Keinen Vorbehalt erklärt: Schadensersatz wegen Mangel(folge)schäden ausgeschlossen?

OLG Köln, Beschluss vom 01.12.2021 - 16 U 115/21 BGB § 640 Abs. 3

Die Abnahme des Werks ohne Mängelvorbehalt schließt nur die in § 640 Abs. 3 BGB genannten Rechte, dagegen nicht die Ansprüche des Werkbestellers auf Schadensersatz wegen ihm entstandener Mangel- oder Mangelfolgeschäden aus.*)

OLG Köln, Beschluss vom 01.12.2021 - 16 U 115/21

BGB § 640 Abs. 3

 

Problem/Sachverhalt

Der Besteller einer Werkleistung macht gegenüber dem Werkunternehmer klageweise verschiedene Ansprüche aus Schadensersatz (Privatgutachterkosten, Aufwendungen) geltend. Der Werkunternehmer zieht diese auch nicht in Zweifel; er erhebt jedoch den Einwand, dass der auf Schadensersatz klagende Besteller eine Abnahme ohne Mängelvorbehalt erklärt habe. Der Besteller bestreitet dies seinerseits zwar, der Werkunternehmer beharrt jedoch auf seiner Sicht.

Entscheidung

Zu Unrecht, so das OLG. Selbst auf Basis des Vorbringens des Werkunternehmers, wonach seitens des Bestellers eine Abnahme ohne Mängelvorbehalt erfolgt sei, sei der Schadensersatzanspruch des Bestellers nicht ausgeschlossen, weil § 640 Abs. 3 BGB diese Folge nicht vorsehe. Der Wortlaut des § 640 Abs. 3 BGB sei eindeutig, wenn es dort heiße, dass dem Besteller bei einer Werkabnahme in Kenntnis von Mängeln, "die in § 634 Nr. 1 bis 3 BGB bezeichneten Rechte nur zu(stehen), wenn er sich seine Rechte ... vorbehält". Der in § 634 Nr. 4 BGB geregelte Schadensersatzanspruch sei also ausdrücklich von einem Verlust ausgenommen. Diese Fassung des § 640 Abs. 3 BGB entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers. Während bezüglich der Vorgängerregelung des § 640 Abs. 2 BGB a.F. noch im Streit gestanden habe, ob die dort enthaltene Verweisung unter Ausschluss des in § 635 BGB a.F. geregelten Schadensersatzanspruchs auf einem Redaktionsversehen beruhe, sei ein solches nach der Neufassung der Regelung in § 640 Abs. 3 BGB im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 auszuschließen, da der genannte Streit zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei und der Gesetzgeber den Fortbestand des Schadensersatzanspruchs nach § 634 Nr. 4 BGB somit in seinen Willen aufgenommen habe. Die in § 640 Abs. 3 BGB statuierte Unterscheidung zwischen den verschuldensunabhängigen Rechten nach § 634 Nr. 1 bis 3 BGB und dem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch nach § 634 Nr. 4 BGB sei auch - dies gerade entgegen der Wertung des Werkunternehmers und des OLG Schleswig (IBR 2016, 212) - interessengerecht, denn es bestehe kein Anlass, den Unternehmer im Fall einer rügelosen Abnahme auch von den Folgen schuldhafter Vertragsverletzung freizustellen. Die genannte Differenzierung füge sich auch zu den übrigen Gewährleistungsregelungen des Werkvertragsrechts.

Praxishinweis

Soweit das OLG Schleswig (IBR 2016, 212) meint, bei einer rügelosen Abnahme ließen sich die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gar nicht mehr erfüllen, weil der Besteller aufgrund des verlorenen Anspruchs auf Nacherfüllung dem Unternehmer nicht mehr die gem. § 281 Abs. 1 BGB gebotene Frist zur Mängelbeseitigung setzen könne, verkennt es, dass eine Fristsetzung weiterhin möglich ist, worauf das OLG ausdrücklich hinweist. Seine Mängelbeseitigungsbefugnis verliert der Unternehmer nicht zwingend dadurch, dass der Besteller seinen Mängelbeseitigungsanspruch verliert. Eine andere Sichtweise heißt, den Unternehmer gegenüber verschuldensabhängigen Schadensersatzansprüchen des Bestellers zu privilegieren.

 

RA Thomas Blatt, Dinslaken 

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