Keine Mängelhaftung durch die Hintertür?

OLG Brandenburg, Urteil vom 30.01.2019 - 4 U 139/17

1. Eine Schadensersatzpflicht des Bauunternehmers wegen Verletzung des Eigentums des Auftraggebers kommt nur dann in Betracht, wenn sich in der Beschädigung oder Zerstörung des Produkts ein Schaden verwirklicht, den zu vermeiden dem Unternehmer im Integritätsinteresse des Auftraggebers durch eine deliktische Sorgfaltspflicht aufgegeben ist (sog. "Weiterfresserschaden").*) 2. Deckt sich der geltend gemachte Schaden mit dem Unwert, der der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit von Anfang an schon bei ihrem Erwerb anhaftet, ist er allein auf enttäuschte Vertragserwartungen zurückzuführen; für deliktische Schadensersatzansprüche ist insoweit kein Raum.*) 3. Die Arglisthaftung setzt dreierlei voraus: Das Vorliegen eines offenbarungspflichtigen Mangels, die Kenntnis hiervon und die Verheimlichung.*) 4. Dem arglistigen Verschweigen eines Mangels steht eine Verletzung der Organisationsobliegenheit gleich, die darin besteht, dass der Unternehmer, der ein Werk arbeitsteilig herstellen lässt, nicht die organisatorischen Voraussetzungen schafft, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das Werk bei Ablieferung mangelfrei ist.*)

OLG Brandenburg, Urteil vom 30.01.2019 - 4 U 139/17

BGB §§ 633, 634, 634a, 636, 639, 823 Abs. 1, § 826

Problem/Sachverhalt

Ein Auftraggeber (AG) nimmt einen Auftragnehmer (AN) ca. sechseinhalb Jahre nach Abnahme wegen Mängeln der Feuerfestauskleidung für Heizkesselanlagen in Anspruch. Er stützt sich darauf, dass der AN die Mängel arglistig verschwiegen habe. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergebe sich, so der AG, nicht nur aus dem Vertrag, sondern auch aus unerlaubter Handlung und wegen sittenwidriger Schädigung.

Entscheidung

Nachdem das Landgericht eine Arglist des AN bejaht und der Klage des AG dem Grunde nach stattgegeben hatte, entlarvt das OLG die Entscheidung als unzulässiges Teilurteil und verweist den Rechtsstreit wegen Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör und unzureichender Sachverhaltsaufklärung an das Landgericht zurück. Für § 826 BGB fehle es bereits am Schädigungsvorsatz. Und ein Anspruch aus § 823 BGB komme nur in Betracht, wenn sich in der Beschädigung oder Zerstörung des Produkts ein Schaden verwirklicht, den zu vermeiden dem AN im Integritätsinteresse des Erwerbers durch eine deliktische Sorgfaltspflicht aufgegeben ist (sog. "Weiterfresserschaden"). Davon könne hier jedoch keine Rede sein. Hier deckt sich vielmehr der Schaden mit dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit von Anfang an anhaftete. Dann ist der Schaden allein auf enttäuschte Vertragserwartungen zurückzuführen. Hinsichtlich der im Vordergrund stehenden Gewährleistungsansprüche (§§ 633 ff. BGB) könnte die vom AN erhobene Einrede der Verjährung durchgreifen. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn dieser arglistig gehandelt hätte, wobei Arglist auch Voraussetzung für die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Mängelbeseitigung sei. Arglist setze jedoch voraus, dass der Mangel offenbarungspflichtig war, der AN hiervon Kenntnis und den Mangel dennoch verheimlicht hatte. Dem arglistigen Verschweigen eines Mangels stehe eine Verletzung der Organisationsobliegenheit gleich, die darin besteht, dass ein AN, der ein Werk arbeitsteilig herstellen lässt, nicht die organisatorischen Voraussetzungen schafft, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das Werk bei Ablieferung mangelfrei ist. Und insoweit fehle es an hinreichenden und verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen.

Praxishinweis

Nach wie vor leiden erstinstanzliche Urteile an schwer wiegenden Rechtsverletzungen, sei es im Hinblick auf das Recht auf rechtliches Gehör, wegen unzureichender Sachverhaltsaufklärungen und/oder wegen unzulässiger Teilurteile, die deshalb regelmäßig aufgehoben werden.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Andreas Koenen, Münster

© id Verlag