Stahlebtonarbeiten

Kalkulationsirrtum ist unbeachtlich!

OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2021 - 10 U 308/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen) BGB §§ 119, 121 Abs. 1, § 326 Abs. 2; VOB/B § 8 Abs. 1

1. Behauptet der Auftragnehmer eines Detail-Pauschalvertrags, der ursprünglich vereinbarte Pauschalpreis sei nachträglich erhöht worden, hat er diese Vertragsänderung darzulegen und zu beweisen.
2. Ein verdeckter Kalkulationsirrtum berechtigt den Auftragnehmer nicht zur Anfechtung der Preisvereinbarung.

OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2021 - 10 U 308/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)

BGB §§ 119121 Abs. 1, § 326 Abs. 2; VOB/B § 8 Abs. 1

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) verpflichtet den Auftragnehmer (AN) mit Rohbauarbeiten für eine Gewerbeimmobilie zu einem "Pauschalpreis" von 350.000 Euro. Vertragsgrundlage ist u. a. das detaillierte Leistungsverzeichnis (LV) des AN. Unter Ziff. 013 des LV, die sich zum Betonstahl verhält, sind am Ende die im "Festpreis" nicht enthaltenen Leistungen aufgeführt, darunter "Matten- und Rundstahl pro Kilogramm mit 1,50 Euro". Nach Fertigstellung des Werks stellt der AN seine Schlussrechnung. Diese beinhaltet den Abrechnungsposten "Betonstahl" über knapp 133.000 Euro. Unter Hinweis auf die Pauschalpreisabrede verweigert der AG die Zahlung der über den "Pauschalpreis" hinausgehenden Vergütung. Der AN verfolgt den Anspruch vor Gericht und trägt dafür einen bunten Strauß an Argumenten vor: nachträgliche konsensuale Preiserhöhung unter Hinweis auf einen Zahlendreher des Geschäftsführers des AN sowie Anspruch auf Einheitspreisvergütung.

Entscheidung

Mit Erfolg! Die auf Einheitspreisbasis abgerechneten Betonstahlmengen sind zusätzlich zum vereinbarten Pauschalpreis zu vergüten. Das Gericht qualifiziert die Preisabrede als "Detail-Pauschalpreisabrede". Die unter Ziff. 013 des LV genannte Einheitspreisleistung ist nicht mit der Pauschalpreisabrede abgegolten, da diese Leistungsposition erkennbar als Einheitspreis ausgewiesen ist. Der weitere Vortrag des AN, mit dem er die zusätzliche Vergütung für den "Betonstahl" rechtfertigen wollte, verfängt hingegen nicht. Die Behauptung, die Parteien hätten die Pauschalvergütung nach Vertragsschluss deutlich angehoben, dringt beim Gericht nicht durch. Der insofern darlegungs- und beweisbelastete AN kann seiner Nachweispflicht nicht nachkommen. Auch die Anfechtung der Pauschalpreisabrede kommt nicht in Betracht. Der vom AN vorgetragene Zahlendreher bei Abgabe seiner Pauschalpreiserklärung lässt sich nicht belegen. Die Anfechtung aufgrund eines verdeckten Kalkulationsirrtums scheidet aus.

Praxishinweis

Lässt der AN irrtümlich preisbildende Faktoren im Zuge der Angebotsstellung unberücksichtigt, z. B. wenn die vom AN zu erstellende Werk- und Montageplanung in den Einheitspreis irrtümlich nicht mit eingerechnet wird, so liegt ein verdeckter (unbeachtlicher) Kalkulationsirrtum vor. Der AN kann den Vertrag trotz seines Irrtums nicht anfechten, da dieser grundsätzlich das Risiko seiner Fehlkalkulation trägt. Ein auf den Preisermittlungsgrundlagen beruhender interner Irrtum des AN ist deshalb stets unbeachtlich. Selbst bei positiver Kenntnis oder Erkennbarkeit des Irrtums nach außen, etwa wenn der AN seine Preiskalkulation offengelegt hat und sich der Irrtum beim AG aufdrängen musste, ist das Anfechtungsrecht nicht das Mittel der Wahl. In diesen Fällen ist ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Aufklärungspflicht gegen den AG denkbar. Der AN hat dann nachzuweisen, dass der AG den Kalkulationsirrtum erkannt und diesen zu Lasten des AN ausgenutzt hat. Die positive Kenntnis vom Kalkulationsirrtum auf Seiten des AG lässt sich nur schwer durch den AN nachweisen, da es sich um einen internen Vorgang beim AG handelt. Die Schwelle der Pflichtverletzung gilt daher bereits als überschritten, wenn ein besonders auffälliger Kalkulationsfehler festzustellen ist, der AG treuwidrig die Augen davor verschließt und gleichwohl den Auftrag erteilt hat. In solchen Fällen ist ein Schadensersatzanspruch des AN denkbar.

 

RA Frederik Ulbrich, Hamburg

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