgrund der Insolvenz des GU nahm der AN dessen Geschäftsführer wegen zweckwidriger Baugeldverwendung auf die Vergütung der nicht erbrachten Leistungen (anteilige baustellenbezogene Gemeinkosten sowie kalkulierter Gewinn) gem. § 648 BGB in Anspruch.

Entscheidung

Zwar steht dem AN dem Grunde nach ein Anspruch aus § 648 BGB auch bei einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung zu (BGH, Urteil vom 26.04.2018 - VII ZR 82/17IBRRS 2018, 1624). Diese Forderung ist jedoch nicht vom Schutzzweck des § 1 BauFordSiG umfasst. Denn dieser bezieht sich gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 BauFordSiG nur auf Ansprüche, die im Zusammenhang mit Leistungen für die Herstellung oder den Umbau eines Bauwerks stehen. Für den Baugeldempfänger ist in § 1 Abs. 2 BauFordSiG explizit geregelt, dass dieser das Baugeld nur in Höhe des angemessenen Werts der von ihm erbrachten Leistungen für sich selbst behalten darf. Darüber hinaus besteht die Ratio des BauFordSiG gerade in einer treuhänderischen Verwaltung der vom Bauherrn erhaltenen Gelder für alle Baubeteiligten. Diese Baugelder werden aber als Schluss- wie auch als Abschlagszahlung gem. § 632a BGB nur für bereits erbrachte Leistungen und nicht für sonstige Forderungen der Baubeteiligten entrichtet. Nur wenn der Schutzbereich des BauFordSiG auf die Forderungen der Baubeteiligten für tatsächlich erbrachte Leistungen beschränkt wird, kann das mit der Regelung angestrebte Ziel eines möglichst gleichmäßigen Schutzes aller Baubeteiligten unabhängig von ihrem Vertragsstatus und dem Zeitpunkt des jeweiligen Eintritts in das Bauvorhaben gewährleistet werden. Erfassen der Schutzzweck und die Verwendungspflicht des § 1 BauFordSiG aber nicht Ansprüche auf Vergütung der nicht erbrachten Leistung, ist der Ausfall mit dieser Forderung auch kein ersatzfähiger Schaden aus der Verletzung der Verwendungspflicht.

Praxishinweis

Die Urteilsbegründung sollte nicht verallgemeinert werden. Das Urteil des OLG erweckt den Eindruck, als würde man sich an die zur alten Gesetzesfassung ergangene Rechtsprechung des BGH anlehnen (IBR 1991, 218). Hiernach sollte der Schutzbereich des GSB Leistungen erfassen, die einen unmittelbaren Beitrag zur Herstellung des Baus bilden, der in der Schaffung von Mehrwert seinen Ausdruck findet. Nach Ansicht des Autors ist diese Rechtsprechung auf das BauFordSiG nicht mehr anwendbar (BauR 2010, 546, 547). Im Gegenteil sollen unter den Begriff der "erbrachten Leistungen" nach § 1 Abs. 2 BauFordSiG u. a. auch Allgemeine Geschäftskosten und Gemeinkosten fallen. Es erschließt sich daher nicht, aus welchem Grund der Baugeldempfänger eine solche Kostenposition einwenden, der Baugeldgläubiger aber grundsätzlich nicht geltend machen kann. Entsprechende Zweifel kommen auch unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 1 Abs. 3 Nr. 2 BauFordSiG auf. Hiernach sind Ansprüche, die "im Zusammenhang mit Leistungen für die Herstellung oder den Umbau eines Bauwerks" stehen, dem Schutz des Gesetzes unterworfen. Dem Wortlaut nach können hierunter auch (Gemein-)Kosten für noch nicht erbrachte Bauleistungen fallen, soweit diese bereits entstanden sind. Die Entscheidung zeigt einmal mehr die handwerklichen Fehler des Gesetzgebers auf.

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Stefan Illies, Heidelberg

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