Kann das Architektenhonorar durch Schätzung ermittelt werden?

KG, Urteil vom 22.03.2013 - 7 U 218/11; BGH, Beschluss vom 27.08.2014 - VII ZR 95/13 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

1. Wird ein Planervertrag durch Fristablauf beendet und hat der (Innen-)Architekt die in einer Phase geforderten Leistungen nur teilweise erbracht, steht ihm für diese Leistungen die (anteilige) Vergütung zu. 2. Haben die Vertragsparteien ein Pauschalhonorar vereinbart und werden die erbrachten Leistungen nicht prüfbar abgerechnet, kann der dem Architekten zustehende Werklohn nicht durch Schätzung ermittelt werden. Eine solche Schätzung der erbrachten Leistungen setzt voraus, dass der Architekt zumindest ansatzweise konkrete Abgrenzungskriterien vorträgt. Hierzu gehört, dass er die Kalkulation für das vereinbarte Pauschalhonorar offenlegt.

KG, Urteil vom 22.03.2013 - 7 U 218/11; BGH, Beschluss vom 27.08.2014 - VII ZR 95/13 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB § 158 Abs. 2, §§ 163, 631 Abs. 1; HOAI 1996 § 4

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber verlangt die Rückzahlung von Abschlägen. Der im Zusammenhang mit der Errichtung eines Hotels beauftragte Innenarchitekt (A) habe die ihm übertragenen Leistungen mangelhaft und unvollständig erbracht. A hatte auf der Grundlage von Pauschalvergütungen für einzelne Leistungsabschnitte abgerechnet. Die Leistungsabschnitte tragen folgende Bezeichnungen: "Conceptual Design", "Schematic Design", "Design Development", "One Guestroom Mock-up", "Bid & Award", "Construction Administration". Das Landgericht gibt der Klage des Auftraggebers überwiegend statt. Das KG stellt eine weitergehende Rückzahlungsverpflichtung fest. Dagegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des A.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das KG befasst sich ausführlich mit dem Umfang der erbrachten Leistungen und ihrer Verwertbarkeit. Hinsichtlich der Vergütung legt das Gericht die von den Parteien vereinbarten Pauschalen für die einzelnen Leistungsabschnitte zu Grunde. Mit keinem Wort geht das KG der Frage nach, inwieweit die Pauschalen mit dem Abrechnungssystem der HOAI in Einklang stehen. Zwar gibt die Vorschrift des § 287 ZPO dem Gericht nur dann die Möglichkeit, den dem Architekten zustehenden Werklohn durch Schätzung zu ermitteln, wenn er nach vorzeitiger Beendigung eines Pauschalpreisvertrags die erbrachten Leistungen prüfbar abgerechnet hat. Dabei nimmt das Gericht Bezug auf eine Entscheidung des BGH (IBR 2006, 539), die zur Abrechnung eines VOB-Vertrags ergangen ist. Im vorliegenden Fall hat der Architekt eine solche prüfbare Abrechnung jedoch nicht beigebracht.

Praxishinweis

Das Urteil kann aus verschiedenen Gründen nicht verallgemeinert werden. Die Vergütung des Innenarchitekten unterliegt dem zwingenden Abrechnungsregime der HOAI. Dennoch setzt sich das Gericht nicht mit der Frage auseinander, ob das vereinbarte Pauschalhonorar mit der HOAI vereinbar ist. In diesem Kontext besteht kein Raum für Schätzungen. Vielmehr lässt sich das jeweilige Honorar punktgenau anhand der einzelnen Honorartafeln berechnen, wenn der Architekt den zur Berechnung erforderlichen Sachverhalt vorgetragen und gegebenenfalls bewiesen hat. Für die Ermittlung der geschuldeten Vergütung bedarf es - entgegen der Praxis vieler Instanzgerichte - keines Sachverständigengutachtens, denn es geht um die Klärung von Rechtsfragen.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Verwaltungsrecht Prof. Dr. Mathias Preussner, Konstanz

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